Angelique Kerber und der vertraute Mann an ihrer Seite
Der Immer-wieder-Trainer Torben Beltz ist für die Kielerin eine unverzichtbare Vertrauensperson.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
27.01.2016, 14:09 Uhr

Als Torben Beltz vor einem Dreivierteljahr in der Sonne Floridas über seine Chefin Angelique Kerber sprach, da blickte der Hüne aus dem hohen Norden ungewohnt ernst drein. Gerade erst war Beltz (39) wieder an Kerbers Seite gerückt, zum zweiten Mal in deren Profikarriere, doch vom frohgemuten Optimismus, den der Übungsleiter sonst regelmäßig versprüht, war in diesem Moment nichts zu spüren. "Durchhangeln, durchwurschteln" müsse man sich die nächsten Wochen, wenn nicht gar Monate, "harte, schwere Aufbauarbeit" gelte es nach Kerbers Ergebnis- und Sinnkrise zu leisten, so Beltz, "da müssen wir einige Brocken aus dem Weg räumen. Aber wir packen das an. Ganz entschlossen."
Kerber kann auch Beltz immer wieder überraschen, den Mann, der in ihrer wechselvollen, ebenso bewegten wie bewegenden Laufbahn, der wichtigste Weggefährte gewesen ist. Einen Monat nach den äußerst verhaltenen Zukunftsprognosen in Miami gewann Kerber erst den WTA-Wettbewerb in Charleston und dann, besonders wertvoll, nach einem brillanten Lauf das Heimturnier in Stuttgart, den Porsche Grand Prix, später im Saisonverlauf 2015 kamen noch zwei weitere Pokalcoups hinzu. "‚Angie' abzuschreiben, hat sich noch nie gelohnt. Sie ist so eine große Kämpferin", sagt Beltz. Auch jetzt, in Melbourne, bei den Australian Open, ist Beltz wieder der wichtigste Bezugspunkt für Kerber - dort, wo sich die Kielerin mit polnischen Wurzeln gerade bestechend stark ins Halbfinale durchgeschlagen hat, mit einem wegweisenden 6:3,-7:5-Triumph gegen ihre langjährige Angstgegnerin Victoria Azarenka . Schon am frühen Donnerstagmorgen gilt es für das Gespann Kerber/Beltz, diesen Meilenstein-Erfolg zu veredeln, im Duell mit der Britin Johanna Konta , der Nummer 47 der Welt.
Letzten großen Schwachpunkt ausradiert
In Melbourne radierte das Team Kerber auch den letzten großen Schwachpunkt aus, der die eigentlich ansprechende Saison 2015 als Minuszeichen in der Bilanz belastet hatte - nämlich das Wirken auf den großen, alles überragenden Grand-Slam-Bühnen. Kein einziger Auftritt in der zweiten "Major"-Woche im Vorjahr, kein Achtelfinale - und nun gleich zum Start in die neue Spielzeit in Melbourne die Präsenz unter den letzten Vier, damit auch Image- und Bedeutungsgewinn im medialen Raum. Und Respektzuwachs bei den lieben Konkurrentinnen. "2016 kann ‚Angies' Jahr werden, ihr bestes Jahr", sagt Bundestrainerin Barbara Rittner , für die die wiedererstarkte Kerber auch tragende Kraft und zentrale Punktelieferantin beim kommenden Fed-Cup-Match in Leipzig gegen die Schweiz sein soll.
Im Rückblick erscheint Kerbers wiederaufgenommene Partnerschaft mit Zwei-Meter-Mann Beltz als eine der wichtigsten Entscheidungen und Wegpunkte als Tennis-Unternehmerin. Nach der Trennung von Motivations-Weltmeister Benjamin Ebrahimzadeh im Februar 2015, einem vielleicht zu feurigen Forderer und Förderer, kehrte Kerber auf dem Höhepunkt des sportlichen Tiefs zurück zum vertrauten Alliierten Beltz. Ihn, den Gute-Laune-Verbreiter und Wohlfühl-Trainer, kennt Kerber schon seit frühesten Jugendjahren, Beltz begleitete die aufstrebende Teenagerin einst auch schon zu den Grand-Slam-Nachwuchsturnieren. Als er Ende 2013 seinen Job bei Kerber aufgab, hatte das auch und vor allem familiäre Gründe - Beltz wollte mehr Zeit für seine Familie haben, war des Herumreisens im Wanderzirkus leid.
Verschärftes Arbeitsprogramm wird belohnt
Kerber ist eine Spielerin, die auf Bewährtes und Bekanntes in ihrem Umfeld setzt, auch auf Menschen, denen sie rückhaltlos vertraut, so wie der Immer-wieder-Trainer Beltz. Er gehört, ganz nebenbei, auch zum Trainerteam an Kerbers polnischer Tennisakademie. In den letzten Monaten verschärften sie noch einmal ihr gemeinsames Arbeitsprogramm, fanden nicht nur aus der Vorjahres-Startdepression heraus, sondern etablierten den sportlichen Kontakt zur enteilten Weltspitze. "Die Intensität im Training ist nochmal gestiegen", sagt Beltz, "‚Angie' ist noch viel drahtiger, beweglicher." Kein Zweifel: Über diese weiter verbesserte Fitness ist auch noch mehr Zutrauen in den eigenen Auftritt im großen Spiel auf großer Bühne entstanden - die Gewissheit, hartnäckig, dauerhaft mit den Besten der Besten mithalten zu können. Was im besten Tennisspiel der letzten Saison noch nicht gelang, Kerber kontra Azarenka in der dritten US-Open-Runde von New York, gelang nun auf Anhieb in Melbourne.
Als der erste Sieg im siebten Duell mit der burschikosen Weißrussin perfekt war, ließ Kerber den Schläger auf den Centre Court sinken - und lenkte sofort den Blick hinauf zur Spieler-Loge. Dort, wo sich gerade Torben Beltz aufspringend zu ganzer Größe erhoben hatte. Der unverzichtbare Mann an ihrer Seite.