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Spiel, Satz und Liebe – Kann aus einem Film Realität werden?

Ein Hollywood-Film aus dem Jahr 2004 erinnert ein wenig an die Wimbledon-Geschichte von Marcus Willis.

von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet: 28.06.2016, 10:42 Uhr

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LONDON, ENGLAND - JUNE 27: Marcus Willis of Great Britain celebrates victory with supporters during the Men's Singles first round match against Ricardas Berankis of Lithuania on day one of the Wimbledon Lawn Tennis Championships at the All England L...

Viele Tennisfans kennen sicherlich die romantische Filmkomödie „Wimbledon – Spiel, Satz und Liebe“, die reichlich gute Laune versprüht. Blendet man als Tennisexperte einige Logiklöcher aus, die im Film vorhanden sind, dann darf man sich auf unterhaltsame 98 Minuten freuen, die von einem Sportmärchen träumen lassen. Worum geht es im Film? Peter Colt (gespielt von Paul Bettany) ist ein britischer Tennisspieler, der seinen Zenit schon längst überschritten hat. So scheint es jedenfalls. Colt, ehemals Nummer elf der Welt, ist in der Weltrangliste auf Platz 119 abgestürzt. Mit 32 Jahren entschließt er sich, ein letztes Mal in Wimbledon anzutreten und nimmt eine Wildcard an.

Ein Ellie-Goulding-Konzert ändert alles

Während des Turniers lernt er die aufstrebende US-Amerikanerin Lizzie Bradbury (gespielt von Kirsten Dunst), die ihr erstes Wimbledonturnier spielt, kennen und lieben. Von der Liebe beflügelt gewinnt Peter Colt Spiel um Spiel und blendet auch seine Rückenschmerzen aus. Nach einigen Turbulenzen zwischen den beiden findet sich Colt tatsächlich im Finale wieder und gewinnt in Wimbledon. Anschließend beendet er seine Karriere. Wenn man sich den Film anschaut, stellt man sich die Frage: Ist solch eine Geschichte total überzogen und nur auf der Kinoleinwand möglich, oder kann so etwas auch im echten Leben passieren? Der Streifen kam im September 2004 in die Kinos. Als Tennisfan weiß man, dass sich ein ähnliches Szenario, nur eben ohne eine Liebesgeschichte, bereits drei Jahre zuvor in Wimbledon abgespielt hatte,als Goran Ivanisevic als Nummer 125 der Welt mit einer Wildcard das Turnier gewann.

2016 gibt es in Wimbledon nun die Neufassung von „Wimbledon – Spiel, Satz und Liebe“. Der 25-jährige BriteMarcus Willis,der im Januar seine Tenniskarriere beenden wollte,steht nun urplötzlich in der zweiten Runde und fordert den besten Rasenspieler aller Zeiten, Roger Federer.Um sich für Wimbledon zu qualifizieren, musste Willis, derzeit die Nummer 772 im ATP-Ranking, nicht nur in die Qualifikation in Roehampton, sondern zuvor drei Matches in der britischen Vorausscheidung gewinnen, um überhaupt in der Qualifikation antreten zu können. Wer für diese märchenhafte Geschichte verantwortlich ist? Willis’ Freundin Jennifer Bate, die ihm zur Fortsetzung seiner Karriere überzeugte. Der 25-Jährige hatte zu Beginn des Jahres vor, in die USA zu ziehen, um dort als Tennistrainer zu arbeiten. Kurz zuvor lernte er Jennifer Bate, zweifache Mutter und Zahnärztin, bei einem Ellie-Goulding-Konzert kennen und verliebte sich auf dem ersten Blick. „Sie sagte mir: Du bist ein Idiot, wenn du aufhörst als Profi. Und so habe ich es noch mal versucht.“

Freundin Jennifer sollte eigentlich in der Praxis arbeiten

Dank des einschlagenden Liebesblitzes steht Willis, der zuvor kein Match auf ATP-Ebene gewinnen konnte, nun im Wimbledon sensationell in der zweiten Runde und hat durch dieses eine Turnier fast bereits so viel Preisgeld eingespielt wie in seiner gesamten Karriere.Der Brite wurde nach seinem überraschend klaren Dreisatzsieg gegen den Litauer Ricardas Berankis von seinem Fanclub am Spielfeldrand frenetisch gefeiert, darunter auch seine Freundin Jennifer, von der er sich sofort einen Siegerkuss abholte.Dabei wäre die 30-Jährige beinahe gar nicht dabei gewesen beim Coup ihres Freundes. „Ich sollte eigentlich heute arbeiten. Letzte Woche lief die Absaugmaschine etwas verzwickt, daher haben wir alles gereinigt und dachten, dass alles nun gut sei. Ich bin heute Morgen reingekommen, und wir konnten den ersten Patienten behandeln, aber die Maschine arbeitete nicht gut, und dann hat sie komplett aufgehört zu arbeiten. Ich war so gestresst. Ich habe meinen Chef angerufen und ihn gefragt, was zu tun ist. Er sagte, dass ein Techniker vorbekommen müsste. Deshalb mussten wir alle Patiententermine für den Nachmittag absagen. Ich hätte nicht da sein sollen. Ich habe das nicht erwartet – unglaubliches Tennis“, berichtet Bate.

Als Belohnung für seine tollen Leistungen bekommt Willis nun in der zweiten Runde ein Duell mit Federer, auf dem speziellsten Tennisplatz der Welt, dem Centre Court in Wimbledon. „In der Vergangenheit war ich ein übergewichtiger Verlierer, jetzt ist ein unfassbarer Traum wahr geworden“. Ob gegen den siebenmaligen Turnierchampion eine Sensation drin ist? Willis witzelte auf der Pressekonferenz: „Ich weiß nicht, ob er überhaupt so gut auf Rasen spielen kann. Ich werde alles geben so wie in den letzten sieben Matches.“ Der Brite wird gegen Federer seiner Linie sicherlich treu bleiben, die da heißt: volle Attacke. Gegen Berankis ging der 25-Jährige extrem hohes Risiko beim Aufschlag und wurde belohnt. 19 von 20 Breakbällen konnte er abwehren und glänzte am Netz mit sehenswerten Volleys. Von der Grundlinie agierte er auf der Rückhandseite fast ausschließlich mit dem Slice und umlief sogar gelegentlich seine Vorhand, um den giftigen Slice auf Rasen einzusetzen. Was Federer sicherlich nicht schmecken wird: Willis ist Linkshänder und wird den Schweizer mit seinem Slice-Aufschlag bestimmt vorwiegend auf die Rückhand servieren. Ob Willis gegen den „Maestro“ mithalten kann? Wir werden es heute erfahren. Die Zeichen stehen zwar nicht unbedingt auf die größte Wimbledonsensation der letzten Jahrzehnte, auch wenn Federer weit von seiner Bestform entfernt scheint. Aber vielleicht beflügelt die Liebe Willis zu einem weiteren Coup? Dann wäre diese schöne Geschichte um ein großes Kapitel reicher.

von tennisnet.com

Dienstag
28.06.2016, 10:42 Uhr