Thiem-Coach Benjamin Ebrahimzadeh: „Tennis bleibt eine Wiederholungssportart“

In München bestreitet Benjamin Ebrahimzadeh das zweite Turnier als Coach an der Seite von Dominic Thiem. Im Interview mit tennisnet geht es aber nicht nur um seinen neuen Schützling, sondern auch um einen Mann, den Ebrahimzadeh seit Kindesbeinen an kennt: Holger Rune.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 17.04.2023, 22:44 Uhr

Wiederholungen helfen immer. Benjamin Ebrahimzadeh beim Training mit Dominic Thiem
© privat/tennisnet
Wiederholungen helfen immer. Benjamin Ebrahimzadeh beim Training mit Dominic Thiem

tennisnet: Herr Ebrahimzadeh. Wenn ein Fußballtrainer eine Mannschaft neu übernimmt, dann kommt dieser Trainer oft mit einer fixen Idee an, zumeist verstärkt er die Defensive. Wie sieht das im Tennissport aus, wenn Sie sich einer neuen Aufgabe widmen?

Benjamin Ebrahimzadeh: Beim Tennis gibt es sehr viele verschiedene Aspekte, die zu berücksichtigen sind: Zunächst muss man mal ein Gefühl für die Situation bekommen, wo man seinen Spieler abholt. Wo befindet er sich gerade körperlich, technisch und taktisch? Wo war er vielleicht schon mal? Was sind die größten Unterschiede? Und dann bedarf es klarer Aufgaben und Ziele, die möglichst schnell zu erreichen sind.

tennisnet: Sie haben drei Jahre lang als Technischer Direktor in der Akademie von Patrick Mouratoglou gewirkt. Und dabei auch mit einem der großen Aufsteiger des letzten Jahres, Holger Rune, gearbeitet. Wie sind Ihre Erinnerungen?

Ebrahimzadeh: Ich habe für Patrick das Champ´seed Programm geleitet. Und Holger war neben Stefanos Tsitsipas, Lorenzo Musetti oder Cori Gauff einer jener jungen Talente, die ich dort hingebracht habe. Ich kenne Holger, seit er zwölf Jahre alt ist.

tennisnet: Hat man bei Rune schon in frühen Jahren gesehen, dass er etwas Herausragendes an sich hat?

"Holger Rune erntete schon früh die Früchte seiner Arbeit"

Ebrahimzadeh: Alle Jungs, die jetzt in der Weltspitze angekommen sind, verfügen über Eigenschaften, die besonders sind. Holger war immer sehr diszipliniert, sehr ehrgeizig und auch schon früh sehr selbstbewusst. er hat unglaublich hart gearbeitet. Die Früchte erntet er sehr, sehr früh in seiner Karriere. Er steht jetzt zurecht unter den ersten Zehn. Ich bin schon gespannt, was er in Zukunft noch leisten wird.

tennisnet: Was macht Rune für Sie als Tennisspieler aus?

Ebrahimzadeh: Er kann unglaublich schnell spielen, dann aber auch wieder mit viel Sicherheit. Er ist athletisch, spielt plötzlich einen Stopp, dann kommt er überraschend ans Netz. Er ist sehr, sehr selbstbewusst, hat für sein junges Alter schon eine große Präsenz. Und auch eine gewisse Selbstverständlichkeit, Matches von oben runterzuspielen. Das ist eine Sache, die man fast nicht lernen kann. Und er hat ein gutes Team um sich herum, vor allem seinen Fitnesscoach, der für mich einer der besten auf der Tour.

tennisnet: Dominic Thiem wiederum befindet sich in einem ganz anderen Stadium seiner Karriere als Holger Rune. Wie ist es zur Zusammenarbeit mit ihm gekommen?

Ebrahimzadeh: Der Kontakt zwischen mir und Dominic hat immer bestanden, wie haben uns immer wieder gesehen, sprechen dieselbe Sprache. Dann hat Domi mich Ende der Woche von Estoril angerufen und gefragt, ob ich mir das vorstellen kann. Wir haben sehr schnell einen gemeinsamen Nenner gefunden, und ich habe gesagt: „Alles klar, wir sehen uns morgen in Monaco.“

tennisnet: Dominic hat nun auch schon ein paar Mal erwähnt, dass es für ihn auch wichtig ist, mal wieder einen Coach zu haben, der seine Muttersprache spricht. Warum könnte das auch ein Baustein zum Erfolg sein?

"Bin beeindruckt, wei schnell Dominic Dinge adaptiert"

Ebrahimzadeh: Ich habe auf Deutsch gecoacht, auch auf Englisch. Auf Französisch habe ich es nicht geschafft. Du kannst Gefühle und Situationen in Deiner Muttersprache immer besser beschreiben. Das macht das Ganze einfacher. Gerade in Situationen, wo man ein bisschen klarer sein muss, wie man sich fühlt, und was der Unterschied ist, da kann das sicherlich helfen. Für mich ist es sehr angenehm. Meine letzten Spielerinnen, mit denen ich in meiner Muttersprache gesprochen habe, waren Angelique Kerber und Andrea Petkovic.

tennisnet: Dominic Thiem ist ein Grand-Salm-Champion, ein fertiger Spieler. An welchen Stellschrauben können Sie da drehen?

Ebrahimzadeh: Am Ende des Tages läuft es zumeist auf Basissachen hinaus. Entscheidend ist das Commitment des Spielers. Wie sehr möchte der Spieler das? Ist er bereit, jeden Tag früh aufzustehen und ins Bett zu gehen? Ist er bereit, gut zu essen? Jeden Tag ein Stückchen besser zu werden? Ist er auch bereit, sich selbst die ehrlichen Fragen zu stellen? Und dann ist es mein Job, die richtigen Aufgabenstellungen im Training zu finden, die er abzuarbeiten hat. Technisch und taktisch.

tennisnet: In seiner Pressekonferenz hier hat Dominic gesagt, dass er wieder mehr Basisarbeit macht. Was heißt das?

Ebrahimzadeh: Tennis ist und bleibt eine Wiederholungssportart. Das kann man nicht wegdiskutieren. Da können wir uns drehen und wenden, wie wir wollen. Was zählt ist: Machst Du die Wiederholungen oder machst Du sie nicht? Wenn man sieht, wo Dominic herkommt, dann hat er diese Wiederholungen immer gemacht. Und auch meine Umfänge sind immer hoch. Mit sehr hoher Intensität. Das erarbeiten wir im Moment und das macht er hervorragend. Ich bin beeindruckt, wie schnell er Dinge adaptiert.

tennisnet: Lassen Sie uns noch kurz auf das große Bild schauen: Gerade in der vergangenen Woche in Monte-Carlo gab es ein paar Handshakes, die nicht gerade freundschaftlich ausgefallen sind. Zverev und Medvedev, Rune und Sinner. Gut oder schlecht für den Tennissport?

Ebrahimzadeh: Man muss natürlich sehen, in welcher Zeit wir leben. Mit den gesamten Social-Media-Möglichkeiten, da werden solche Szenen mit den GIFs 28mal hoch- und runtergespielt. Man sieht jede Reaktion. Das wird nach außen immer ein bisschen dramatischer gemacht als es ist. Dass es für das Tennis gut ist, steht für mich außer Frage. Aber es wird auch zu sehr hochgekocht.

tennisnet: In den letzten Wochen haben Jannik Sinner, Holger Rune und natürlich Carlos Alcaraz auch konstant überzeugen können. Sehen Sie Alcaraz in diesem Trio auf einem etwas höheren Level als Sinner und Rune?

Ebrahimzadeh: Es sind unterschiedliche Spielertypen. Alcaraz ist sehr komplett, sehr aggressiv, nimmt seinen Gegner die Zeit weg. Sinner hat sehr harte Grundschläge, hat mit seinem Serve vielleicht ein bisschen weniger Wirkung als die anderen beiden. Holger ist brutal stabil, vielleicht körperlich der beste dieser drei Spieler. Vergleiche machen da keinen Sinn.

tennisnet: Herr Ehrahimzadeh - vielen Dank für das Gespräch.

Benjamin Ebrahimzadeh beim Interview mit tennisnet.com
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