Patrik Kühnen im Interview: „Man bräuchte dreifache Security für Björn Borg.“
Patrik Kühnen ist seit 18 Jahren Turnierdirektor der BMW Open. Aus Leidenschaft. Das merkt jeder, der mit dem ehemaligen Profi und Davis-Cup-Kapitäns Deutschland ein Interview führen darf.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
17.04.2025, 12:33 Uhr

Tennisnet: Herr Kühnen. Es ist Mittwoch. Erstmals gibt es ein 500er in München. Wie fällt Ihr Resümee bis jetzt aus? Wir sind alle ganz platt, weil das Wetter so schön ist. Wir kennen uns überhaupt nicht mehr aus.
Patrik Kühnen: Das gute Wetter spielt natürlich positiv mit rein, keine Frage. Und es ist immer unser Wunsch, dass alle Tennisfans und auch die Spieler, alle, die hier sind, diese neun Tage ein Tennisfest feiern können. Das perfekte Tenniswetter bereichert für die Spieler wie auch für die Zuschauer das Turnier enorm. Ich kann bisher eigentlich nur Pluszeichen vergeben. Und wenn ich sehe, mit welcher Begeisterung die Fans zu uns kommen, mit welcher Begeisterung auch die Spieler mir Feedback geben zu dem neuen Status, den wir haben als 500er-Turnier, ist das ganz wunderbar. Und wir haben es, finde ich, auch ganz gut hinbekommen, trotz der vergrößerten Anlage des neuen, überwältigenden Center Courts, die Atmosphäre beizubehalten. Wir spielen nach wie vor im Tennisclub.Die Verbindung Spieler-Fans, Fans-Spieler ist uns, glaube ich, auch dieses Jahr so gut gelungen.
Tennisnet: Sie haben am letzten Freitag ja gemeint: Wenn die erste Nennliste rauskommt, dann hofft man in erster Linie, dass sich niemand verletzt. Und jetzt hat es halt leider ein paar Absagen gegeben: Monfils, Fritz, Lehecka.
Kühnen: Das sind Dinge, die ich nicht beeinflussen kann. Dass es immer wieder Verletzungen gibt, dass Spieler, die hier sind, die spielen wollen, die hier trainieren, die angereist sind, die sich ja zwei, drei Tage vorbereitet haben fürs Turnier, dann doch kurzfristig selbst nicht spielen können, ist für die Spieler bitter. Weil die Jungs ja hier auch ihre Punkte erspielen wollen. Es ist im Leistungssport generell so, dass solche Dinge passieren, im Tennis natürlich auch. Aber ich glaube, man kann schon sagen, dass wir trotzdem absolutes Weltklasse-Tennis in diesen Tagen erleben. Es tun sich zugleich ja auch Chancen für andere Spieler auf. Ein Jakub Mensik war zu Beginn der Meldeliste nicht im Hauptfeld, ist reingerutscht. Ein Luciano Daderi, der jetzt gerade in das Viertelfinale eingezogen ist und in diesem Jahr schon Marrakech gewonnen hat, war am Anfang auch nicht im Hauptfeld. Und dazu kommen eben auch die Wildcards, die man auch nicht außer Acht lassen darf. Dieses Jahr sind sie nur an deutsche Spieler gegangen mit Daniel Altmaier, Justin Engel und Yannick Hanfmann. Und da sieht man auch mal, wie eng das zusammenliegt. Yannick Hanfmann hat dann gestern gegen Jakub Mensik gewinnen können.
Patrik Kühnen: “Tennis ist ein harter Weg”
Tennisnet: Lassen Sie uns auf zwei Deutsche eingehen. Justin Engel hat, wie erwähnt, eine Wildcard für das Hauptfeld bekommen, Diego Dedura-Palomero eine für die Quali. Verliert dann gegen Alexander Bublik, kommt aber als Lucky Loser rein. Und Sie haben ja auch Alexander Zverev gefördert, indem Sie ihm 2014 mit einer Wildcard aushalfen.
Kühnen: Mit 16 Jahren. Mit 16 Jahren hat Sascha seine Wildcard bekommen. Damals hat er gegen Jürgen Melzer gespielt. Da war Jürgen in Topform und hat das Match glatt gewinnen können. Aber man sieht, was daraus entstehen kann. Wenn man junge Spieler ins kalte Wasser wirft. Es war eigentlich ähnlich mit Casper Ruud, später dann bei Holger Rune. Und jetzt haben wir eben in Deutschland Justin Engel. Für uns ist es selbstverständlich, wenn wir eine Chance haben, den Spieler zu unterstützen, eben auch mal hier bei diesem 500er-Turnier in einer Kategorie, in der er ja sonst nie spielt, trotzdem die Chance zu geben anzutreten. Was ja nicht heißt, dass der Spieler nicht trotzdem seine Hausaufgaben machen muss und an seinen Zielen weiterarbeiten muss. Das ist ein harter Weg.
Tennisnet: Justin Engel hat am Dienstag gegen Fabian Marozsan in zwei Sätzen verloren.
Kühnen: Marozsan ist ein toller Spieler, der viel mehr Erfahrung hat als Justin Engel. Aber es ist auch für Justin ein Match, aus dem er sehr viel lernen kann. Und da gilt es eben auch für ihn hinzuschauen, okay, was ist die Message hier bei dieser Niederlage? Warum habe ich verloren? Wo war der andere besser? Was brauche ich noch, um weiter nach vorne zu kommen, dass ich die nächsten Matches auf diesem Niveau gewinne? Und das sind wichtige Informationen, die er rausziehen kann, wenn er wirklich hingeht und dieses Match in aller Deutlichkeit für sich analysiert.
"Wer war damals nicht Fan von Björn Borg?”
Tennisnet: Der MTTC Iphitos ist ja ein Club, bei dem die Spieler eigentlich aufgefordert sind, ganz in Weiß zu spielen. Also klassisch. Da fällt vielen Tennisfans als erstes natürlich das Outfit von FILA ein, mit dem Björn Borg in Wimbledon mehrmals triumphiert hat …
Kühnen: Wer war damals nicht Fan von Björn Borg? Ich in jungen Jahren ja auch! Als ich 11, 12, 13 war, habe ich zuerst den Donnay Allwood, dann den Donnay Björn Borg gespielt. Der hatte oben am Rahmen diese weiße Kunststoffschicht. Und ich war früher auch immer in Italien mit meinen Eltern im Urlaub und die legendäre Björn Borg Kollektion von FILA, die heute ja retro ist, mit den Streifen, klar haben wir die alle gehabt.

Tennisnet: Und es funktioniert ja immer noch. Es gibt ja in New York den FILA-Shop bei den US Open, wo genau dieses T-Shirt nach wie vor verkauft wird. Warum fühlt sich das immer noch so richtig an? Ist das nur in der Person Björn Borg festzumachen? Oder ist das einfach ein zeitloser Stil, der halt einfach immer noch passt?
Kühnen: Ich glaube, dass Björn Borg die Menschen weltweit inspiriert hat. Er war der erste Tennis-Popstar, wenn man das so sagen darf. Und ist immer noch eine absolute Ikone. Also wenn Björn Borg jetzt heute hier auf der Anlage wäre, den würde jeder sofort erkennen. Man bräuchte dreifache Security für Björn. Und die angesprochene FILA-Kollektion ist heute als Retro-Kollektion selbstverständlich immer noch absolut bei den Tennis-Fans und darüber hinaus bekannt, weil man sie einfach mit Björn Borg verbindet.
Tennisnet: Sie sind seit 2008 Turnierdirektor in München. Haben Sie noch eine Geschichte, die Ihnen besonders am Herzen liegt, für uns.
Kühnen: Ich freue mich immer, wenn die deutschen Spieler hier gut spielen. Das liegt in der Natur der Sache. Ich muss aber auch sagen: Es war eine tolle Geschichte für mich, die Entwicklung zu sehen, als Holger Rune erstmals zu uns kam. Ich war schon im Austausch mit seinem Manager, total nett, und habe auch gesehen, dass Holger Rune 14 Tage vor unserem Turnier in San Remo den Challenger gewonnen hat. Im optimalen Fall gibt man einem jungen Spieler eine Wildcard, der gerade viel Selbstvertrauen hat. Das ist dann ein toller, ein perfekter Moment eigentlich. Ich habe mir gesagt: Der kommt, Holger wird Top-Ten-Spieler, und das machen wir jetzt. Und dann habe ich ihn und sein Management kontaktiert. Eine halbe Stunde später bekomme ich eine Nachricht von Holger Rune auf Instagram. Er war der erste Spieler, der mir auf Insta geschrieben und gesagt hat, Mensch Patrick, Herr Kühnen damals, vielen, vielen Dank für die Wildcard, vielen Dank für das Vertrauen. So nach dem Motto: Ich weiß nicht, wie ich spielen werde, aber ich kann Ihnen versprechen, ich werde kämpfen wie ein Löwe. Dann schlägt er Alexander Zverev, feiert nach dem Viertelfinale seinen 18. Geburtstag hier bei uns auf dem Center Court. Und gewinnt schließlich auch noch das Turnier.
Hier das Einzel-Tableau in München