Wimbledon: Der ewig junge Roger Federer wieder mittendrin im Titelkampf
Am Dienstag steigt der achtfache Wimbledon-Sieger Roger Federer in das dritte Major des Jahres ein. In guter Form. Und mit einer guten Auslosung.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
01.07.2019, 19:56 Uhr
Von Jörg Allmeroth aus London
Es war in einer ruhigen Stunde während der Turnierwoche in Halle, als Roger Federer gleich ein paar Mal über Roger Federer ins Staunen geriet. Das Gespräch unter vier Augen drehte sich schon um das bevorstehende Wimbledon-Turnier, und Federer wunderte sich darüber, dass er weiter an vorderster Front im Pokalkampf unterwegs ist – mittendrin und nicht nur dabei: „Ich bin fast 38 Jahre, und ich spiele immer noch um die großen Titel mit“, sagte Federer, „ist das nicht verrückt. Ich hätte das nie für möglich gehalten.“ Und dann wunderte sich Federer auch noch, dass er schon so alt ist, 37 Jahre eben, beinahe 38, auf Kurs Vierzig: „Die Jahre sind verflogen, es ist unglaublich“, so Federer, „ich fühle mich eigentlich jünger, die Zahl wirkt irgendwie falsch auf mich.“ Doch dann setzte er lächelnd hinzu: „Es sei denn, ein großes Turnier ist gerade vorbei. Dann spüre ich die Knochen schon, dann brauche ich meine Zeit, um mich zu erholen.“
Jetzt ist wieder ein großes Turnier gekommen. Das größte Turnier überhaupt. Das größte Turnier sowieso für Federer. Wimbledon hat auch in seiner Karriere Schicksal gespielt, es hat die Wege seines Tennislebens geformt, verändert. Und ihn, allem voran, zu dem gemacht, der er ist. Das prägende Gesicht des Tennis, der überlebensgroße Patron der Szene, der Herrscher über die Halme, der Rasen-König. „Wimbledon war fast immer gut zu mir“, sagt Federer, der vor 21 Jahren erstmals auf sich aufmerksam machte, als er das Juniorenturnier gewann. Er war ein ganz anderer Charakter damals, heißblütig, auch manchmal jähzornig und aufbrausend, er siegte als wilder Bursche.
Federer, Djokovic, Nadal bestimmen den Gang der Dinge
Dass etwas Großes aus ihm werden könnte, verriet Federer 2001, als er die Regentschaft des siebenmaligen Siegers Pete Sampras beendete, ein definierender Augenblick für Federer, aber auch für das Welttennis. Federer brauchte zwar noch den Umweg über 24 herausfordernde Monate mit Krisen und Rückschlägen, aber 2003 holte er den ersten seiner acht Pokale in Wimbledon. Das Zeitalter der wenigen, alles überstrahlenden Superstars war eingeläutet. Mit ihm lange Zeit an der Spitze, dann aber auch mit Rafael Nadal und Novak Djokovic in Führungspositionen und in Gewinnerpose. Fast nichts hat sich daran geändert bis heute. Federer und Co. bestimmen weiter den Gang der Dinge, wenn die Grand Slam-Titel vergeben werden. Die Zauberformel, wie diese Dominanz geknackt werden kann, haben schon ganze Generationen vergeblich gesucht, auch die gerade nachrückenden Youngsters.
Federer ist selbstverständlich auch jetzt wieder einer der hohen Wettfavoriten. Er ist mit der Empfehlung des Turniersiegs aus Halle gekommen, der wieder einmal zeigte, was ihn, aber auch die anderen ehrenwerten Gentlemen an der Spitze auszeichnet: Die ständige Modernisierung des eigenen Stils und Spiels, die harte Arbeitsethik, das extrem professionelle und hochkarätig besetzte Umfeld. „Ich war immer aufgeschlossen für alles Neue, war neugierig und habe mich verändert, wenn es nötig war“, sagt Federer, „wenn ich Wimbledon noch so spielen würde wie vor zehn Jahren, hätte ich sicher kaum Chancen.“ Tatsächlich machte sich gerade auf den Rasenplätzen die größere Offensivlust und Aggressivität des späten Federer bemerkbar, etwas, das größtenteils aus der Allianz mit dem legendären schwedischen Angreifer Stefan Edberg erwachsen war.
Auftakt gegen Lloyd Harris
Federer wird auch in den nächsten Tagen, bei den Offenen Englischen Meisterschaften des Jahres 2019, sein Heil im Vorwärtsdrang suchen, als Mann aus der Abteilung Attacke – zunächst im Auftaktmatch gegen den Südafrikaner Lloyd Harris. „Ich muss das Spiel bestimmen, die Entscheidung suchen. Abwarten zählt nicht“, sagt Federer. So spielte er auch in Halle, bei seinem zehnten Titel dort. So spielte er aber zuletzt immer, wenn er erfolgreich war. Drei Pokale hat er in diesem Jahr schon gewonnen, 102 sind es nun insgesamt. „Ich fühle mich gerade so frisch und gut, dass ich mir immer was ausrechne, wenn ich in ein Turnier gehe“, sagt Federer, „natürlich auch in Wimbledon.“ Oder: Erst recht in Wimbledon.