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Wimbledon-Finalistin Jasmine Paolini: Klein und oho!

Jasmine Paolini (WTA-Nr. 7) steht als erste Italienerin überhaupt im Finale von Wimbledon. Es ist die Krönung einer fantastischen Spielzeit 2024 - oder: fast die Krönung. Ein Sieg fehlt noch zum ganz großen Jubel.

von Florian Goosmann aus Wimbledon
zuletzt bearbeitet: 12.07.2024, 20:28 Uhr

Jasmine Paolini
© Getty Images
Jasmine Paolini

Eigentlich war sie immer nur am Kämpfen. 

Jasmine Paolini hatte wirklich nicht viel zu melden am Donnerstagnachmittag, im Halbfinale gegen Donna Vekic. Die Kroatin dominierte das Spiel nach Belieben, beim Aufschlag, beim Return. Paolini machte im ersten Durchgang nur drei Punkte beim Rückschlag. Und auch danach musste sie um ihre Aufschlagspiele durchweg fighten.

“Ich habe nur versucht, dran zu bleiben. Und gehofft, dass sich das Match drehen kann", sagte sie nach dem Sieg. 

Es gelang ihr. Paolini nutzte eine kleine Schwächephase von Vekic zum Satzausgleich, in Satz drei war es ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Und wenn's läuft, dann läuft's, so wie Paolini seit diesem Frühjahr. Denn wer noch zu Beginn des Jahres darauf gesetzt hätte, dass Jasmine Paolini die Tennistour 2024 auf den Kopf stellen würde, wäre ein reicher Mensch. 

Jasmine Paolini: Nach 13 Jahren auf der Tour folgt der große Durchbruch

Ein kleiner Rückblick: 2011 spielt die Italienerin ihr erstes Match auf der (ITF-)Tour, 2017 knackt sie erstmals die Top 200, Ende 2019 zieht sie erstmals unter die besten 100 Spielerinnen der Welt ein. Anfang 2024 steht sie auf Platz 29 - man könnte das einen stabilen, gemächlichen Aufstieg nennen. 

2024 aber ist alles anders. In Dubai gewinnt Paolini völlig überraschend den Titel, ihren erst zweiten auf der WTA-Tour, und damit gleich einen der 1000er-Kategorie. In Roland-Garros rauscht sie sensationell ins Finale, in Eastbourne gewinnt sie die ersten beiden Rasenmatches ihrer Karriere in einem WTA-Hauptfeld. Und nun in Wimbledon - naja, wir wissen, was hier los ist

Im aktuellen Live-Ranking steht Paolini auf Platz 5 der Welt. Mit doch schon 28 Jahren. 

Die Tiefe des Körpers

Dafür, dass Paolini nun auch Rasenexpertin ist, hat Ex-Wimbledonfinalist Nick Kyrgios eine Erklärung. “Wenn ich auf Rasen spiele und tiefe Bälle kriege, fällt es mir schwer, aggressiv zu sein. Aber für sie kommen die Bälle hüfthoch an, und sie schießt sie von beiden Seiten rüber", erklärte der Australier amüsant, aber logisch. 

Ihren Nachteil, den oft überschaubaren Aufschlag, konnte Paolini bislang gut verstecken, sie schlug in ihren ersten Runden sogar überraschend stark auf. Gegen Vekic hatte sie Probleme, steigerte ihre Quote aber von 47 Prozent in Satz eins auf 72 bzw. 68 Prozent in den Sätzen zwei und drei. Sie müsse besser aufschlagen am Samstag, wisse sie, und gut returnieren. “Auf Rasen ist es schwierig, zu verteidigen.”

Erfrischend ist es dennoch, was Paolini spielt, wie sie sich gibt, wie viel sie lächelt. Die Anspannung könnte natürlich noch kommen. “Am Samstag werde ich vielleicht nervös sein. Aktuell bin ich relaxed. Aber ich bin selbst etwas überrascht, wie ich das aktuell handle”, sagte Paolini (und lachte). 

Donna Vekic am Ende verzweifelt

Die geschlagene Donna Vekic indes konnte einem leid tun. Sie spielte anderthalb Sätze fast fehlerfrei, war näher am Matchgewinn als Paolini am Satzausgleich. Die Italienierin aber wurde von den Zuschauern getragen, Vekic animierte nach einem ihrer insgesamt 42 Winner zum Ende des dritten Satzes fast verzweifelt, auch ihr mal etwas energischeren Applaus zu schenken. 

Sie hatte da bereits Tränen in den Augen - vor Schmerz, wie sie nach dem Match erklärte. “Ich dachte, ich sterbe im dritten Satz”, sagte sie. “Ich hatte solche Schmerzen in meinem Arm, in meinem Bein.” Sie habe beinahe nicht mehr gewusst, wie sie weiterspielen solle.

Vekic tat das aber, und sie gab nicht nach, auch als Paolini erst einen, dann noch einen Matchball hatte. Vekic wehrte speziell den zweiten spektakulär ab, und so abgedroschen es klingt, sie verlor am Ende ein Match, das keine Verliererin verdient hatte.

Ihr Team, mit Trainerin Pam Shriver, fünfmalige Doppelsiegerin in Wimbledon, habe ihr gesagt, sie könne stolz auf sich sein. “Ich werde sicher ein paar Tage brauchen, das alles so zu sehen.”

Paolini indes hat nun die Chance, das ganz große Ding zu drehen. Ihre Gegnerin am Sonntag ist Barbora Krejcikova.

von Florian Goosmann aus Wimbledon

Freitag
12.07.2024, 09:55 Uhr
zuletzt bearbeitet: 12.07.2024, 20:28 Uhr