Mit Boris Becker gegen den Absturz
Boris Becker hat bei der Davis-Cup-Relegation in Portugal seinen ersten offiziellen Auftritt als Head of Men's Tennis. Der Leimener soll allein mit seiner Anwesenheit dringend benötigte Kräfte für den Kampf gegen den Abstieg freisetzen.
von SID / red
zuletzt bearbeitet:
14.09.2017, 16:02 Uhr
Boris Becker kniff die Augen zusammen und blinzelte angestrengt in die portugiesische Spätsommer-Sonne. Die Frage nach dem möglichen Absturz in die sportliche Bedeutungslosigkeit behagte dem Tennis-Idol aus Leimen nicht. "Das sind für mich ungelegte Eier. Wir spielen auf Sieg. Alles andere findet in meinem Kopf nicht statt", sagte Becker energisch. Einen Tag vor Beginn der Davis-Cup-Relegation in Oeiras musste sich allerdings auch der neue Kopf des deutschen Männertennis mit dem drohenden Abstieg aus der Weltgruppe befassen. Ohne die Brüder Alexander und Mischa Zverev sowie Philipp Kohlschreiber stemmt sich im Clube de Ténis do Jamor eine deutsche B-Mannschaft gegen den Gang in die Zweitklassigkeit.
"Muss auf die Spieler zugehen"
Nur wenige Wochen nach seiner Rückkehr zum Deutschen Tennis Bund (DTB) ist Becker als Krisenmanager gefordert, dabei wollte der dreimalige Wimbledonsieger zunächst für das große Bild in der Öffentlichkeit zuständig sein. In Portugal muss er sich um die unerfahrenen Neulinge Tim Pütz und Yannick Hanfmann kümmern, die Interims-Nummer eins Jan-Lennard Struff starkreden und Cedrik-Marcel Stebe die Nervosität vor dem Auftakt am Freitag (12.00 Uhr MESZ, im Livestream auf tennisnet.com und DAZN) gegen den favorisierten Joao Sousa nehmen.
Unmittelbar nach seiner Ankunft am Mittwochabend nahm Becker daher seine Arbeit auf und ergriff beim offiziellen Teamdinner das Wort. "Ich muss auf die Spieler zugehen", erklärte er: "Ich hoffe, mit meiner Präsenz und meinen Worten ihnen etwas den Druck nehmen zu können." Becker ist sich seiner Rolle bewusst, er ist der Fixstern im deutschen Team, um den sich alles dreht, auf den alle Augen gerichtet sind.
Daher beeilte er sich auch, die Verantwortung von DTB-Kapitän Michael Kohlmann herauszustellen. "Wir haben uns in den letzten Wochen häufig ausgetauscht, aber er hat das letzte Wort. Michael entscheidet", sagte Becker. Während der Partien wird er in der Box hinter der Bande Platz nehmen, Kohlmann sitzt auf der Bank und hat direkten Einfluss auf die Spieler.
Becker als Ansporn
Rückkehrer Stebe, der Deutschland schon einmal vor dem Abstieg gerettet hatte, ehe er jahrelang mit Verletzungen kämpfte, setzt dennoch auf den Faktor Becker. "Er spornt uns an, mit seinen Tipps können wir hoffentlich noch besser spielen", sagte der kürzlich unter die Top 100 der Weltrangliste zurückgekehrte Linkshänder. Struff, mit vier Einsätzen der erfahrenste deutsche Davis-Cup-Spieler, hält Becker "für eine Bereicherung".
Auf den Weltranglisten-54. aus Warstein wird es in Portugal besonders ankommen, zumal er nach dem Start am Freitag gegen Pedro Sousa auch im Doppel am Samstag (15.30 Uhr MESZ auf DAZN) und im Spitzeneinzel am Sonntag (12.00 Uhr MESZ auf DAZN) gegen Joao Sousa zum Einsatz kommen kann. Struff traut sich das Mammutprogramm zu, gestärkt durch Beckers Zuspruch: "Er ist der Führungsspieler im Team und wird von seinen Kollegen als dieser akzeptiert."
Auch dank Struff beziffert Becker die Chancen auf den Verbleib in der Weltgruppe auf 50:50, "die Tagesform wird entscheiden", glaubt er. Kapitän Kohlmann sieht es ähnlich, "es wäre aber auch kein guter Einstieg, Boris zu widersprechen", scherzte der frühere Doppelspezialist. Nur eines wäre zum Start der nächsten "Becker-Ära" im deutschen Männertennis noch schlimmer: der Absturz in die Zweitklassigkeit nach 13 Jahren unter den 16 Top-Nationen.