Neue Serie - Mental-Coach Michael Berrer beantwortet Fragen zur "Mentalen Gesundheit", Folge 1
In unserer neuen Artikel-Serie beantwortet der ehemalige deutsche Tennisprofi Michael Berrer Fragen aus dem facettenreichen Themenbereich "Mentale Gesundheit".
von Stefan Bergmann
zuletzt bearbeitet:
25.01.2023, 18:54 Uhr
Ex-DTB-Spieler Michael Berrer ist voll im Leben nach der Tenniskarriere angekommen. Der heute 42-jährige Stuttgarter, der in seiner aktiven Sportlerlaufbahn bis auf Platz 37 des ATP-Rankings klettern konnte, arbeitet heute als Unternehmensberater und Mentalcoach. Zu seinen Klienten gehören Sportler als auch namhafte Unternehmen wie Porsche. Ziel ist es für Berrer immer, das Potential seiner Kunden so weit wie möglich auszuschöpfen. Auch tennisnet.com stand und steht der Davis-Cup-Starter Rede und Antwort. In einer mehrteiligen Artikel-Serie gibt der sympathische Baden-Württemberger Einblick und Expertisen zum Thema "Mentale Gesundheit".
tennisnet: Wir leben gerade wirklich in sehr fordernden Zeiten: Die Leute müssen aufs Geld schauen, müssen erst verarbeiten, was in den letzten drei Jahren alles auf der Welt passiert ist (Stichwort: Corona, Ukraine-Krieg). Viele haben wahrscheinlich auch im Beruf oder im Privaten einiges durchgemacht. Wie genau kann einem der Sport in so einer Situation helfen? Wie wirkt Sport denn eigentlich genau auf die Psyche?
Michael Berrer: Sport ist natürlich zum einen ein ganz, ganz wichtiges Mittel, um Stress abzubauen. Ich kann mal loslassen. Jeder hat dafür andere Methoden. Ich habe zB. ein ganz klares, strukturiertes Programm, das ich eigentlich immer so durchziehe. Das heißt, ich mache dreimal in der Woche ein gezieltes Krafttrainings-Programm. Dann gehe ich zweimal in der Woche laufen und versuche natürlich, so oft es geht, auf den Tennisplatz zu kommen. Und ich merke einfach, dass der lockere Lauf nicht nur kardiovaskulär ganz, ganz wichtig für mich ist. Da kann ich loslassen. Da brauche ich auch nicht immer unbedingt Musik dafür, sondern da höre ich auch viele Hörbücher. So kann man sich parallel zum Training auch gleich weiterbilden. Oder ich laufe einfach und fokussiere mich. Damit trainiert man ja auch gleich seine Aufmerksamkeit - für sich selbst und für seine Umgebung.
Aufmerkskeits- und Achtsamkeitsübungen sind ja gerade extrem in...
Exakt. Es gibt tolle Studien, die haben Wissenschaftler aus den USA erstellt. Der Titel deren Paper ist "A wandering mind is an unhappy mind". Und das ist ja genau das. Ich versuche auch meinen Medienkonsum so zu steuern, denn wenn ich jeden Tag Zeitung lese oder Google News, dann weiß ich, ich bin in zwei Wochen komplett in der Depression. Da glaubt man ja jedes Mal, die Welt bricht zusammen. Da kommen Meldungen wie: "Los, Vorrat anschaffen", "Der Strom wird ausfallen" oder "Wir werden kein Gas mehr haben". Ich kann natürlich nicht beurteilen, ob das wirklich passiert. Ich habe dazu das eine oder andere Buch gelesen und bin vielleicht in gewisser Weise vorbereitet. Aber irgendwann muss ich ja auch mal wieder leben, muss mich auf das Hier und Jetzt fokussieren. Und ich glaube, der Sport ist da ein ganz, ganz wichtiges Tool und da hat jeder auch seine eigenen Vorlieben, Das kann ein Spaziergang an der frischen Luft sein, ein heftiger Lauf, ein High-Intensity-Training oder auch ein Krafttraining.
Wie bist Du auf Dein richtiges Trainingsprogramm gekommen?
Ich habe so eine bestimmte Mischung für mich entdeckt, weil ich gemerkt habe, dass ich Krafttraining brauche. Weil ich dadurch auch meinen kompletten Torso stabil halte. So fühle ich mich fit, Ich habe auch keine Gewichtsprobleme dadurch. Der Lauf, der macht meinen Kopf frei. Und das Tennis schafft für mich eine Ablenkung und ist Motivation zugleich. Es ist einfach meine größte Leidenschaft. Das heißt, wenn ich auf den Tennisplatz gehe, geht bei mir ein Lächeln an, und ich finde es geil, dem Ball hinterherzujagen. Und ich glaube, deswegen ist Sport so wichtig, weil er sich einfach positiv auf unsere Psyche auswirkt. Weil wir Stress abbauen können. Manchmal müssen wir vielleicht auch den Sport nutzen, um einen gewissen Stress zu erzeugen, um im Gleichgewicht zu bleiben, denn ich bin auch ein großer Verfechter davon, dass wir schon ein gewisses Level von Belastung und Stress brauchen. Aber im Sport kann ich dieses ja selber wählen.
Und wie wichtig ist die Ernährung bei alldem?
Ernährung ist auch ein ganz wichtiges Thema, wenn es um Mentale Gesundheit geht. Ich bin vor ein paar Monaten durch meinen alten Trainer auf das Thema Intervall-Fasten gekommen. und das war für mich mega. Da hatte ich plötzlich wirklich etwas unter 96 Kilo. Ich bin als Profi nie unter 100 Kilo gekommen und fühle mich trotzdem voller Energie. Es macht auch mega Spaß, damit zu experimentieren. Natürlich ist es auch ein bisschen leiden. Dabei mache ich das ganz rudimentär. Ich esse nach 20:00 Uhr nichts mehr und esse erst wieder am nächsten Tag ab 12:00 Uhr. Das ist mein 16:8-Intervall. Es ist mega spannend, was dann in dir passiert. Du fühlst dich entgiftet und voller Energie.
Fazit dieser Folge: Wir brauchen immer wieder Dinge, die uns einfach gut tun. Und dann brauchen wir wieder ein bisschen die Challenge. Es sagt ja auch die Wissenschaft: Sport und Bewegung gehört dazu, um im mentalen Gleichgewicht zu bleiben.
Wenn Du Fragen zum Thema "Mentale Gesundheit im Sport" hast, schicke sie uns gerne an: redaktion@tennisnet.com. Wir leiten Deine Frage (auf Wunsch anonym) an Michael Berrer weiter und werden sie in den kommenden Ausgaben hier veröffentlichen. Gemeinsam schaffen wir Bewusstsein für die Notwendigkeit von mentaler Gesundheit!