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Zverev und Kerber bei den US Open: Im Krisenmodus ins letzte Grand-Slam-Spektakel

Es gab Tenniszeiten, in denen man sich über diese Ausgangslage nicht sonderlich beklagt hätte: Alexander Zverev, der beste deutsche Tennisspieler, auf Platz 6 der Setzliste bei den US Open. Und Angelique Kerber, die beste deutsche Tennisspielerin, auf Platz 14 der Setzliste. Alles ist eben relativ, im Spätsommer 2019 empfindet man diese Einstufung eher als Indiz für Abstieg, für Krise, bestenfalls für Stagnation.

von Jörg Allmeroth aus New York
zuletzt bearbeitet: 26.08.2019, 08:53 Uhr

Angelique Kerber, Alexander Zverev
© Getty Images
Angelique Kerber, Alexander Zverev

Vor allem, wenn man bedenkt, woher die beiden deutschen Frontleute kommen, wo sie noch im vorigen Jahr standen, als das letzte Grand-Slam-Turnier der Saison begann. Kerber reiste als stolze Wimbledon-Königin an, zudem mit dem Nimbus der ehemaligen Gewinnerin des New Yorker Spektakels, sie war, ganz klar, eine der Mitfavoritinnen. Auch Zverev durfte man noch zum erweiterten Kreis der möglichen Pokalgewinner zählen, zwischen Wimbledon und den US Open hatte er damals sogar noch einen Titel in Washington gewonnen.

Doch wohin man auch blickt im deutschen Tennis in dieser Saison, ob zur zweiten oder dritten Reihe oder eben zu den Frontleuten, es gibt wenig Erfreuliches oder Mutmachendes zu sehen. Von der Aufbruchstimmung, die sich zum Jahresbeginn noch verbreitet hatte – ein Saisonstart mit Kerber als amtierende Wimbledonsiegerin und Zverev als ATP-Weltmeister -, ist nichts geblieben: Auch Spielerinnen wie Julia Görges, die sich abseits der großen Schlagzeilen um Kerber zwischenzeitlich in die Top Ten vorgekämpft und einen Halbfinalplatz in Wimbledon erobert hatte, sind erheblich zurückgefallen.

Auch personell hinterließ der Leistungsabfall seine Spuren: Kerber und Coach Rainer Schüttler trennten sich nach dem Wimbledon-Desaster der 32-jährigen Kielerin, Zverevs Supercoach Ivan Lendl setzte sich frustriert nach internen Querelen mit Vater Zverev von der Truppe ab. Und Görges verabschiedete sich von ihrem langjährigen Manager und Trainer Michael Geserer. Das Jahr könne eigentlich nur noch besser werden, kommentierte Zverev jüngst in Montreal fast stellvertretend für die deutsche Reisegruppe im Wanderzirkus.

Beendet Kerber ihre Dürrezeit?

Nach der Pleiten-, Pech- und Pannenserie richten sich fast übergroße Hoffnungen auf die US Open, auf diesen immer leicht chaotischen, jedenfalls ziemlich anstrengenden und hektischen Grand Slam-Spielort. New York, so lautet die Hoffnung, soll die Wende bringen und einen Ego-Schub für den Rest der Saison. Zverev und Kerber haben immer noch die Abschlussturniere der Saison im Blick, wobei Zverevs Chancen weit aus größer sind als die von Kerber.

Für den 22-jährigen Hamburger geht es immerhin auch darum, sich eine Möglichkeit zur Titelverteidigung in London zu eröffnen. „Da nur zuschauen zu können, wäre sehr ärgerlich“, sagt Zverev. Er müsste allerdings tief in die zweite US Open-Woche vorstoßen und auch noch kräftig Punkte bei der herbstlichen Turnierserie in Asien und dann in Europa sammeln. In der Trainerfrage will sich Zverev, der in Runde eins in New York auf den Moldawier Radu Albot trifft, weiter Zeit nehmen, er sieht keinen dringenden Handlungsbedarf, schließlich sei Vater Alexander an seiner Seite. 

Auch Kerber geht vorerst weiter als Alleinunternehmerin auf Punktejagd, sie. Braucht wahrscheinlich auch ausreichend Zeit, um sich für die letzten Jahre ihrer Karriere richtig aufzustellen. Kerbers Jahr war bisher ein weitgehend verlorenes Jahr, gerade bei den Grand Slams fehlte der 31-jährigen jegliche Durchschlagskraft. In Wimbledon spielte sie zuletzt ohne jegliche Überzeugungskraft und Inspiration. Es wirkte alles fast wie eine Zwangsläufigkeit, ganz so, als müsse einem starken Jahr wieder ein mittelmäßiges bis schlechtes Jahr folgen – schließlich hat Kerber einen Ruf als Berg- und Talfahrerin. Nun muss sie die Herausforderung, die Dürrezeit zu beenden und die Saison noch irgendwie zu retten, von einem Platz jenseits der Top Ten anpacken, schwer genug bei der gewachsenen Konkurrenz. Ihre erste Gegnerin, die 26-jährige Französin Kiki Mladenovic, ist gleich alles andere als Laufkundschaft.

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Lichtblick Struff: Ziel sind die Top 20

Wenig hat sich hinter den beiden Topspielern des DTB in dieser Saison bewegt, und wenn, dann eher in die falsche Richtung. Viele altgediente Profis wie etwa Philipp Kohlschreiber fielen zurück, jüngere Spieler rückten nicht nach. Kein Wunder, dass sich das Aufgebot des DTB eher schlank als üppig ausnimmt in New York.

Allerdings gibt es eine löbliche Ausnahme, einen Farbtupfer in der Tristesse – und, wer hätte es gedacht, es ist Jan-Lennard Struff, der hünenhafte Westfale. Weiter, immer weiter kämpfte sich der Turm aus Warstein in die Weltspitze, in New York verpasste er einen Platz in der Setzliste nur um zwei Positionen. Struff ist besser geworden, weil er den Mut hatte, sich zu verändern. Sich neu zu erfinden. Gefühlt ist er bis jetzt der einzige Gewinner dieser Tennis-Saison. „Mein nächstes großes Ziel ist es, in die Top 20 vorzustoßen“, sagt Struff. Unmöglich ist inzwischen nur wenig bei ihm.

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von Jörg Allmeroth aus New York

Montag
26.08.2019, 08:05 Uhr
zuletzt bearbeitet: 26.08.2019, 08:53 Uhr

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