Konzentration im Punktspiel - Teil 2: Entscheidende Spielsituationen
"Ach, der verschießt immer schnell sein Pulver!". Viele Vereinsspieler sind Genies darin, in den ersten sechs Aufschlagspielen all ihre Konditions- und Konzentrationsreserven zu verbrauchen. Dies geschieht auffällig häufig gegen stärkere Gegner.
von Marco Kühn
zuletzt bearbeitet:
19.07.2018, 14:15 Uhr
Das Witzige daran? Sehr viele Spieler merken dies gar nicht. Wenn du zu einem Punktspiel den Platz betrittst bist du mit allerhand Schauplätzen beschäftigt. Du willst in einen guten Schlagrhythmus kommen, du ringst mit deiner Nervosität und deinen Gegner willst du auch nach Stärken und Schwächen abklappern.
All diese Schauplätze beackerst du bereits ab dem Einspielen. Wenn das Match dann beginnt, gibst du direkt alles. Dein Gegner soll erst gar nicht auf die Idee kommen, dass er eine Chance gegen dich hat. Du verspürst Druck, der dich dazu bringt, jeden Punkt mit voller Konzentration zu spielen.
Wenn es dann 4:4 im ersten Satz steht, läufst du mental und körperlich auf Reserve. Dann reicht ein umkämpfter Ballwechel, in dem du viermal rechts und links laufen musst, um auch die letzten Kraftreserven aufzubrauchen. Dein Gegner schließt solche Punkte dann auch noch mit einem gelungenen Stopp oder einer platzierten Vorhand, kurz cross gespielt, ab. Dies bringt dein Schiff dann auch mental zum Sinken.
Du hast es verpasst, dir deine Konzentration für die wichtigen Momente einzuteilen. Wie du dein Budget besser einteilen kannst und wann es sich lohnt alles an Energie und Konzentration zu investieren, schauen wir uns jetzt gemeinsam an.
Entscheidende Momente erkennen
Im Tennis spricht man von dem sogenannten "Momentum". Dann hat ein Spieler die Bälle in der Hand und ist überlegen. Dieser Spieler agiert mehr auf dem Platz, als dass er reagiert. Er lässt den Gegner laufen, steht näher an der Grundlinie und spielt flacher über das Netz, ohne viele Fehler zu machen. Auch die Körpersprache zeigt eindeutig, wer derzeit das Momentum auf seiner Seite hat. Eine zögerliche Vorhand kennt der Spieler, der das Momentum auf seiner Seite hat, nicht.
Solch ein Momentum verschiebt sich während eines Matches immer wieder von der einen auf die andere Seite des Netzes. Es ist eine hohe Kunst zu erkennen, wann man die Möglichkeit hat solch ein Momentum zurückzuerobern. Dies sind die Spielsituationen, in denen du das höchste Maß an Konzentration benötigst. Es ist nicht immer der hohe Aufwand, der am Ende mit dem Sieg belohnt wird. Sondern das gezielte Einsetzen der eigenen Konzentration.
Da ein Tennismatch dynamisch verläuft, lässt sich kein zuverlässiges Schema erstellen, wann du konzentriert sein musst. Es gibt aber Spielsituationen, die sich lohnen, konzentrierter gespielt zu werden, da du dir in diesen Situationen ein wichtiges Momentum holen kannst. Diese Spielsituationen sind:
- zu Beginn des ersten Satzes
- in der Mitte eines Satzes (3:3, 4:3)
- am Ende eines Satzes
- zu Beginn des zweiten Satzes
Wenn du 2:1 im ersten Satz führst, darfst du deiner Konzentration, deinem Geist und deinem Körper gerne mal eine Verschnaufpause gönnen. Denn bei einem möglichen 3:3 oder 4:3 wirst du auf eine ganz andere Weise gefordert werden.
Ein Match lesen können
Auch wenn du im laufenden Aufschlagspiel im Kampf mit dir und deinem Gegner gefangen bist, solltest du das große Ganze, das Match, nicht aus den Augen verlieren. Wenn du bei 3:2 servierst und die ersten vier Punkte stark umkämpft waren, überlege, ob du deine Kräfte nicht doch für einen späteren Zeitpunkt reservieren willst.
Wenn du bereits einige Jahre Medenspiele und Turniere spielst, dann wirst du ein Gefühl für Spielsituationen entwickelt haben. Dann spürst du beispielsweise, ob du ein Match gewinnen kannst, ob es eng wird oder ob du vielleicht als Verlierer beim Handshake am Netz erscheinen wirst.
Dieses entwickelte Gefühl hilft dir dabei, richtige Entscheidungen zu treffen, wann du wirklich alles im Match geben musst und wann du auch mal etwas lockerer an manche Punkte gehen kannst.
Es ist nicht immer eine kluge Idee jedem Ball hinterherzulaufen und jeden Punkt auf Biegen und Brechen gewinnen zu wollen. Cleverer ist es, dass du deine Intuition und dein Wissen um die entscheidenden Spielsituationen nutzt, um deine Konzentration bestmöglich einzuteilen.