Del Potro nach seinem Sieg gegen Federer: "Auf diesen Moment habe ich lange gewartet"

Spätestens mit seinem Triumph in Indian Wells hat sich Juan Martin del Potro wieder in der absoluten Weltspitze zurück gemeldet. Diese Renaissance erschien vor gar nicht allzu langer Zeit noch höchst unwahrscheinlich.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 19.03.2018, 11:54 Uhr

Juan Martin del Potro, seit Sonntag 22-facher Turniersieger

Als Juan Martin del Potro die Tennissaison 2015 als Nummer 587 der Weltrangliste beendete, war er schon fast aus dem öffentlichen Bewußtsein verschwunden. Und in jenen Tagen fehlte auch nicht viel zum leisen Schlußstrich, zum unspektakulären Ende einer spektakulär begonnenen Karriere.

Mit 20 Jahren war der argentinische Hüne wie aus dem Nichts zum US-Open-Triumph gestürmt, dann hatten mehrere Handgelenksoperationen seine großen Ambitionen und Träume immer wieder zerstört, und dann, in der schweren Saisonvorbereitung vor zwei Jahren, wurden die Zweifel an einem strahlenden Comeback auf einmal so groß und drängend, "dass der Rücktritt ganz nah war."

2016 rutschte del Potro sogar noch einmal jenseits der Tausender-Marke in der Tennis-Hitliste, aber dann zahlten sich seine Zähigkeit und seine Unbeugsamkeit bei der Rückkehr-Mission langsam, aber sicher aus. Bis zu jenem Turnier, zu jenem Finale, zu jenem Sieg, der ihn für die Mühen, Ängste und Zweifel der letzten Jahre vortrefflich entschädigte.

"Es war der Moment, auf den ich lange, fast zu lange warten musste", sagte der 29-jährige am Sonntagabend, als er im Masters-Finale von Indian Wells in drei dramatischen, hochspektakulären Sätzen Maestro Roger Federer mit 6:4, 6:7 (8:10) und 7:6 (7:1) besiegt hatte.

Es war nichts weniger als das perfekte Traumszenario für del Potro, geboren aus den Alpträumen einer oft nur bitteren Profilaufbahn. Als zerbrechlicher Riese war der "Turm von Tandil" oft beschrieben worden, fast zwangsläufig bei seiner schier unendlichen Leidensgeschichte, doch gegen Federer triumphierte er in der Pose der Standfestigkeit, Unerschütterlichkeit und Härte.

Schwächelnde Großdarsteller: Rafael Nadal und Co.

Wie eine Verdichtung der del Potro-Karriere wirkte dieses beste Spiel der laufenden Saison, mit all den Aufs und Abs, mit den glänzenden, aber auch elenden Momenten. Del Potro startete wie berauscht in das ultimative Duell mit Federer, er hatte früh einen Matchball zum souveränen Zwei-Satz-Sieg, aber er versiebte den Punkt schmerzlich leicht. Im dritten Satz wehrte er drei Matchbälle Federers bei 4:5-Rückstand ab, ehe er den letzten Tiebreak dieses Showdowns gelassen beherrschte.

"Es ist ein unglaublich gutes Gefühl jetzt", sagte del Potro. Das beste Gefühl auch seit jenen Herbsttagen des Jahres 2009, als er in New York triumphiert hatte - mit Siegen auf dem Weg zum Thron auch gegen Rafael Nadal und Federer. Was damals galt, gilt auch heute noch: Nämlich die These, dass ein gesunder, fitter del Potro die Machtarchitektur in der Tenniswelt durcheinanderwirbeln und markant verändern kann.

Von seinem Platz im Niemandsland der Hierarchie vor 26 Monaten hat er es nach dem Erfolg in Indian Wells bis auf Platz sechs gebracht, er ordnet sich gerade hinter dem fünftplatzierten Deutschen Alexander Zverev ein. Die Chancen für einen weiteren Aufschwung stehen nicht schlecht, denn außer Federer schwächeln viele der ehemals marktbeherrschenden Großdarsteller.

Nadal leidet genau so unter quälenden Verletzungsproblemen wie Andy Murray oder Novak Djokovic, keiner vermag derzeit seriös vorherzusagen, wann und wie die Topstars in das Tourgeschehen zurückkehren werden. Sie stehen im Hier und Jetzt so an der Seitenlinie wie del Potro in den langen Verletzungsjahren.

Juan Martin del Potros 22 ATP-Einzel-Turniersiege

JahrTurniere
2008Washington, Los Angeles, Kitzbühel, Stuttgart
2009US Open, Washington, Auckland
2011Estoril, Delray Beach
2012Wien, Basel, Estoril, Marseille
2013Basel, Tokio, Rotterdam, Washington
2014Sydney
2016Stockholm
2017Stockholm
2018Acapulco, Indian Wells

Juan Martin del Potro: Rivalität mit Roger Federer

Der Argentinier hatte wegen seiner hochkomplexen Handgelenksbeschwerden sogar seine einst gefürchtete Rückhand umstellen müssen, er fürchtete daher auch, nie wieder zu einheitlich großer Durchschlagskraft finden zu können.

Doch im Match gegen Federer, dem unzweifelhaften Höhepunkt seiner langgestreckten Comebackmission, zeigte er exemplarisch seine alte Wucht und Dynamik - die Kompetenz, den Gegner mit harten Punches machtvoll in die Ringseile zu drücken. Sein frühes Aus in diesem Match verhinderte Federer nur mit der ganzen Exzellenz seiner Defensivkunst.

"Er war am Ende der bessere Mann", gab Federer später zu Protokoll, "ich freue mich auch für ihn." Del Potro kann sich durchaus zum ernsthaftesten Gegenspieler von Federer aufschwingen in diesem Tennisjahr - nachdem er nun die Auftaktserie des Schweizers mit 17 Siegen gebrochen hat.

Der Argentinier verfügt über mehr Erfahrung und Abgebrühtheit als die Spieler aus der nächsten und übernächsten Generation, die sich besonders in Matches auf großer Bühne vergeblich mit dem Schweizer gemessen haben. "Ich bin stolz, wie ich mich aus dem tiefen Tal herausgekämpft habe. Ich bin auch überrascht, wie ich nun wieder Tennis spiele", sagte del Potro, "aber ich wünsche mir, dass die Überraschungen noch weitergehen." Vielleicht dann auch bei den Grand-Slam-Turnieren, eine kleine Ewigkeit nach dem Coup von New York im Spätsommer 2009. Als alles schon einmal so hoffnungsvoll aussah für del Potro.

von Jörg Allmeroth

Montag
19.03.2018, 11:54 Uhr