French Open: Stan Wawrinka - nervenstark im Instant Classic
Stan Wawrinka und Stefanos Tsitsipas haben sich im Achtelfinale der French Open ein Duell für die Ewigkeit geliefert. Als Lohn wartet auf den Sieger nun Roger Federer in der Runde der letzten Acht.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
02.06.2019, 22:53 Uhr
Von Jens Huiber aus Paris
Gegen Ende des fünften Satzes hatte es eine Zuschauerin auf den Tribünen des Court Suzanne Lenglen dann doch zu weit getrieben. „Wir wollen Benoit sehen“, brüllte die Dame also in Richtung von Stan Wawrinka. Immerhin auf Französisch, jener Sprache, in der sich Champion von 2015 am wohlsten fühlt. Wawrinka war nicht amüsiert, wusste aber die gesamten Restzuschauer hinter sich: Niemand, wirklich niemand wollte anstelle der grandiosen Partie zwischen Wawrinka und Stefanos Tsitsipas das Match zwischen Benoit Paire und Kei Nishikori sehen.
Es war der zweite „Instant Classic“ der French Open 2019, den sich der Schweizer Veteran und der griechische Aufsteiger da über eine Spielzeit von fünf Stunden und neun Minuten lieferten. Das erste Highlight hatten Jan-Lennard Struff und Borna Coric am Tag zuvor gesetzt, auf einem der kleineren Plätze. Was natürlich nicht gegen Struff, der am Montag erstmals in einem Achtelfinale eines Majors antreten wird, noch dazu gegen Novak Djokovic, und Coric spricht.
Tsitsipas lässt gegen Wawrinka zu viele Breakchancen aus
Die Atmosphäre auf dem Court Suzanne Lenglen sei aber einzigartig gewesen, erklärte Wawrinka in seiner Pressekonferenz am Abend. Der dreifache Major-Sieger wirkte dabei schon wieder einigermaßen gut sortiert, lediglich die knallrote Nasenspitze verriet, dass Wawrinka mehr als fünf Stunden lang in der prallen Sonne Sport getrieben hatte. Stefanos Tsitsipas wiederum beschrieb seinen Zustand als noch nie da gewesen, so leer fühlte sich der 20-Jährige aus Athen nach dem Match. Auch ein paar Tränen seien geflossen, er könne sich gar nicht erinnern, wann dies das letzte Mal der Fall gewesen sei.
Tsitsipas hätte den Sieg ebenso wie er verdient gehabt, erläuterte Wawrinka vor den versammelten Reportern kurz vor neun Uhr abends. Es ließe sich argumentieren: eigentlich sogar ein wenig mehr. Tsitsipas erspielte sich alleine im fünften Satz acht Breakchancen, die Wawrinka allesamt abwehrte. Was andererseits für die Klasse des Schweizers spricht.
Wie 2015 gegen Roger Federer
Zwar verrichtete die Platz-Crew nach jedem vollendeten Satz ihren Dienst, wenige Minuten später war die Match-Taktik beider Spieler aber schon wieder in die Terre Battue gezeichnet: Die jeweils linke Seite des Platzes stand unter Dauerbelastung, Wawrinka und Tsitsipas versuchten sich gegenseitig auf der Rückhand zu halten. Kein Wunder: Die Beschleunigung, die der Grieche den Bällen mit seiner Vorhand angedeihen lässt, ist enorm.
Aber Wawrinka ist ein Kämpfer. Und ein Champion, der sich Situationen in der Art des fünften Satzes schon öfter ausgesetzt gesehen hat. Für Stefanos Tsitsipas alles Neuland. Umso bemerkenswerter, wie offensiv der 20-Jährige bis zum aus seiner Sicht bitteren Ende spielte. Ein paar leichte Volleyfehler weniger, ein etwas besserer Aufschlag: die Zukunft für Tsitsipas ist in blühendem Rosarot gehalten.
Jene von Stan Wawrinka trägt eine Braun-Creme-Kombination, ist 37 Jahre alt und kann sich mit einem Schweizer Reisepass ausweisen. Wie schon 2015 gibt es ein Duell mit Roger Federer, wieder im Viertelfinale, vor vier Jahren blieb Federer chancenlos. Gegen seinen Kumpel Stan. Und gegen dessen scheußliche Hose, wie der Maestro nach seinem Sieg gegen Leonardo Mayer betonte.