Rittner im Tennisnet-Interview: "Deutsches Finale nicht total unrealistisch"

Barbara Rittner traut den formstarken Angelique Kerber und Julia Görges bei den am Montag beginnenden Australian Open viel zu. Im tennisnet-Interview spricht die ehemalige Fed-Cup-Teamchefin und DTB-Frauenbeauftragte sogar von einem deutschen Finale.

von Ulrike Weinrich
zuletzt bearbeitet: 13.01.2018, 12:01 Uhr

Barbara Rittner

Barbara Rittner sitzt gelassen auf einer Mauer am Yarra River. Im Hintergrund ist Phil Collins zu hören. Hinter ihr liegt die Skyline von Melbourne - und vor ihr das erste Major-Turnier des Jahres, dem die 44-Jährige voller Zuversicht entgegenblickt.

Tennisnet: Angie Kerber und Jule Görges strotzen kurz vor Beginn des Happy Slams vor Selbstvertrauen. Was trauen Sie den Beiden hier zu?

Barbara Rittner: Ich sage, sie kommen beide sehr weit. Einige werden mich vielleicht für verrückt erklären, aber ich würde trotzdem sagen, dass ein deutsch-deutsches Finale hier wirklich nicht ausgeschlossen und nicht total unrealistisch ist. Es wäre natürlich ein Traum, wenn die beiden so weit kämen.

Tennisnet: Was macht Sie so optimistisch?

Rittner: Wenn man die momentane Form einer Angie sieht, die ja sowieso schon das Gefühl eines Grand-Slam-Titelgewinns kennt, und die Form von Jule, die die letzten drei Turniere gewonnen hat, dann ist wirklich alles möglich. Sie sind ja auch in unterschiedlichen Hälften des Draws. Und träumen darf man ja. Auch wenn jetzt einige sagen, die Rittner spinnt. Aber damit kann ich leben...

Tennisnet: Kerber scheint nach ihrem enttäuschenden letzten Jahr wieder an ihre Traumsaison 2016 anknüpfen zu können. Wie ist Ihr Eindruck von ihr?

Rittner: Bei Angie hat man das Gefühl, es hätte 2017 nicht gegeben. Sie ist körperlich topfit und hat eine bessere Körperspannung. Ihr neuer Coach Wim Fissette hat ganze Arbeit geleistet. Mit dem Selbstvertrauen der gewonnenen Matches im Rücken spielt sie gleich zu Anfang des Jahres wieder aggressiver. Und das gepaart mit ihrem perfekten Konterspiel sehen wir gegenüber 2016 noch eine verbesserte Angie - aber mit dem gleichen Ausdruck von damals. Es macht einfach wieder riesig Spaß, ihr zuzuschauen. Ich bin sehr gespannt, was hier passiert.

Tennisnet: Wie groß ist der Anteil von Fissette an Kerbers Erfolg?

Rittner: Seine Handschrift ist ganz klar zu erkennen. Er hat auch ein bisschen ihren Aufschlag umgestellt, in diesem Bereich gibt es eine klare Verbesserung. Sie zieht das linke Bein nicht mehr ran und steht deshalb nicht mehr so frontal. Angie serviert auch gefährlicher, ein bisschen mehr von der Einstandseite nach außen.

Tennisnet: Die anderen deutschen Spielerinnen haben nicht gerade Glückslose erwischt...

Rittner: Stimmt, es hat sie unheimlich hart erwischt. Andrea Petkovic muss gegen Petra Kvitova ran, das ist ein unheimlich schweres Los. Carina Witthöft bekommt es mit Caroline Garcia zu tun, die so ein bisschen die Spielerin der Saison 2017 war. Und dann Tatjana Maria gegen Maria Sharapova: Das ist natürlich auch kein Zuckerschlecken. Anna-Lena Friedsam trifft nach ihrer langen Pause wegen ihrer Schulter-OP leider gleich in der ersten Runde auf Kerber. Da wünscht man sich was anderes, als so ein deutsches Duell. Insgesamt hätte es uns von der Auslosung besser treffen können.

Tennisnet: Viele schwärmen vom Happy Slam. Was macht die Australian Open so besonders?

Rittner: Als ich noch aktiv war, haben einige der Top 100 sogar auf die Teilnahme hier verzichtet. Das Preisgeld war nicht allzu hoch und das Turnier war nicht so stark besetzt. Das hat sich dann Mitte der 90er Jahre schlagartig gewandelt. Seitdem hat das Event ein hohes Ansehen und ist auf Augenhöhe mit den anderen Grand Slams. Gerade die europäischen Profis freuen sich immer auf diese Veranstaltung. Die Leute hier sind extrem gechillt und entspannt. Die meisten Spieler sagen ja auch, das ist mein Lieblings-Grand-Slam.

Tennisnet: Was sind Down under die Schwierigkeiten beim Start in die Major-Saison?

Rittner: Unter anderem die Herausforderung des Wetterwechsels. Gerade hier in Melbourne, in der Stadt der vier Jahreszeiten. Man hat an einem Tag manchmal einen Temperaturunterschied von 20 Grad Celsius, da schwankt es zum Beispiel zwischen 20 und 40 Grad Celsius. Dazu ist es manchmal sehr windig. Es kann so wahnsinnig viel passieren - gerade am Anfang des Jahres. Man weiß nicht so richtig, wo man steht. Es ist sehr interessant, die Profis hier zu beobachten. Viele trainieren außerhalb der einzelnen Tennis-Trainingseinheiten auch unglaublich viel im Gym. Eine besondere Herausforderung ist es, die zwei Wochen unter diesen unterschiedlichen Gegebenheiten durchzustehen - und dann am Ende zu siegen.

von Ulrike Weinrich

Samstag
13.01.2018, 12:01 Uhr