Uebel - "Sascha Zverev strahlt Weltstar aus"
Lars Uebel trainiert mehrere deutsche Hoffnungsträger an der Tennis Base Oberhaching. Im tennisnet-Interview spricht der Coach über die Aussichten seiner Spieler, das besondere Talent des Alexander Zverev, und die nächste Generation in Deutschland.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
17.02.2017, 14:02 Uhr
tennisnet: Herr Uebel. Sie sind mit ihren Schützlingen Daniel Brands, Daniel Masur und Maximilian Marterer gerade auf der Challenger-Tour unterwegs. Wo erreichen wir Sie denn?
Lars Uebel: In Cherbourg. Das ist an der Nordspitze der Normandie. Direkt am Wasser, ein nettes Dorf, aber auch ein wenig langweilig.
tennisnet: Daniel Brands hat in Cherbourg in der ersten Runde verloren. Wo sehen Sie ihn denn gerade in seiner Entwicklung? Schließlich hat Brands vor wenigen Jahren an den Top 50 gekratzt.
Uebel: Es ist immer schwer, Vergleiche über mehrere Jahre zu ziehen. Zumal ich damals wesentlich weiter weg war von Daniel. Was ihm meiner Meinung nach jetzt fehlt, ist ein Committment zu seinem Spiel. "Brandy" ist 1,96 Meter groß und muss auch so spielen. Manchmal hat man das Gefühl, er spielt wie 1,75. Das ist ganz wichtig, das in seinen Kopf reinzubringen. Dann hat er auch eine Chance, sich nach oben zu spielen. Letzte Woche hat er in Sofia aus der Quali heraus eine Runde gewonnen, hat gegen Klizan mit Break geführt. Ein gutes Turnier kann Daniel enormes Selbstvertrauen geben, aber das muss er sich erarbeiten.
tennisnet: Brands hat bei den US Open in Runde eins gegen Alexander Zverev gut gespielt, dennoch verloren. Und dabei etwa wenig Selbstvertrauen in seine Rückhand gezeigt ...
Uebel: Ich glaube, die Rückhand ist bei Daniel nicht der ausschlaggebende Schlag, mit dem er Matches gewinnt oder verliert. Natürlich wird er gegen Sascha Zverev keine Rückhand-Cross-Rallye gewinnen. Unabhängig davon, wie viel er diesen Schlag trainiert. Aber er hat die Möglichkeit, Sascha mit dem Aufschlag und der Vorhand wehzutun. Wenn er ans Netz geht, wenn er keine Ballwechsel zulässt. Das ist das, was ich sehen will. Und das fehlt mir im Moment noch.
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tennisnet: Maximilian Marterer auf der anderen Seite ist ein Spieler, den Sie nun schon länger betreuen. Wo steht Marterer aus Ihrer Sicht?
Uebel: Ich finde, Maxi steht da, wo ihn die Rangliste gerade ausspuckt. So zwischen 150 und 175, mit Tendenz nach oben. Das Spielerische ist wirklich gut, er zeigt, dass er mit den Jungs um die 100 gut mitspielen kann, auch selbständig im Griff hat, wie er spielt. Es fehlt halt an Konstanz, es fehlt in gewissen Momenten an der Schlagauswahl, auch am Auftreten gegen gute Leute. Das Committment auf dem Platz, über das ich mich ja auch schon kritisch geäußert habe, hat sich deutlich verbessert. Off-Court würde ich mir noch ein wenig mehr Hinwendung wünschen. Die Grundeinstellung passt aber.
tennisnet: Wie sehen die Zieldefinitionen für Ihre Spieler aus?
Uebel: Intern gibt es da eine ganz klare Zieldefinition. Das ist wichtig für den Betreuerstab und für etwa Maxi zu wissen: wo wollen wir hin, wo will unser Spieler hin.
"Wally nennen wir aus Spaß Soldat"
tennisnet: Daniel Masur hat im vergangenen Jahr in Berlin erstmals Davis Cup gespielt. Was hat dieses Wochenende bewirkt?
Uebel: Wer "Wally" ein bisschen kennt, der weiß, dass er für das Tennis lebt. Für einen Spieler wie ihn ist es das Größte, wenn er für den Davis Cup nominiert wird. Er wäre auch happy gewesen, wenn er die Flaschen von A nach B getragen hätte. Das hat ihm extrem viel Stolz und Motivation mitgegeben. Das möchte er wieder erleben. Ist aber natürlich nicht das einzige Ziel von Daniel, er möchte in erster Linie gut Tennis spielen.
tennisnet: Spielt Daniel Masur denn so, wie er sollte?
Uebel: "Wally" ist ja auch noch jung, und er ist ein richtiger Kämpfer. Wir nennen ihn aus Spaß auch manchmal "Soldat". Er ist einer, der Spiele über die Physis und den Kampf erarbeiten kann, soll, muss. Das ist seine große Stärke. Er wird noch brauchen, sein perfektes Spiel zu finden. Aber das Potenzial für die besten 100 hat er sicher.
tennisnet: Abgesehen von den Spielern der Generation Marterer, Masur, etc., die Anfang 20 sind - wer sind denn die nächsten Spieler aus deutscher Sicht, die den Sprung ins Herren-Tennis schaffen können?
Uebel: Da kommt für mich Daniel Altmaier als nächstes. Auch der will jeden Tag besser werden. Daniel lebt den Sport, hat mit 18 auch schon ein Challenger-Halbfinale gespielt. Daniel ist schon ganz nah dran, steht bald so gut, dass er in die Qualifikationen für die Grand-Slam-Turniere reinkommt. Daniel Altmaier ist roh! Viele Sachen, die schon sehr, sehr gut sind, aber man sieht, dass auch in der Entwicklung der Schläge noch Potenzial steckt.
tennisnet: Wie sieht es in den Jahrgängen danach aus?
Uebel: Von den Jüngeren ist sicherlich Rudi Molleker das größte Talent, aber Prognosen sind in diesem Alter extrem schwierig. Ich kenne Rudi schon länger. Ich finde es schade, dass er von der Tennisbase Oberhaching weggegangen ist, aber Rudi ist kein einfacher Mensch und auch kein einfacher Spieler. Ich hoffe, dass er sich ein Umfeld schafft, mit dem er hochprofessionell arbeiten und seine Ziele erreichen kann. Weil Talente wie Rudi gibt es nicht jedes Jahr.
tennisnet: Ist Molleker in seiner Altersgruppe der einzige Hoffnungsträger?
Uebel: Das ist mit 16 Jahren ganz schwer zu sagen. Rudi ist mit Abstand der Beste seines Jahrgangs, aus bayerischer Sicht schlägt sich Leopold Zima ganz gut, aber Langzeit-Prognose kann ich hier keine abgeben. Wir haben einen guten 2001er mit dem Justin Schlageter, zwei gute 2002er mit Max Wiskandt und Moritz Stöger. Auch der Jahrgang 2003 in Bayern ist stark.
tennisnet: Marvin Möller und Louis Wessels haben in Hamburg schon ATP-Luft geschnuppert.
Uebel: Die Beiden kenne ich jetzt nur aus der Ferne. Diesen Spielern muss man jetzt ein, zwei Jahre Zeit geben, um sich an das Herren-Tennis anzupassen. Dann darf man sich ein Urteil erlauben.
"Tennis ist ein unglaublich enger Sport"
tennisnet: Die Junioren haben sich ja im Herbst in Oberhaching oder in Ismaning gezeigt. Wie schwierig fällt denn einem Coach da die Analyse der Matches, die zum Großteil sehr knapp ausgefallen sind?
Uebel: Also, wenn ich sofort über alle Gründe für Sieg und Niederlage Bescheid wüsste, dann hätte ich ja den Weg gefunden, wie ich Spieler zu den Top 10 oder 20 führt. Tennis ist so ein enger Sport. Andy Murray hat im letzten Jahr 55 Prozent der Punkte gewonnen, die er gespielt hat. Das muss man sich mal vorstellen. Tennis ist ein unglaublich enger Sport. Murray hat nur knapp mehr als die Hälfte seiner Punkte gewonnen. Und je weiter man runtergeht, umso geringer werden die Prozentzahlen. Aber natürlich gewinnt ein Murray diese 55 Prozent über das ganze Jahr. Gerade für junge Spieler sind zwei, drei Prozent natürlich viel.
tennisnet: Wo bekommt man diese paar Prozent mehr her?
Uebel: Über die Einstellung, den Kampf, die Konstanz.
tennisnet: Der Kreis schließt sich. Wir haben mit Alexander Zverev begonnen. Zverev hat in Rotterdam in der ersten Runde verloren, davor in Montpellier das Turnier gewonnen. Wo sehen Sie denn seine größte Stärke?
Uebel: Alex hat erstens ein außergewöhnliches Spiel, beginnend mit seinem unglaublichen Aufschlag. Das Grundlinienspiel ist deutlich besser geworden, er bewegt sich viel besser. Aber für mich war bei ihm schon als Junge dieser unbedingte Glauben an sich selbst beeindruckend. Dass er daran hundertprozentig glaubt, seine Ziele erreichen zu können, egal, wie er die nun definiert. Und die sind wohl sehr hoch einstellig. Und man hat das Gefühl, dass diese Zielerreichung für ihn alternativlos ist, auch schon, als er noch 18 Jahre alt war. Das vermittelt er Tag für Tag auf dem Platz.
tennisnet: Wie steht Zverev im Vergleich zu den beinahe Gleichaltrigen da?
Uebel: Wenn ich ihn mit einem Borna Coric vergleiche, dann sind das vom Auftreten her zwei komplett verschiedene Menschen. Der eine strahlt "Weltstar" aus, der andere nur Star. Ich glaube, dass Sascha ganz klar "Weltstar" auf seinem Rücken stehen haben möchte, wobei ihm wahrscheinlich wichtiger ist, dass er einmal Nummer eins der Welt wird.
tennisnet: Heißt das, dass Alexander Zverev schon reif für einen Grand-Slam-Sieg ist?
Uebel: Das ist sehr schwierig, sich hier ein Urteil zu bilden. Möglich ist alles. Ich glaube aber, dass die Konstanz über sieben Best-of-Five-Matches, jeden zweiten Tag an seine Grenzen zu gehen, dass es vielleicht noch ein, zwei Jahre dauern wird, bis Sascha die Konstitution dafür hat. Mental und physisch. Aber ich würde mich nicht dagegen wehren, wenn es dieses Jahr schon passieren sollte.
tennisnet: Herr Uebel, wir danken für das Gespräch.
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