Da Capo mit Gary Muller?
Wenn es um die Turnier-Betreuung seines Schützlings Dominic Thiem geht, ist Günter Bresnik ein Meister des Delegierens. Joakim Nytsröm und Gary Muller vertreten den Chefcoach mehrere Wochen im Jahr.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
15.06.2017, 11:55 Uhr
Diesmal ist also wieder Gary Muller dran, der 52-jährige Südafrikaner, dessen Spielanlage auf Rasen zugeschnitten war: Starker Aufschlag, starker Volley, und das Ganze vorgetragen mit links. Muller hat sich Zeit seiner aktiven Karriere vor allem als Doppelspieler profiliert, am Ende acht Titel auf der ATP-Tour in seiner Bilanz stehen gehabt. Zu vier verschiedenen Anlässen stand Muller in der Vorschlussrunde eines Grand-Slam-Turniers, in Wimbledon gleich zweimal. "Gary kennt Dominic seit vielen Jahren, er weiß, was ihm wichtig ist", sagt Günter Bresnik, der Chef im Team Thiem. Nachsatz: "Und mir."
Bresnik wird in Wimbledon natürlich wieder das Zepter vor Ort übernehmen, die letzten Tage in Wien sind im Zeichen der Vorbereitung auf die Gerry Weber Open gestanden. Man habe hauptsächlich an den Bewegungsmustern gearbeitet, die auf Rasen wichtig sind, so Bresnik. Er traut Dominic Thiem in diesem Jahr einiges zu, vor allem der Return sei deutlich besser geworden im Vergleich zum Vorjahr. Da hatte Thiem in Stuttgart gewonnen, war im Halbfinale von Halle/Westfalen Florian Mayer unterlegen - und in Wimbledon in Runde zwei den Aufschlägen von Jiri Vesely in drei knappen Sätzen unterlegen.
Anderer Geschichtsverlauf
Die Saison auf Rasen ist seit ein paar Jahren verlängert worden, zu Zeiten Gary Mullers war kaum Zeit geblieben, sich den Sand von Paris von den Schuhen zu klopfen, schon stand Wimbledon ins Haus. Gut für einige Profis, von denen man während des Jahres nicht viel hört, auch Dominic Thiem weiß noch nicht genau, mit wem auf Gras zu rechnen ist. Das Spiel auf dem schnellen Geläuf hat sich seit den Zeiten Mullers verändert, ist langsamer geworden. Ein Mann wie Kevin Curren, mit dem Gary Muller 1992 in Seoul den Titel geholt hatte, hätte anno 2017 größere Probleme, sich in erster Linie mit seinem Aufschlag in ein Wimbledon-Finale zu spielen. 1985 war das, wer erinnert sich nicht?
Übrigens genau jenes Jahr, in dem Joakim Nyström, der zweite Teilzeit-Betreuer von Dominic Thiem, beinahe dafür gesorgt hätte, dass die Tennisgeschichte anders hätte geschrieben werden müssen. In der dritten Runde quälte der Schwede Boris Becker bis zum letzten Ballwechsel, den der spätere Champion zum 9:7 im fünften Satz verwandelte. Nyström hat sich noch im selben Jahr bei den US Open an Becker revanchiert, arbeitet nun seit Jahren als Coach in Österreich. Der mittlerweile 54-Jährige hat in Barcelona und Madrid den verlängerten Arm von Günter Bresnik gegeben, zwei Finalteilnahmen konnten sich durchaus sehen lassen.
Schwieriger als in Rio
Gary Muller wiederum ist in der laufenden Saison bereits in Rio de Janeiro in der Box der österreichischen Nummer eins gesessen, mit durchschlagendem Erfolg, Thiem hat das Turnier in der Olympiastadt von 2016 ohne Satzverlust für sich entschieden. In Halle wird ein Da Capo angestrebt, die Aufgabe dürfte indes ungleich schwieriger werden: Ein gut ausgeruhter Roger Federer, Rekordsieger bei den Gerry Weber Open, bewirbt sich ebenso um den Titel wie Deutschlands Nummer eins, Alexander Zverev. Der hat mit dem Turnier ohnehin noch eine Rechnung offen, die letztjährige Finalniederlage gegen Florian Mayer hat kaum einer kommen gesehen, Zverev selbst auch nicht.
Dominic Thiem kann jedenfalls einigermaßen entspannt in die Rasensaison gehen, der erste Saisonabschnitt ist hervorragend verlaufen. Im "Race to London" rangiert der 23-Jährige immer noch auf Position drei, lediglich Rafael Nadal und Roger Federer haben 2017 mehr Punkte gesammelt als Thiem. Ein guter Einstieg in die Rasensaison, die für den Lichtenwörther wohl nur die Turniere in Halle und Wimbledon mit einschließen wird, wäre dennoch wichtig. Und Gary Muller ist genau der richtige Mann, der Dominic Thiem dabei helfen kann.