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Tobias Kamke im Karriere-Ende-Interview: "Unangefochtene Highlights sind meine Davis-Cup-Einsätze"

„In Hamburg sagt man tschüss“ sang bereits Heidi Kabel in einem Gassenhauer aus den 1970er Jahren. Für Tobias Kamke war dieser Titel am 19. Juli 2022 Programm, als der 36-jährige Tennisprofi an der Seite von Dustin Brown sein letztes Match auf der ATP-Tour bestritt.

von Florian Heer aus Hamburg
zuletzt bearbeitet: 22.07.2022, 08:24 Uhr

Tobias Kamke
© Hamburg European Open/Witters
Tobias Kamke

Die deutsch-jamaikanische Kombo verlor ihr Erstrundenmatch im Doppel bei den Hamburg European Open gegen Rohan Bopanna aus Indien und den Niederländer Matwe Middelkoop auf Court M3 glatt in zwei Sätzen. Im Anschluss gab es Blumen und viele Emotionen für den Norddeutschen Kamke, der in seiner Karriere acht Titel auf der ATP-Challenger-Tour gewann und es bis auf Position 64 der Weltrangliste schaffte.

Am Mittwoch folgte auf dem großen Center-Court am Rothenbaum eine offizielle Verabschiedung. Im Anschluss daran haben wir uns mit ihm zum Interview getroffen.

Tennisnet: Herr Kamke, wie verliefen die Feierlichkeiten?

Tobias Kamke: Ich hätte das Match mit Dustin natürlich gerne gewonnen. Es war aber sehr emotional hinterher, da die Familie und viele Freunde vor Ort waren und mich beglückwünscht haben. Wir waren dann abends noch essen und es wird jetzt noch eine gewisse Zeit dauern, bis man etwas Abstand hat. Auch die Verabschiedung eben fand ich sehr schön. Auf den Punkt, sehr gelungen. Ich habe auch heute über den Tag hinweg schon sehr viele Nachrichten und Anrufe erhalten. Das Telefon stand gar nicht still. Ich habe mich über die Resonanz sehr gefreut.

Seit wann haben Sie erwogen, Ihre Tenniskarriere zu beenden?

Im Herbst vergangenen Jahres hatte ich bereits eine Phase, in der ich mich sehr schwergetan habe. Da musste ich mir selbst richtig reintreten, um zu trainieren. Man wird nicht jünger. Da kommen auf der ganzen Welt täglich junge, hungrige Spieler nach, die auch gerne nach oben wollen. Ich habe das Jahr dann normal zu Ende gespielt und mich für Australien qualifiziert, was mir vielleicht nochmal einen extra Motivationsschub hätte geben können, weil ich dort immer gerne gespielt habe und die Reise sehr gerne mochte. Als ich allerdings aus Melbourne zurückgekommen war, wusste ich eigentlich schon, dass das Jahr nicht zu Ende gespielt wird. Ich habe dann noch ein paar Turniere laufen lassen, da ich dafür gemeldet hatte. Dann habe ich mit meinem Trainer darüber gesprochen, da ich nicht wirklich wusste, wie ich mit dem Gedanken umgehen sollte. Wir haben uns viel ausgetauscht und es wurde immer klarer. Für mich fiel die Entscheidung im April, dass ich gerne mit dem Rothenbaum-Turnier aufhören würde. Als gebürtiger Lübecker und jetziger Hamburger sehe ich es als den besten Platz dafür. Ich habe viele schöne Erinnerungen an das Turnier und der Zeitpunkt hat ebenfalls gepasst.

Stichwort Reisen. Tennisspieler sind das gesamte Jahr über auf Tour. Freuen Sie sich jetzt auch darauf am Samstagabend auf der Couch die Füße mal hochlegen zu können?

Auf jeden Fall. Wenn man sich in Spielerkreisen umhört, können wohl viele auf das Reisen verzichten. Leider geht das nicht. Das war zum Schluss auch schon sehr kräftezehrend und hat auch nicht mehr wirklich viel Spaß gemacht. Vorher hatte ich weniger Probleme damit und war gerne 35 bis 40 Wochen pro Jahr unterwegs. Es sich jetzt aber aussuchen zu können, wann und wohin ich reisen möchte, ist ein schönes Gefühl.

Sie werden in dieser Saison noch in der Tennis-Bundesliga aktiv sein. Ist das etwas, was Sie sich auch in den nächsten Jahren vorstellen können?

Ich bin begeisterter Mannschaftssportler und werde die Saison für den TC Bredeney auf jeden Fall zu Ende spielen. Danach müssen wir schauen. Ich werde im nächsten Jahr 37 Jahre alt sein und da gilt es abzuwarten, inwieweit ich körperlich noch fit bin, wenn ich das Trainingspensum auf null schraube. Es soll auch gerechtfertigt sein, noch mitspielen zu können.

Gibt es bereits Pläne für die Zeit nach der Profikarriere?

Pläne und Ideen gibt es. Allerdings sind diese noch nicht ganz ausgereift. Meine Fühler sind in verschiedene Richtungen ausgestreckt, aber ich werde das noch intensiver angehen und schauen was mir Spaß macht. Den Bezug zum Tennis möchte ich dabei behalten. Das ist mir sehr wichtig, da ich den Sport liebe.

Sie sind 2004 Profi geworden. Wenn Sie Ihre Karriere ein wenig Revue passieren lassen. Was waren die Highlights, die Ihnen sofort einfallen?

Bis man alles reflektiert, braucht es bestimmt eine gewisse Zeit. Dass ich überhaupt noch in diesem Alter professionell Tennis spielen würde, hätte ich nicht geglaubt. Absolut unangefochtene Highlights sind aber meine Davis-Cup-Einsätze, vor allem in Frankreich 2014. Das sind Momente, wo es mir noch jetzt eiskalt den Rücken runterläuft. Das ist heute noch präsent. Natürlich gehört auch dazu, wie ich erstmals in die Top 100 gekommen bin, das erste Mal für ein Grand-Slam-Turnier qualifiziert zu sein oder bei seinem Heimturnier im Hauptfeld aufzuschlagen, wo man als Kind hinter der Absperrung gelauert hat, um eine Unterschrift zu ergattern. Es sind viele schöne Momente.

Sie haben in Ihrer Karriere rund 2,5 Mio. US-Dollar an Preisgeld gewonnen. Viele Fragen sich, ob man als Tennisprofi damit ausgesorgt hat?

Beschäftigung braucht man immer, sonst wird es einem langweilig. Ich möchte mich auch nicht nur ausruhen. Da sind die Ansprüche an mich selbst zu hoch. Jeder hat in seiner Karriere anders gewirtschaftet. Es ist jetzt auf keinen Fall so, dass ich ab übermorgen schon Trainerstunden geben muss. Allerdings sind andere Dinge, die man aus einer Karriere mitnehmen kann, wichtiger: Freundschaften, die geschlossen wurden, sind da um einiges wertvoller.

Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zeit nach dem Profi-Tennis.

von Florian Heer aus Hamburg

Freitag
22.07.2022, 08:05 Uhr
zuletzt bearbeitet: 22.07.2022, 08:24 Uhr