Australian Open: Stefan Koubek - „Würde mir Alexander Zverev im Finale wünschen“
Stefan Koubek, Ex-Top-20-Profi, langjähriger Davis-Cup-Kapitän Österreichs und aktuell Botschafter für interwetten, im großen tennisnet-Interview zu den Australian Open 2025.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
11.01.2025, 15:29 Uhr
tennisnet: Herr Koubek. Welche Themen sind für Sie vor Beginn der Australian Open am spannendsten?
Stefan Koubek: Für mich gibt es zwei Hauptthemen auf der ATP-Tour. Das erste ist: Wie wird Novak Djokovic performen? Und auf der anderen Seite: Kann Jannik Sinner da anschließen, wo er im letzten Jahr aufgehört hat? Vor allem, weil er das Doping-Thema eben nach wie vor nicht weg bringt.
tennisnet: Wie schätzen Sie diese Doping-Problematik ein?
Koubek: Die ganze Geschichte ist wirklich ein bisschen komisch. Es ist erst sehr spät bekannt geworden. Dann ist die Erklärung in meinen Augen auch eher fraglich. Am Ende des Tages ist es zwar hart, aber: Es wurde etwas gefunden. Eine sehr geringe Menge, aber es war halt da. Ich bin zwar ein riesiger Sinner-Fan, aber diese Angelegenheit lässt mich auch grübeln.
tennisnet: Was hat Sinner im vergangenen Jahr so weit vor die Konkurrenz kommen lassen?
Koubek: Die Konstanz, mit der Jannik gespielt hat, ist unfassbar. Und zwar auch noch dann, als die Doping-Problematik publik geworden ist. So etwas beschäftigt Dich, da grübelst Du, da wirst Du jeden Tag darauf angesprochen. Und da die Konzentration zu halten und so zu spiele, ist für mich sensationell. Bei Sinner hat es „Klick“ gemacht - der spielt ein enorm hohes Grundtempo und macht keine Fehler, spielt unglaublich gescheites Tennis.
“Novak Djokovic kann man alles zutrauen”
tennisnet: Sinner hat wie Carlos Alcaraz und Daniil Medvedev wieder kein Vorbereitungsturnier vor den Australian Open gespielt. Können Sie dieser Taktik etwas abgewinnen?
Koubek: Da muss man als Spieler selbst draufkommen: Was tut mir gut? Muss ich zwei Turniere spielen vor den Australian Open oder nicht? Anscheinend haben sich Sinner, Alcaraz, Medvedev gesagt, dass sie das wieder so machen wollen. Die Saison ist ewig lang. Und so können sie sich voll auf das Grand-Slam-Turnier konzentrieren. Dafür haben die drei offensichtlich das nötige Selbstvertrauen.
tennisnet: Dann also weiter zu Novak Djokovic. Für den steht der 25. Grand-Slam-Erfolg in Aussicht. Trauen Sie ihm diesen zu?
Koubek: Grundsätzlich kann man Novak Djokovic alles zutrauen. Ich denke nur, dass es jetzt immer schwieriger und schwieriger wird. Das hat sich im letzten Jahr schon angedeutet. Novak steht auf Platz sieben in der Welt, hat vielleicht nicht mehr diese Aura. Das Tennis entwickelt sich weiter, die Jungen kommen nach. Der Respekt ist zwar immer noch da, aber die wissen auch: Da könnten ich gewinnen. Klar wird sich Djokovic auf die großen Turniere konzentrieren. Aber die Konkurrenz wird immer stärker. Es wird ein richtig schwieriges Jahr für Novak Djokovic.
tennisnet: Die Quoten bei interwetten, dass Novak Djokovic Ende des Jahres nicht in den Top Ten stehen wird, sind relativ hoch.
Koubek: Bei solchen Spielern habe ich das Gefühl, dass sie ihre Saison mit Blick auf ihren Körper ganz anders planen. Es tut Djokovic nicht weh, wenn er bei einem 250er wie in Brisbane früh verliert. Da hat er halt mal geschaut, was er gerade so drauf hat. Jetzt wird er sich sicherlich gut auf die Australian Open vorbereitet haben. Da ist er vom Kopf her anders vorbereitet. Djokovic weiß, wie das funktioniert, zwei Wochen durchzuspielen und zu gewinnen. Er ist halt mit Federer und Nadal nicht umsonst einer der Großen Drei, denen man Immer zutrauen konnte, ein Major zu gewinnen.
Koubek: “Mensik, Fonseca und Shelton gefallen mir sehr gut”
tennisnet: Sie sprechen die jungen Spieler an - wer gefällt Ihnen da besonders?
Koubek: Mit gefällt zum Beispiel Jakub Mensik sehr gut. Der ist erst 19 Jahre alt. Mensik habe ich im letzten Jahr in der Wiener Stadthalle zum ersten Mal live gesehen, das war schon sehr beeindruckend. Der könnte heuer richtig durchstarten, wenn der Körper hält. Dann ist da noch Joao Fonseca. Wenn man das #NextGen-Masters gewinnt, muss man schon ein richtig guter Spieler sein. Fonseca ist voller Selbstvertrauen, der wird auch kommen. Ben Shelton taugt mir persönlich sehr, sehr gut. Der muss halt das Verrückte rauskriegen und noch ein bisschen gescheiter Tennis spielen. Shelton kann ja auch alles!
tennisnet: Alexander Zverev strebt erneut seinen ersten Grand-Slam-Titel an. Was trauen Sie ihm zu?
Koubek: Ich war von Alexander Zverev lange nicht so begeistert, finde ihn aber in den letzten ein, zwei Jahren richtig cool. Zverev ist ein wirklich guter Spieler und definitiv der, der schon einen Grand Slam haben sollte. Dieses Ziel hat er ja auch bei Pressekonferenzen immer wieder betont. Das Fenster dafür wird zwar kleiner, aber Zverev hat schon noch einige Jahre und Majors vor sich. Dennoch macht er sich wohl selbst den meisten Druck: Und wer weiß: Wenn er noch einmal die Chance in einem Endspiel bekommt, ob ihm dann nicht wieder die Hand zittert so wie 2020 bei den US Open gegen Dominic Thiem. Ich würde es Alexander Zverev aber wünschen, weil ein Spieler wie er mindestens einen Grand-Slam-Titel in seiner Karriere gewinnen sollte.
tennisnet: Aus österreichischer Sicht ist die Situation gerade schwierig …
Koubek: Es ist hart, in das Draw reinzuschauen. So ganz ohne österreichische Flagge. Ich weiß gar nicht, wann das das letzte Mal der Fall war. Während der zehn Jahre, in denen ich auf der Tour war, waren wir stets zu zweit oder zu dritt dabei. Teilweise auch mehr - und jetzt ist das Draw leer. Es kann nur besser werden.Joel Schwärzler ist ein großartiger Spieler. Ich hoffe, er arbeitet hart und kommt bald in die Nähe der Top 100. Vom Potenzial her ist das unsere größte Chance.
tennisnet: Stand jetzt: Auf welche Finalpaarung würden Sie setzen?
Koubek: Dass Jannik Sinner ins Finale kommt, damit bin ich sicher nicht der einzige. Da wüsste ich auch nicht, was dagegen spräche. Ich wünsche es in der unteren Hälfte ehrlich gesagt Alexander Zverev. Da spielt auch viel Sympathie mit!