US Open: Carlos Alcaraz, Jannik Sinner und warum wir uns keine Sorgen ums Tennis machen müssen
Carlos Alcaraz und Jannik Sinner haben mit ihrem irren Viertelfinale bei den US Open für Erstaunen gesorgt. Und für die Einsicht: Das Profitennis ist für die kommenden Jahre gut gerüstet.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
08.09.2022, 11:24 Uhr
Es muss eigentlich ein feiner Job sein, für den Turnierchannel der US Open die Highlight-Videos zusammenzustellen. Im Falle des Kollegen oder der Kollegin, die für das Alcaraz/Sinner-Match beauftragt war, konnte man nur hoffen, dass er oder sie zu den entscheidungsfreudigeren Menschen gehört. Denn wie in aller Welt soll man Highlights aus einem Spiel zusammentragen, das speziell in den ersten drei Sätzen fast ausschließlich Highlight-Ballwechsel geboten hat?
Okay, wir sind mittlerweile alle zu begeisterungsfähig, ohne Superlative (auch im Negativen) geht es selten, die gesunde Mitte fehlt oft. Aber diesmal doch zurecht. Die Kern-Message der vergangenen Nacht muss lauten: Ja, das Tennis ist auch für die Zeit nach den "Big 4" gut aufgestellt!
Und das sogar ohne Herrn Kyrgios, der sich selbst gerne als wichtigsten, weil unterhaltsamsten Spieler der Jetzt-Zeit bezeichnet. Dass starkes Tennis, großes Entertainment und sogar sportliches Verhalten zusammenpassen, haben die Herren Alcaraz und Sinner bestens bewiesen.
"Tennis auf Fast Forward"
"Die beiden hauen so hart auf die Kugel, dass ich denke, ich schaue Tennis auf Fast Forward", twitterte beispielsweise Ex-Spielerin Laura Robson. "Ich habe das Gefühl, ich schaue ein Tischtennismatch", schrieb Veteran Feliciano Lopez. Und Cori Gauff, eigentlich kurz vorm Abflug, textete: "Das ist absurd. Ich muss um 6 Uhr zum Flughafen, aber ich weigere mich, zu schlafen und das zu verpassen."
"Plötzlich sind das keine Winner mehr"
Und auch selbst macht man sich ja bei guten Tennismatches so seine Gedanken, mit dem Kollegenkreis über WhatsApp. "Ich habe noch nie so schnelle und wuchtige Ballwechsel gesehen wie bei diesem Turnier", schreibt Kollege T. "Draufhauen ist ja das eine, aber plötzlich sind das keine Winner mehr." Kollege U., früher ebenfalls einer für den ausgegrätschten Ball, meint: "Ich hab schon Schmerzen, wenn ich dran denke, so zu rutschen." Und Kollege M. trifft's wie immer punktgenau mit dem Blick auf die eigenen Anfangszeiten: "Es ist ein anderer Sport geworden."
Sie haben ja alle so recht. Hat man sich früher immer erträumt, doch mal ein paar Kugeln mit den Profis zu schupfen, schreckt einen der Gedanke mittlerweile ab. Die Wucht, diese Mischung aus gnadenloser Power verbunden mit dem "Heavy Spin" der heutigen Generation - vermutlich würde einem der Schläger aus der Hand fliegen. Und das ist ja das Absurde: Laver, Borg, Becker, Agassi, Federer, Nadal, Djokovic - sie alle haben große Neuerungen ins Spiel gebracht, das Spiel auf neue Ebenen transportiert, sodass immer die Frage da war: Was soll noch kommen?
Alcaraz und Sinner haben nun einen Vorgeschmack gegeben.
Nur ein anderer Tennisfreund ist ausnahmsweise recht sprachlos. "Ich sitze in meiner Bahn in Richtung Arbeit", tippt er während des dritten Satzes, als Alcaraz und Sinner gerade einen Wahnsinnsballwechsel nach dem anderen abfeuern.
Er muss vor allem auf eines hoffen: die gute Arbeit des verantwortlichen Kollegen für das Highlight-Reel. Oder eine ausgedehnte Mittagspause.