Wimbledon: Simona Halep - Die große Kleine schwebt über den Wolken
Etwas mehr als ein Jahr nach ihrem ersten Triumph bei einem Grand-Slam-Turnier hat Simona Halep noch einmal einen draufgesetzt - mit einem überlegenen und brillanten Erfolg gegen Serena Williams im Finale von Wimbledon 2019.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
15.07.2019, 12:23 Uhr
Von Jörg Allmeroth aus London
Auf der Terrasse des Spielerzentrums stand Tania Halep ein paar Minuten abseits vom großen Trubel da. Gerade war die erste feucht-fröhliche Familienfeier mit reichlich Champagner vorüber, ihre Tochter war zu den endlosen Presseinterviews in den Katakomben des All England Court verschwunden, da verdrückte die Mama noch einmal ein paar Tränen der Rührung: „Ich weiß, wie hart sie für diesen Tag gearbeitet hat. Es war nicht immer einfach für Simona“, sagte Mutter Halep, „diesen Sieg hier, den wird keiner vergessen.“
Was auf den Punkt stimmte. Denn wie sich die große Kleine aus dem rumänischen Konstanza, wie sich Simona Halep (27) zu einem triumphalen 6:2, 6:2-Sieg über Serena Williams aufschwang, gehört zu den denkwürdigsten Wimbledon-Momenten der jüngeren Geschichte. Als es wirklich drauf ankam, wuchs Halep mit der Größe der Herausforderung und spielte das Spiel ihres Lebens, um den Sieg ihres Lebens genießen zu können. „Ich schwebe gerade über den Wolken“, sagte Halep, eine sympathische, einnehmende Rasenkönigin, der die Herzen der Fans ungeteilt zuflogen. Selbst der heftig gescheiterten Favoritin Williams blieb da nur die artige Gratulation: „Sie hat wahnsinnig gut gespielt. Da kann ich nur meinen Hut ziehen.“
Serena Williams scheitert auch im dritten Anlauf
Für Williams war es schon der dritte vergebliche Anlauf, den ewigen Grand-Slam-Rekord der Australierin Margaret Court-Smith mit 24 Titeln einzustellen – nach der Finalniederlage gegen Angelique Kerber im Vorjahr in Wimbledon und dem US Open-Desaster gegen Naomi Osaka. „Sie will diese Bestmarke so sehr, dass sie verkrampft. Sie wirkte wie ein Schatten ihrer selbst in diesem Endspiel“, meinte die frühere Weltranglisten-Erste Tracy Austin. Coach Patrick Mouratoglou hatte vor dem Finale noch einmal erklärt, ein neuer Titelrekord sei die „beherrschende Motivation“ von Williams gewesen, nach der Babypause überhaupt in den Tourbetrieb zurückzukehren.
Aber Halep erwies sich nun als vorerst letzte Spielverderberin für die 37-jährige Großmeisterin – und zwar mit einer Brillanz und Willensstärke, die selbst den sonst so finster dreinblickenden Impresario Ion Tiriac lächeln ließ. „Sie hat ihr Herz in die Hand genommen. Das war Tennis, wie es Champions spielen“, sagte der 80-jährige Milliardär, der Halep seit ihrer Kindheit unterstützt und fördert. Ohne „Herrn Tiriac“ wäre ihre Karriere „so gar nicht möglich gewesen“, befand Halep an ihrem stolzesten Tennistag. „Er half mir immer, wenn es Probleme gab.“ Sie erwähnte auch eigens, dass Tiriac sie nach dem Erfolg herzlich umarmt habe: „Das tut er sonst nie.“
Ion Tiriac zieht die Drähte
Tiriac zieht gemeinsam mit der früheren Grand-Slam-Siegerin Virginia Ruzici die Drähte im Team Halep, Ruzici ist Managerin, aber auch eine Mentorin im Hintergrund. „Seit Simona im letzten Jahr die French Open gewann, ist viel Druck von ihr abgefallen. Sie spielt seitdem befreiter auf“, sagt Ruzici, „sie lebt immer noch mit jeder Faser ihres Körper fürs Tennis. Aber sie hat auch ein Leben außerhalb des Tennis. Das tut ihr gut.“ Halep, immer sehr ehrgeizig, immer sehr ambitioniert, hatte bis zum Roland-Garros-Coup 2018 oft unter der Kritik gelitten, sie sei keine Spielerin für die großen Titel. Die ersten drei Grand-Slam-Endspiel hatte sie auch verloren, zweimal in Paris, einmal in Melbourne.
Doch gegen Williams zog sie nun in den Kampf, ohne ans Versagen oder Verlieren zu denken, auch mit ihrer neu entdeckten Liebe zum Rasentennis. „Ich war oft eingeschüchtert von der ganzen Statur Serenas“, sagte Halep, „aber hier in Wimbledon war ich voll und ganz auf mich konzentriert. Auf meinen Weg zum Sieg.“ Die Freiheit von allem Zwang und Zweifel bekam Williams bitter zu spüren, binnen weniger Minuten lag sie 0:4 im Auftaktsatz zurück. Und es gab auch keine Drehung, keine Wendung, keine Dramatik mehr. Halep spielte mit Power und Präzision, mit einer unwiderstehlichen Leichtigkeit, nahe dran an der Perfektion.
Simona Halep nun Club-Mitglied
„Du bist jetzt ein Star. Genieße diesen Sieg“, sagte Wimbledon-Chef Philip Brooke später zu Halep, als man gemeinsam die Namensgravur in die Siegerschale betrachtete. Ein paar Minuten später klebte Brooke der Rasenkönigin dann auch die Mitgliedsmarke auf ihren blütenweißen Dress. „Das war der Moment, wo ich noch einmal realisierte, was ich geschafft habe“, sagte Halep, „denn Mitglied in Wimbledon zu werden, das war immer mein großer Traum.“ Wimbledonsieger bleibt man auch immer, ein ganzes Leben lang. Und Mitglied im Club auch.