Wimbledon: Ivo Karlovic hat diesmal durchgebucht
Tennis-Methusalem Ivo Karlovic steht nach einem Dreisatz-Erfolg in Runde zwei von Wimbledon. Das Motivationsloch aus dem Vorjahr scheint mittlerweile ganz weit weg - und sein Feld nach dem Aus von Stefanos Tsitsipas recht offen.
von Florian Goosmann aus Wimbledon
zuletzt bearbeitet:
02.07.2019, 23:05 Uhr
Es dauerte nicht lange, bis der erste Vergleich durch Twitter schwappte. Mit 40 Jahren und 136 Tagen sei Karlovic der älteste Mann seit Ken Rosewall bei den Australian Open 1978, der ein Grand-Slam-Match gewonnen habe. Rosewall, der legendäre Australier mit dem ultimativen Slice, war damals 44 Jahre und 62 Tage alt. Karlovic hatte am Montagmittag den Italiener Andrea Arnaboldi mit 6:4, 6:4 und 7:6 (4) bezwungen, und dabei, fast überraschend, nur einen Tiebreak hinlegen müssen.
Was ihm der Altersrekord, der Vergleich mit Rosewall bedeute? "Das zeigt nur, dass ich alt bin", antwortete Karlovic in der Pressekonferenz - und sorgte für ein erstes großes Gelächter im kleinen Interviewraum 4. "Es ist natürlich eine Leistung, diese Langlebigkeit erreicht zu haben", gab er dann aber doch zu.
Etwas geändert in den letzten Jahren, um seinen Oldie-Körper in Form zu halten, habe er jedoch nicht. "Ich mache alles genauso wie vorher. Andernfalls würde ich vielleicht etwas mehr spüren, dass ich alt geworden bin", versicherte er. "Ich mache seit acht oder neun Jahren nichts anders." Einzig am Aufschlag habe er an etwas mehr Spannung gearbeitet, "vor zwei Jahren habe ich plötzlich recht viele Doppelfehler gemacht, im Vorjahr habe ich daher etwas umgestellt. Das hat arg geholfen."
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Dr. Ivo und die Motivation
Das Vorjahr, es ist überhaupt eine Zeit, die Karlovic überstehen musste. Er hatte seine Motivation verloren, das Reisen und Spielen nicht mehr genossen. "Es war eine schwierige Zeit", reflektierte er. Die aber überstanden sei. "Am Ende letzten Jahres habe ich die Motivation wieder gefunden, es ist wieder alles gut."
Und das dank einer Meisterleistung zum Jahresende. Nach den US Open hatte sich Karlovic, als er aus den Top 100 geflogen war, ein Ziel gesetzt: Entweder er würde es schaffen, sich über die Challenger-Tour wieder so weit nach oben zu spielen, dass es fürs Hauptfeld der Australian Open reichen würde - oder die Karriere würde beendet sein.
Ersteres trat ein: Mit 13 Siegen aus 17 Matches spielte sich der Kroate von Platz 137 wieder unter die Top 100 und ins Melbourne-Hauptfeld. "Das hat meinem Willen und meiner Motivation wieder auf die Beine geholfen." Aktuell steht Karlovic, der ehemalige Weltranglisten-14., auf Platz 80.
Vor allem das Abschiednehmen von seiner Familie war ihm im Vorjahr schwer gefallen, Tschüss zu sagen zu seiner Frau Alsi, Tochter Jada und Sohn Noah. Hat sich hieran etwas geändert? "Ich reise vielleicht etwas weniger zurzeit", erklärte Karlovic nun, "und aktuell sind alle hier mit mir. Das hilft viel. Wenn ich mit ihnen zusammen bin, fühle ich mich nicht so, als ob meine Kinder ohne Vater aufwachsen."
Die Tennistour - "Ein freundlicher Platz"
Seit dem Jahr 2000 ist der 2,11-Meter-Mann mittlerweile als Profi unterwegs, zum Vergleich: Youngster Felix Auger-Aliassime, einer der Aufsteiger des Jahres, wurde genau in diesem Jahr geboren. Die Tour sei nach wie vor "ein freundlicher Platz, es gibt keine 'A-holes'", wie Karlovic charmant formulierte. "Jeder ist nett, aber jeder ist auch in seiner eigenen Welt, jeder versucht, das Beste zu tun, was er kann. Jeder weiß, dass es hier nur weitergeht, wenn man gewinnt, wenn man sein Geld verdient, wenn man fit ist. Man muss also jeden Tag hart arbeiten, anders geht das nicht."
Mit einer Legende um ihn räumte Karlovic auch noch auf. Vor zwei, drei Jahren habe er probiert, auf eine beidhändige Rückhand umzustellen, hieß es vor einer Weile - nicht wahr, erklärte er nun. "Ich habe das nur im Training versucht, aber nur aus Spaß."
Hotelprobleme? In 2019 sicher nicht
In Runde zwei trifft "Dr. Ivo" am Mittwoch nun überraschend auf Thomas Fabbiano, der Stefanos Tsitsipas aus dem Turnier nahm - und somit etwas das Feld öffnete. Zeit zum Träumen, um vielleicht einen ähnlichen Lauf zu schaffen wie 2009, als Karlovic das Viertelfinale erreichte? Abwarten. An eine amüsante Geschichte vor zehn Jahren erinnert sich Karlovic zumindest gerne. "Am ersten Tag des Turniers musste ich schon aus dem Hotel auschecken, weil damals alles ausgebucht war. Ich kam zum Match also mit meinem kompletten Gepäck. Als ich gewonnen hatte, haben wir alle Hotels abtelefoniert... Es war alles ausgebucht."
Ein Fehler, der ihm in diesem Jahr nicht passiert ist. "Diesmal haben wir bis Oktober durchgebucht", versicherte Karlovic und lachte.