Jurij Rodionov nach seinem Challenger-Erfolg: "Jetzt nehme ich einmal zwei Wochen frei"
Jurij Rodionov hat am Samstag im kasachischen Almaty seinen ersten Titel auf Challenger-Ebene gewonnen. Damit sorgte der 19-Jährige für den ersten österreichischen Turniersieg auf dem zweithöchsten Turnierniveau im Profitennis im Jahr 2018. Im Gespräch mit tennisnet skizziert Rodionov seinen Weg zum Titel, der schon in der Qualifikation einem Ende nahe war.
von Lukas Zahrer
zuletzt bearbeitet:
16.06.2018, 21:30 Uhr
Außerdem spricht der jüngste österreichische Challenger-Sieger seit Thomas Muster über seine Erlebnisse in Kasachstan, seinem Ziel für das Ende der Saison und warum er bei der Fußball-WM keinem Team so wirklich die Daumen drückt.
tennisnet: Challenger-Titelträger Jurij Rodionov - wie klingt das für Sie?
Jurij Rodionov: Es ist schwer zu erklären, aber ich habe es noch nicht ganz realisiert, weil ich eigentlich noch voll unter Spannung stehe und im Turniermodus bin. Das wird erst passieren, wenn ich im Flieger nach Hause sitze, oder am Flughafen nach langer Zeit endlich wieder meine Mutter sehe. Aber ich bin in jedem Fall erleichtert und glücklich, dass die Woche so gut verlaufen ist.
tennisnet: Begleiten Sie uns kurz doch durch das Turnier. Sie haben ja zunächst drei Runden in der Qualifikation bestreiten müssen, dort standen Sie schon kurz vor dem Aus.
Rodionov: Das stimmt. Es ist einfach unfassbar, eigentlich hätte es in der Quali vorbei sein können, aber jetzt liege ich hier mit dem Pokal in meinem Bett und freue mich über meinen Challenger-Sieg. Ich habe auch in Shymkent vor meinem Viertelfinal-Einzug in der Vorwoche im Qualifikations-Finale vier Matchbälle abgewehrt. In der ersten Runde waren es wieder zwei. Aber mit meiner mentalen Stärke und meinem Siegeswillen konnte ich die Matches noch umbiegen, indem ich mein bestes Tennis gespielt habe.
Jurij Rodionovs Weg zum Challenger-Titel in Almaty
Runde | Gegner | Nation | Ergebnis |
Erste Quali-Runde | Evgeny Tyurnev | Russland | 6:3, 6:4 |
Zweite Quali-Runde | Aldin Setkic | Bosnien-Herzegowina | 6:2, 3:6, 6:1 |
Quali-Finale | Joao Menezes | Brasilien | 6:4, 0:6, 7:6(4) |
Erste Runde | Carlos Bolunda-Purkiss | Spanien | 3:6, 6:3, 6:2 |
Achtelfinale | Alen Avidzba | Russland | 6:3, 7:5 |
Viertelfinale | Aleksandr Nedovyesov | Kasachstan | 3:6, 7:5, 7:6(4) |
Halbfinale | Yannick Hanfmann | Deutschland | 6:4, 7:5 |
Finale | Peda Krstin | Serbien | 7:5, 6:2 |
tennisnet: In der ersten Runde haben sie ihr Match nach Satzrückstand noch gewonnen. Hat ihnen dies das nötige Selbstvertrauen für die weiteren Matches gegeben?
Rodionov: Es war einfach ein richtig geiles Gefühl. Ich denke aber, am Selbstvertrauen hat es mir nicht gemangelt. Ich weiß, wie gut ich spielen kann und dass ich bei den ganz Großen mithalten kann. Mir ist auch klar, wie ich meine Stärken richtig einsetzen muss. Meine Sorge war eher, dass es mit den Kraftreserven eng werden wird. Es ist hier extrem heiß (tagsüber deutlich über 30 Grad, Anm.) und ich spielte zwei Wochen durch.
tennisnet: In der Vorwoche sind Sie in Shymkent noch an Yannick Hanfmann gescheitert. Wie ist Ihnen im Halbfinale am Freitag die Revanche gelungen?
Rodionov: Das Spiel habe ich schon zu Beginn gewonnen, da ich genau wusste, wie Yannick spielen wird. Ich habe mich mit meinem Coach Richard Waite am Vorabend zusammengesetzt und gut eineinhalb Stunden darüber philosphiert wie meine Taktik aussehen sollte.
tennisnet: Was wurde im Detail besprochen?
Rodionov: Es ging um die Auswahl der Aufschläge, oder etwa die Platzierung meiner Schläge während der Ballwechsel. Das hat über das gesamte Match gut funktioniert und war taktisch brillant von mir gespielt. Da muss ich mich auch bei meinem Trainer bedanken, der mir einen sehr guten Strategieplan mitgegeben hat, den ich von A bis Z ausgeführt habe. Dadurch hatte ich einen enormen Vorteil von Anfang an, und den habe ich auch ausgenutzt.
tennisnet: Sie sprechen fließend Russisch. Waren Ihre Sprachkenntnisse von Vorteil, um sich in Kasachstan wohler zu fühlen?
Rodionov: Klar, es fällt dir leichter, wenn du dich im jeweiligen Land mit den Leuten verständigen kannst. Es ist hier nicht unbedingt weit verbreitet, dass jeder Englisch spricht. Im Taxi oder in den Supermärkten ist es praktisch. Wenn ich aber kein Russisch sprechen könnte, wäre das auch kein Beinbruch.
tennisnet: Spielten sie in Kasachstan vor tennisbegeistertem Publikum?
Rodionov: Im Viertelfinale trat ich gegen den Lokalmatador Aleksandr Nedovyesov an, und ab dieser Runde spielte ich immer auf dem Center Court. Es war definitiv eine gute Stimmung da. Generell hatte ich das Gefühl, dass das Turnier gut aufgezogen und organisatorisch einwandfrei war. Der Zuspruch der Fans war durchaus beachtlich.
tennisnet: Hat ihr Premierenerfolg auf der Challenger-Tour Auswirkungen auf Ihre Turnierplanung?
Rodionov: Die nächsten zwei Wochen nehme ich mir einmal frei. Ursprünglich war noch ein weiteres Challenger-Turnier eingeplant, aber durch den Erfolg der letzten zwei Wochen und die vielen Matches brauche ich diese Pause. Danach steht die Turnierplanung noch nicht fest, aber wahrscheinlich bleibe ich auf der Challenger-Ebene. Es wäre aber auch ein Antreten bei der einen oder anderen Qualifikation für ein ATP-Event denkbar. Mein großes Ziel ist das Turnier in Kitzbühel (Generali Open ab 28. Juli, Anm.), und dafür möchte ich mich bestmöglich vorbereiten.
tennisnet: Folgen Sie in den nächsten Monaten einem Ziel? Fassen Sie ein konkretes Ranking ins Auge?
Rodionov: Eine detaillierte Zielsetzung fällt mir etwas schwer. Ich stehe jetzt um Platz 290, daher ist es realistisch, in den nächsten sechs Monaten 90 Plätze gutzumachen, um dann Ende des Jahres in die Top 200 einzuziehen. Ich denke, das werde ich auch schaffen. Zugleich versuche ich aber auch, mir nicht zu viel Druck zu machen und mehr auf die Entwicklung in meinem Spiel und weniger auf das Ranking zu schauen.
tennisnet: Sie gelten als Fan des FC Arsenal. Verfolgen Sie auch die Fußball-WM? Haben Sie einen Tipp auf den Weltmeistertitel?
Rodionov: Ich muss sagen, ich habe keinen großen Favoriten, sondern bin mehr der neutrale Zuschauer. Meistens drücke ich nämlich neben den Österreichern der Niederlande die Daumen. Doch beide haben sich leider nicht qualifiziert.