Laura Siegemund und Antonio Zucca: „Ach, du dachtest, du kommst ein Jahr mit und haust dann ab?“
Laura Siegemund und ihr Freund Antonio Zucca im Gespräch über ihre spezielle Partner-Coach-Beziehung, Streits im Hotelzimmer und Kinderwünsche auf der Tennis-Tour.
von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet:
25.12.2024, 07:51 Uhr
Laura Siegemund (36) ist mit Antonio Zucca (32) liiert, selbst ehemaliger Tennisprofi. Das Besondere: Antonio ist nicht nur Lauras Partner, sondern auch ihr Trainer. Wie kam es dazu – und wie klappt das im stressigen Tour-Alltag?
Antonio: „Wir haben uns 2017 beim Turnier in Rom kennengelernt. Laura fragte nach einem Hittingpartner und sie haben mich zu ihr geschickt. Ihr hat offenbar gefallen, wie ich gespielt habe, und wir haben die ganze Woche trainiert. Wir haben uns dann auch für die Zeit nach den French Open verabredet, aber Laura verletzte sich und musste absagen.“
Laura: „Ich hatte damals gerade den Porsche Tennis Grand Prix gewonnen und war erstmals unter den Top 30 der Welt platziert. Auch deshalb habe ich hauptsächlich mit Männern trainiert. Ich habe immer jemanden gesucht mit dem Venus-Williams-Stil: mit flachen, langen und schnellen Schlägen. Oft spielen Hittingpartner mit viel Spin. Ich mochte sehr, wie Antonio spielt – ähnlich wie die besten Spielerinnen. Wir haben die gesamte Woche über in Rom trainiert. Dann habe ich mir beim Turnier in Nürnberg das Kreuzband gerissen und war erst mal lange außer Gefecht.“
Antonio: „Ich habe Laura in dieser Zeit ab und zu geschrieben. Sie hat mir so leid getan – auch, weil sie auf ihrem Toplevel war, auf ihrer besten Weltranglisten-Position. Und dann hatte sie so ein Pech. Im Jahr darauf hat Laura mich gefragt, ob ich zu ihr nach Stuttgart kommen würde, um für ihr Comeback zu trainieren.“
Laura: „Ich hatte acht Monate lang Reha gemacht und stand kurz vor der Rückkehr. Aber es ist nicht leicht, abseits der großen Akademien gute Hittingpartner zu finden. Antonio war der beste Hittingpartner, den ich je hatte – und ich dachte: Er ist in Rom, das ist nah und nicht so teuer, wie wenn ich jemanden aus Australien einfliegen würde. Ich habe ihn gefragt, ob er zwei, drei Wochen mit mir trainieren würde. Das Problem: Antonio war zu dieser Zeit selbst noch aktiver Profi auf ITF-Level.“
Antonio: „Ich hatte Laura gesagt, zwei Wochen schaffe ich nicht. Aber eine würde klappen. Das haben wir gemacht, danach bin ich zurück nach Rom. Ich wollte ja selbst wieder Turniere spielen.“
Laura: „In dieser Zeit sind wir uns privat näher gekommen. Antonio war alleine in Stuttgart, also habe ich ihn etwas herumgeführt. Ich wollte ihn nicht einfach am Hotel abliefern. Also sind wir zusammen essen gegangen und er hat meine Familie kennengelernt. Da haben wir gemerkt, dass wir uns sehr gerne mögen.“
„Okay, dann beende ich meine Karriere“
Antonio: „Daran, dass ich dauerhaft ihr Trainer werden könnte, haben wir nicht gedacht.“
Laura: „Ich hatte ja einen Coach. Aber nachdem wir fest zusammen waren, haben wir uns überlegt, wie das weitergehen könnte. Ich bin als Tennisspielerin rund 40 Wochen im Jahr unterwegs – und er auch. Aber nicht auf denselben Turnieren. Antonio sagte: ‚Okay, dann beende ich meine Karriere.‘“
Antonio: „So konnten wir zu allen Turnieren gemeinsam reisen.“
Laura: „Mir war es extrem wichtig, dass er das noch mal hinterfragt. Es war eine riesige Entscheidung, er hat sein Leben quasi aufgegeben. Es ist einer der großen Unterschiede zwischen Antonio und mir: Er hat es sehr genossen, Tennis zu spielen, Turniere zu bestreiten, das gesamte Tourleben – auch wenn es ‚nur‘ auf der kleineren Tour war. Bei mir war das meistens anders. Ich hatte stets damit zu kämpfen, Tennis zu genießen. Ich wollte Erfolg haben, meine Ziele erreichen. Das war nicht immer mit allzu viel Freude verbunden. Bei ihm eben schon, und ich wollte nicht, dass er das für sich aufgibt.“
Antonio: „Für mich war es eine einmalige Gelegenheit. Ich habe auch mit meiner Familie und meinen Trainern gesprochen. Natürlich war nicht klar, dass wir eine solch lange Zeit zusammenbleiben würden.“
Laura: „Ach, du dachtest, du kommst ein Jahr mit und haust dann ab?“ (lacht)
Antonio: „Ich dachte: ‚Okay, wenn wir uns trennen, spiele ich einfach wieder Turniere.‘“
Laura (lacht immer noch): „Ahhh, du hattest einen Backup-Plan! Ich dachte immer, das war eine endgültige Entscheidung. Nein, aber ernsthaft: Für mich war das eine riesige Sache. Er wollte aufgeben, was er liebte und wo er lebte. Wollte sich komplett nach meinem Leben richten. (überlegt) Ich glaube nicht, dass ich das im umgekehrten Fall getan hätte. Antonio war dann ein Jahr als Hittingpartner mit mir unterwegs, aber nicht als mein Coach. Das war Markus Gentner, schon seit zehn Jahren – der beste Trainer, den ich bis dahin hatte. Der einzige Nachteil: Markus konnte nur selten reisen.“
Antonio: „Er war Vereinstrainer in Metzingen und konnte nicht weg. Da ich nun immer dabei war, habe ich ohnehin 90 Prozent des Coachings vor Ort gemacht.“
Laura: „Irgendwann hat Antonio dann komplett übernommen.“
Antonio: „Anfangs haben wir öfters gestritten. Weil die Aufgaben nicht klar verteilt waren. Manchmal hat Laura mich gefragt, manchmal Markus. Ich hatte zuvor nie Training gegeben, von daher habe ich sicher auch Fehler gemacht.“
„Wir haben uns abends nicht mal gute Nacht gesagt“
Laura: „Es war schwierig. Eine Spieler-Trainer-Beziehung muss wachsen. Antonio kam ins Spiel, nachdem ich gerade meine größten Erfolge gefeiert habe. Aber er kannte mich quasi nur als verletzte Spielerin, die gerade zurückkommt – von den fünf Trainingseinheiten in Rom abgesehen. Markus hingegen hatte alles mitgemacht. Den Aufstieg, meinen Quasi-Rücktritt, als ich einfach nicht nach oben kam. Dann die ersten größeren Erfolge bis hin zum Sieg in Stuttgart. Mit meiner Verletzung ist alles weggebrochen, mein gesamtes Tennislevel. Ich habe bei null angefangen. Ich hatte viele Unsicherheiten: Was mache ich noch richtig? Was für eine Spielerin möchte ich sein? Wie soll ich spielen? Wenn Antonio dann Änderungen angeregt hat, habe ich oft gezögert und gezweifelt, ob das richtig ist. Das war eine schwierige Zeit für uns.“
Antonio: „Auch die Momente nach dem Match. Wenn Laura ein Spiel verloren hat und wir von der beruflichen Ebene auf die private wechseln wollten: Da haben wir manchmal zwei oder drei Tage lang nicht miteinander gesprochen. Wir haben uns abends nicht mal gute Nacht gesagt. Es hat gedauert, bis Laura mir als Trainer vertraut hat. Bis ich wusste, wie ich in solchen Momenten mit ihr sprechen kann. Im zweiten Jahr nach ihrem Comeback hat sie besser gespielt und wieder die Top 100 erreicht, den Doppeltitel bei den US Open gewonnen, das Viertelfinale im Einzel in Roland-Garros erreicht.“
Laura: „Ich habe mehr Vertrauen in unsere Arbeit bekommen. Insgesamt habe ich diese Zeit als riesige Herausforderung wahrgenommen. Wir hätten wohl viel weniger Probleme als Paar gehabt, wenn Antonio mich nicht trainiert hätte. Wir haben auch Alternativen besprochen.“
Antonio: „Hätte Laura besser alleine reisen sollen, mit einem anderen Coach? Dann wäre sie regelmäßig sechs Wochen lang am Stück auf Turnieren gewesen, dann anderthalb Wochen zu Hause. Dann wieder monatelang weg. Ich bin jemand, der mit seiner Freundin zusammen sein will. Eine Fernbeziehung ist nichts für mich.“
Laura: „Die andere Herausforderung ist, dass wir in Hotels leben. Wir haben ein gemeinsames Zimmer. Wenn wir eine Meinungsverschiedenheit auf dem Platz haben, ist das zwar blöd, aber unter normalen Umständen könnte man sich dann zuhause erstmal eine Weile aus dem Weg gehen, um abzudampfen. Wir müssen dann aber auch noch das gleiche Zimmer teilen, oft gibt es nicht mal einen abgetrennten Bereich, geschweige denn einen separaten Raum, abgesehen von der Toilette. Man muss also spazierengehen oder sonstwohin, um mal alleine sein zu können. Das macht es dann noch schwieriger. Ich glaube aber, dass wir gut damit klarkommen. Während Corona sind die Trennungssraten extrem gestiegen, weil viele Paare ständig zusammen waren, auch wenn es Streit gab. Für uns war das der Normalfall. Corona hat bei uns nichts verändert, wir waren ohnehin immer zusammen. Man muss dazu sagen, es gibt viele Spielerinnen, die mit ihrem Trainer oder Fitnesscoach zusammen sind. Das ist auf der Tour üblich, andernfalls würde man sich fast nie sehen. Man tauscht sich aber mit anderen sehr wenig über die eigenen Herausforderungen als Paar aus.
Antonio: „Ich spreche auch selten mit anderen. Man will sich letztendlich auch nicht unbedingt in die Karten schauen lassen.”
Laura: „Leider ist es so. Auf der Tour weiß man nie, ob jemand wirklich ehrlich ist oder nur versucht, eine Fassade aufrecht zu erhalten. Oder was er mit Information macht, die man ihm anvertraut. Am Ende des Tages sind wir Konkurrentinnen und viele versuche daher, die eigenen Schwächen zu verdecken."
Antonio: „Ich denke, alle Paare auf der Tour haben ihre eigenen Herausforderungen. Ich bin zum Beispiel deutlich jünger als Tatjana Maria und ihr Mann, die beiden genießen einfach das Tourleben als Familie und wählen anhand dessen zum Teil auch ihre Turniere aus. Bei uns steht an oberster Stelle zunächst das Tennis, das Ziel.“
Laura: „Obwohl es sich bei mir verbessert hat und ich die Reiserei und das Tourleben mittlerweile mehr genießen kann – vor allem wegen Anto! Weil wir einfach als Paar tolle Sachen neben dem Tennis erleben können und die Turnierreisen dadurch abwechslungsreicher werden.
„Ich will Kinder haben, wenn ich noch jung bin“
Antonio: „Ich habe Laura von Anfang an gesagt, dass ich gerne Kinder haben möchte, solange ich noch jung bin. Ich liebe Kinder und sobald ich eines sehe, fange ich sofort an, mit ihm zu spielen.“
Laura: „Antonio kann super mit Kindern umgehen. Ich weniger.“ (lacht)
Antonio: „Ich habe sehr junge Eltern und daher eine gute Beziehung zu ihnen, weil wir altersmäßig nicht so weit auseinander liegen. Ich will es genießen, ein relativ junger Vater zu sein und genug Energie für meine Kinder haben. Wir reden oft darüber. Aber wir werden es langsam ernsthafter besprechen müssen, Laura wird bald 37 Jahre alt.“
Laura: „Ich möchte auf jeden Fall Kinder. Mir ist schon klar, dass ich älter werde und die Risiken, ein Kind zu bekommen, steigen. Aber so richtig bereit fühle ich mich trotzdem noch nicht. Im Profisport muss man sehr auf sich bezogen und im richtigen Moment zu 100 Prozent fokussiert sein. Meine gesamte Karriere lang hat sich alles um mich gedreht, um die Frage: ‚Tue ich alles, um das Beste aus mir rauszuholen?‘ Früher war es für mich unvorstellbar, Kinder zu haben, solange ich noch auf der Tour spiele. Es war immer klar für mich, dass Familie und Kinder ein Kapitel nach meiner aktiven Karriere sind, wenn ich an einem festen Ort leben und sesshaft werden kann und will. Die Voraussetzungen, auf der Tour mit Kindern zu leben, haben sich allerdings deutlich verbessert. Es wäre zwar immer noch nicht mein Traumszenario, aber mittlerweile sogar vorstellbar für mich. Ich möchte in jedem Fall gerne noch ein paar Jahre spielen, wenn der Körper hält. Zumal ich aktuell großen Spaß dabei habe.“