Kontroverse um „Fehlschlag“ von Alex Michelsen

Im Finale des ATP-Turniers in Winston-Salem drosch der US-Amerikaner Alex Michelsen aus Frust einen Ball Richtung Tribüne und traf dabei eine Zuschauerin. Die nicht erfolgte Disqualifikation des Teenagers heizt erneut die Diskussion über die ungleiche Umsetzung der Regeln auf der Tour an.

von Dietmar Kaspar
zuletzt bearbeitet: 26.08.2024, 16:08 Uhr

Getty Images
© Getty Images
Die nicht erfolgte Disqualifikation von Alex Michelsen im Finale von Winston-Salem entfacht in der Tennisszene hitzige Diskussionen.

Der Frust bei Alex Michelson im Finale des ATP-250-Turniers in Winston-Salem schien in dem Moment riesig zu sein. Mit einem misslungenen Halbvolley besiegelte der US-Amerikaner seinen zweiten Aufschlagverlust in Folge zum 0:4-Fehlstart. Danach griff er in seine Hosentasche, holte von dort einen Ball hervor und drosch ihn unkontrolliert in Richtung Tribüne auf der gegenüberliegenden Seite und traf dabei eine Zuschauerin. Nachdem der 20-jährige sofort nach dem erfolgten Schlag realisierte, was er da fabriziert hatte, sank er kniend zu Boden und hielt sich die Hände aus Scham vor sein Gesicht. Sofort war ihm klar, dass das Match für ihn aufgrund einer Disqualifikation frühzeitig beendet sein könnte, verbunden mit dem Verlust aller Weltranglistenpunkte und des Preisgelds aus dem Turnier.

Was jedoch danach passierte, entfacht in Tenniskreisen eine neue Diskussion um die unterschiedliche Umsetzung der Regeln und die daraus resultierende Ungleichbehandlung von Profisieler:innen bei ähnlich gelagerten Vergehen. Nach dem „Fehlschlag“ ging die Schiedsrichterin Aurelie Tourte in Richtung der Tribüne und erkundigte sich bei der Zuschauerin nach deren Befinden. Nachdem diese ihr versicherte, dass bei ihr alles in Ordnung sei, sah die Französin von einer Bestrafung ab und ließ die Partie wieder fortsetzen. Selbstverständlich sah man anhand der Reaktion von Michelsen sofort, dass er den Treffer den Zuschauerin in keinster Weite beabsichtigt hatte, jedoch war dies auch in den sanktionierten Beispielen wie von Novak Djokovic, Dennis Shapovalov oder der japanischen Doppel-Spezialistin Miyu Kato der Fall. Den österreichischen Tennis-Fans dürfte bestimmt noch der Fall des Franzosen Terence Atmane bei den French Open in bester Erinnerung sein, dem im gleichen Fall eine Disqualifikation im Match gegen Sebastian Ofner erspart blieb.

Gleiche Schiedsrichterin wie in der Causa Djokovic

Besonders brisant in dem Fall, dass Schiedsrichterin Tourte zufälligerweise auch auf dem Stuhl saß, als Novak Djokovic bei den US Open 2020 auf diese Weise eine Linienrichterin am Hals traf und daraufhin disqualifiziert wurde. Eine Disqualifikation darf, wie im Fall des Serben auch praktiziert, nur vom Supervisor ausgesprochen werden. Im Fall von Michelsen nutzte die französische Schiedsrichterin ihren Kompetenz-Bereich maximal aus und traf von sich aus die „Tatsachen-Entscheidung“, dass dieser Vorfall aufgrund der minimalen Auswirkungen auf die Zuschauerin keine Ahndung durch den Supervisor benötigt.

Fehlende Intervention durch Gegner Sonego

Dass es nicht zur Bestellung des Supervisors auf den Court kam, lag auch am Verhalten des Finalgegners Lorenzo Sonego. Während andere Spieler bestimmt energisch auf eine Disqualifikation von Michelsen gedrängt hätten, verhielt sich dieser komplett ruhig und neutral in dieser Angelegenheit. Dies mochte auch dem zwischenzeitlichen Spielstand von 4:0 geschuldet sein, bei dem er an einer schnellen Fortsetzung der Partie interessiert war, um seinen guten Rhythmus beizubehalten. Nachdem klar war, dass es mit der Partie weitergehen würde, hob Michelsen den Schläger als entschuldigende Geste in Richtung der Zuschauerin in die Höhe. Dass die Partie deutlich mit 6:0, 6:3 an den Italiener ging, der damit seinen vierten ATP-Titel auf der Tour feiern durfte, werden nicht wenige als ausgleichende Gerechtigkeit empfinden.

Kritik der Profi-Kollegen

Aufgrund der nicht erfolgten Disqualifikation ließ die Kritik zahlreicher Profi-Kollegen nicht lange auf sich warten. So kommentierte der vor zwei Jahren zurückgetretene brasilianische Doppel-Spezialist Bruno Soares, dass es eine sofortige Disqualifikation hätte geben müssen und es in dem Bereich doppelte Standards gibt. Etwas süffisanter drückte es der Kanadier Denis Shapovalov aus, der in seiner Karriere bereits selbst von einer Disqualifikation betroffen war: „Ich liebe es, wie sie sagen Regeln sind Regeln, bis sie es dann nicht mehr sind.“ Auch Nick Kyrgios war mal wieder nicht um einen Kommentar verlegen und stufte die Aktion ebenfalls als klare Disqualifikation ein.

Verpasse keine News!
Aktiviere die Benachrichtigungen:
Djokovic Novak
Ofner Sebastian
Shapovalov Denis
Michelsen Alex

von Dietmar Kaspar

Montag
26.08.2024, 09:54 Uhr
zuletzt bearbeitet: 26.08.2024, 16:08 Uhr

Verpasse keine News!
Aktiviere die Benachrichtigungen:
Djokovic Novak
Ofner Sebastian
Shapovalov Denis
Michelsen Alex