Wimbledon: Slice, Slice, Baby – Tennismama Tatjana Maria siegt weiter
Mit 34 Jahren steht Tatjana Maria erstmals im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers. Dass es in Wimbledon ist, passt zu ihrem Spielstil.
von Florian Goosmann aus Wimbledon
zuletzt bearbeitet:
01.07.2022, 23:56 Uhr
„Mein Slice wird bleiben“, stellte Tatjana Maria entschlossen fest. Auch wenn die nächste Gegnerin nun Jelena Ostapenko heißen wird. Oder erst recht dann?
Tatjana Maria ist eine Exotin, was das Tennisspiel anbelangt und das Leben auf der Tour generell. Früher, man wird sich erinnern, mit der meist durchgezogenen Vorhand, dem Rückhand-Slice und ab und an der beidhändigen Rückhand. Seit der Rückkehr als Mutter in 2015 plötzlich mit einer einhändig durchgezogenen Rückhand. Und in den letzten Jahren: meist auch noch mit dem Vorhand-Slice.
Sie wollte eigentlich wieder mehr durchziehen, hatte sie vor einigen Monaten gegenüber tennisnet.com verraten, aber dann folgte das Turnier in Bogota, in heftiger Höhe, und Maria befand, doch wieder den Slice vermehrt einzusetzen. Denn zieht man auf hohen Geläuf als Gegnerin nicht entschlossen durch den Ball, fliegt der meilenweit. Marias Schachzug ging auf, sie holte den Turniersieg.
Und nun, in Wimbledon, auf Rasen? Ist der Slice wieder mal heiß. „Mein Slice ist auf alle Fälle mein erster Schlag, vor allem auf Rasen“, sagte Maria nach ihrem 6:3, 7:5-Sieg über die Weltranglisten-Fünfte Maria Sakkari, gegen die sie bei den Australian Open (mit meist durchgezogener Vorhand) noch knapp verloren hatte. Auf Rasen, so erklärte Maria, spiele sie auch deswegen so gerne: wegen dem Slice und weil sie auch mal ans Netz könne, was sie im Gegensatz zu vielen Kolleginnen auch wirklich beherrscht. „Ich habe heute mein Spiel perfekt umgesetzt.“
Tatjana Maria: "Alle sind gestresst"
2018 hatte Maria bereits auf Mallorca ihren ersten WTA-Turniersieg gefeiert, auf Rasen eben, beim anschließenden Wimbledonturnier Elina Svitolina geschlagen. „Ich weiß, dass alle gestresst sind, auch vor dem Match“, sagt sie nicht ohne Stolz, man habe Respekt vor ihr und ihrem Spiel. „Den Slice kann ich auch nachts spielen.“
Nach ihrem Sieg hatte sich Maria beim On-Court-Interview mal bei ihrem Mann bedankt, dem Ex-Profi Charles Edouard Maria, mit dem sie seit 2012 liiert ist und der so sehr an sie glaube. Und ohne den sie längst nicht mehr spielen würde. So aber tingelt Familie Maria weiter um die Welt, erfolgreich wie fast nie. Nur ein Jahr nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Cecilia steht Maria wieder an den Top 100, ihr bis dato bestes Wimbledon-Ergebnis hatte sie 2015 mit der dritten Runde erreicht (nach der Geburt ihrer ersten Tochter Charlotte), nun geht also noch mindestens eine Runde weiter. „Ich hätte vielleicht früher damit anfangen sollen“, ulkte sie übers „Babykriegen“.
Ausgerechnet Tochter Charlotte fehlte diesmal allerdings im Zuschauerbereich. Denn in Wimbledon gibt es, wie bei allen Grand-Slam-Turnieren, eine Kinderbetreuung, in der Nähe des Trainingsbereichs am Aorangi Park. „Die beiden haben mein Match wahrscheinlich im Fernsehen angeschaut“, so Maria, denn der werde eigentlich immer eingeschaltet, wenn ein Elternteil spiele. „Es ist dieselbe Truppe wie in Roland Garros. Meine Kinder lieben es hier“, sagt sie.
"Es gibt wichtigeres als ein Tennismatch"
Maria will auch in dieser Beziehung ein Vorbild sein, anderen Spielerinnen zeigen, dass man auch als Mutter erfolgreich spielen kann. Und vielleicht auch die WTA-Tour dazu bringen, mehr für Familien zu tun – eben eine Betreuung auch auf den Turnieren der Damentour (wo es keine gibt). Und eine andere Regelung als die Verletztenregel bei einer Rückkehr von einer Schwangerschaft, wo es „nur“ das „Protected Ranking“ gibt, das eigentlich verletzen Akteuren zusteht.
Dass ihr Mann gleichzeitig ihr Coach ist, und der von ihrer Tochter? „Wir würden uns nie über Tennis streiten, es gibt Wichtigeres als ein Tennismatch“, sagt Tatjana Maria entschieden. Und das mögliche Erfolgsrezept für ihre tollen Ergebnisse zuletzt: Der Fokus in ihrem Leben liege bei ihren Kindern, „die Familie kommt als Erstes, Tennis als Zweites“.
Auch an einem Tag wie diesem, mit dem erstmaligen Erreichen eines Achtelfinals bei einem Majorturnier. Und nun? „Ich hole meine Kinder aus der Betreuung und bin die Mama“, sagt sie. „Egal, ob ich gewinne oder verliere.“