Rassismus? Eklat um Köllerer
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
26.06.2010, 08:51 Uhr
Kommende Woche soll Daniel Köllerer bei den Österreichischen Staatsmeisterschaften in Oberpullendorf für einen Fan-Ansturm sorgen. Beim derzeit laufenden Challenger in Reggio Emilia sorgte er für einen Eklat. Droht die nächste Sperre?
September 2004: Daniel Köllerer gerät beim Challenger in Genua mit dem mittlerweile verstorbenen Italiener Federico Luzzi aneinander. Es kommt zu Handgreiflichkeiten. Köllerer wird nach einer bereits zuvor ausgesprochenen Verwarnung von der ATP für acht Wochen gesperrt.
Februar 2006: Köllerer beleidigt in der Qualifikation des ATP-Turniers von Acapulco die (nicht anwesende) Mutter von Nicolas Almagro. Er wird von der ATP daraufhin für sechs Monate gesperrt. Köllerers Verteidigung: Er habe auf Spanisch „schöner Ball“ gesagt.
Oktober 2006: Köllerer treibt in Südamerika Spieler, Trainer und Offizielle zur Weißglut. Der damalige Coach des Italieners Fabio Fognini, Leonardo Caperchi, richtet nach der Niederlage seines Schützlings einen Brief an die ATP, verbunden mit der Aufforderung, Köllerer lebenslang zu sperren. Rund 200 Profis unterschreiben ihn, auch die Österreicher Rainer Eitzinger, Marco Mirnegg und Werner Eschauer.
September 2008: Köllerer bezeichnet bei einem Challenger in Trnava in der Slowakei die Ballkinder als „Tschernobyl-Idioten“. Er kauft den Kindern daraufhin als Entschuldigung Süßigkeiten.
Daniel Köllerers Liste der Entgleisungen ist lang – die obige Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dieser Tage hat der Oberösterreicher nun ein weiteres Kapitel seiner verhaltensauffälligen Karriere-Story geschrieben. Der 26-Jährige, kommende Woche Top-Star der Österreichischen Staatsmeisterschaften in Oberpullendorf, soll beim derzeit laufenden Challenger in Reggio Emilia in Italien am Dienstag in der ersten Runde Julio Silva rassistisch beleidigt haben: Köllerer soll seinen dunkelhäutigen Gegner als „Affe“ bezeichnet und ihm Sätze wie „Geh zurück in den Dschungel“ an den Kopf geworfen sowie später mit Kratzen unter den Armen einen Affen imitiert haben. Der Brasilianer erstattete daraufhin Anzeige bei der örtlichen Polizei.
Zunächst meldeten brasilianische Medien den Vorfall. tennisnet.com ging den Gerüchten nach und konfrontierte den Vorarlberger Philipp Oswald, derzeit in Reggio Emilia im Einsatz, mit den Vorwürfen gegen Köllerer. Oswald: „Ich habe diese spezielle Partie gegen Silva nur teilweise gesehen, da ich zur selben Zeit trainiert habe. Aber genau das soll er gesagt und getan haben. Man liest überall, wie gut er sich beim Davis Cup und bei großen Turnieren benimmt. Hier spielt er zwar gut – aber er benimmt sich daneben.“ Oswald weiter: „Beim Essen hat er sich zu uns gesetzt. Ich bin danach von den anderen Spielern sofort auf sein Verhalten angesprochen worden. Aber für mich ist das alles nichts Neues, er hat sich genau so aufgeführt wie früher auf der ÖTV-Tour.“
Im Gegensatz zu Oswald hat Martin Slanar weite Strecken des Matches zwischen Köllerer und Silva gesehen. Der Wiener, ebenfalls derzeit als Spieler in Reggio Emilia, ist Mannschaftskollege von Köllerer beim Bundesliga-Klub UTC Hohe Brücke Strassburg, hatte mit Österreichs Nummer zwei selbst vor den Vorfällen in Reggio Emilia keine Probleme. Slanar spricht offen darüber, was sich in Italien derzeit abspielt und verrät, dass – wie 2006 in Südamerika – sogar eine Unterschriftenliste kursiert, welche die ATP dazu bringen soll, erneut eine Sperre gegen Köllerer auszusprechen.
Martin, was ist bei Daniels Spiel gegen Silva wirklich passiert?
Eigentlich das Übliche. Daniel hat sich wie immer aufgeführt. Und dazu hat er noch rassistische Äußerungen von sich gegeben.
Was für Äußerungen? In Spielerkreisen ist von „Affe“ und „Geh zurück in den Dschungel“ die Rede.
Das war definitiv dabei. Und viele ähnliche Kommentare. Einmal hat Silva etwa laut „Vamos“ geschrieen, um sich zu pushen. Daniel hat darauf gesagt: „Der brüllt wie ein Affe im Urwald.“
Hast du noch weitere Aussagen in diese Richtung mitbekommen?
Daniel hat so vieles gesagt und getan, dass ich es mir schon gar nicht mehr merken kann. Ich bin außerdem weiter oben gesessen und hab auch nicht alle Sachen im Detail gehört. Aber er hat Schiedsrichter, Gegner und Zuseher beschimpft. Was soll man da noch sagen?
Wie hat Silva auf diese Beschimpfungen und Gesten reagiert?
Er hat versucht, mit Daniel zu reden, ist ans Netz gegangen und hat nach ihm gerufen. Daniel ist aber nicht hingegangen. Sonst hat sich Silva sicherlich mehr als sonst gepusht – aber das war’s. Ein deutscher Freund von ihm, der Qualifikation gespielt hat, Christian Mohs, hat aber alles verstanden, es ihm nach der Partie gesagt und Silva hat darauf bei der Polizei Anzeige erstattet. Auch der Schiedsrichter hat Deutsch gesprochen.
Und der hat Köllerer trotzdem nicht disqualifiziert?
Offenbar spricht er es nicht gut genug und hat nicht alles verstanden. Daniel hat aber eh wie in fast jedem Match Verwarnungen und auch Strafpunkte bekommen. Das war auch im Achtelfinale gegen Flavio Cipolla nicht anders. Ich bin bei der Partie sogar weggegangen, weil es mir einfach zu peinlich war.
Was war da los?
Da war sein Verhalten sogar noch ärger als gegen Silva, die Partie war von beiden sehr hitzig. Dabei ist Cipolla normal einer, der kein Wort sagt – nur gegen Köllerer dreht er durch.
Woher kommt das? Ist das nur Daniels Schuld?
Daniel ist zumindest immer derjenige, der beginnt. Das fängt damit an, dass er einen Punkt verliert, sich ärgert und dann irgendwelche Mätzchen macht. Er versucht den Gegner ständig aus dem Rhythmus zu bringen, entweder mit Worten oder indem er beim zweiten Aufschlag stört. Wenn die Gegner sich dann ein bisschen revanchieren, dreht Daniel durch. Jetzt ist sogar eine Unterschriften-Aktion gegen ihn im Gang.
Wer hat die initiiert?
Der Vater von Cipolla. Dem hat’s nach den Vorfällen mit Köllerer und seinem Sohn gereicht. Er will damit erreichen, dass Köllerer von der ATP wieder gesperrt wird.
Hast du die Liste unterschrieben?
Ja, das habe ich.
Wer noch?
Eigentlich alle Spieler und Trainer, mit denen ich geredet habe – und das waren einige. Ich werde dauernd auf Daniel angesprochen. Als ich am Donnerstag unterschrieben habe, waren da schon etwa 40 bis 50 andere Unterschriften.
Was ist aus der Anzeige geworden?
Der Supervisor hat mir nach meinem Doppel-Semifinale am Freitag Nachmittag einen Brief von der Polizei in die Hand gedrückt. Dort ist dringestanden, dass ich mich als einer der Zeugen der Vorfälle zwischen Köllerer und Silva innerhalb von 72 Stunden einem Verhör stellen muss.
Und das hast du gleich gemacht?
Ich wurde schon davor von Spielern gefragt, ob ich freiwillig zur Polizei gehe und eine Aussage mache. Aber ich wollte nicht in Österreich zum Buhmann werden als jemand, der gegen einen Landsmann aussagt. Durch diese Vorladung musste ich natürlich hingehen. Und da ich nach dem Doppel-Finale weiter zum Challenger in Braunschweig muss, hab ich das sofort gemacht.
Was dich sicher mäßig gefreut haben wird.
Das kann man so sagen. Ich war zwei Stunden auf der Polizeistation, dort waren auch Dolmetscher. Lustig war das alles nicht.
Wer hat bisher noch ausgesagt?
Vor mir waren noch drei, vier weitere Spieler dort, glaube ich. Und Daniel natürlich auch.
Wie begegnen ihm die anderen Spieler nach all diesen Geschehnissen?
Verhalten. Niemand will mit ihm essen, niemand will mit ihm trainieren, niemand will ihn einschlagen. Vor seinem Viertelfinale am Freitag hat er sich glaub ich überhaupt nicht einschlagen können.
Lässt Daniel das alles kalt?
Er ist ja immer der Arme und Unschuldige. Er kommt nach einem Match her und sagt „es provozieren mich alle“. Das stimmt einfach nicht. Es geht immer von ihm aus. Man muss sich für ihn einfach genieren. Und zwar nicht nur, wenn er auf dem Platz ist. Sondern einfach überall. Er fährt die Leute an, ist permanent unhöflich, schimpft im Restaurant mit dem Kellner, wenn er nicht sofort da ist.
Du bist ja sein Klubkollege beim UTC Hohe Brücke Strassburg. Wie hat er sich denn dort während der Bundesliga verhalten?
Da gab es ja den Zwischenfall mit Stefan Koubek. Da hat er mir übrigens in Reggio Emilia gesagt, dass er Koubek tatsächlich „Wichser“ genannt hat. In der Öffentlichkeit hat er das ja abgestritten.
Abgesehen von diesem einen Zwischenfall hat man aber bei der Bundesliga nichts über ihn gehört.
Sonst war er auch relativ normal. Am Abend hatten wir’s alle auch immer sehr lustig. Ich hab mir gesagt, ich schaue mir seine Partien in Reggio Emilia an und hab anfangs sogar mit ihm hier trainiert. Ich hatte vorher keine großen Probleme mit ihm und wollte ihm eine Chance geben. Aber das ist jetzt vorbei.
Wie hast du ihm das zu verstehen gegeben?
Ich hab ihm im Restaurant gesagt, dass er sich wegsetzen soll und ich nichts mit ihm zu tun haben will. Ich hab ihm auch gesagt, wie peinlich ich sein Verhalten finde. Er hat mich darauf nur gefragt „Du hast schon die ganze Partie gesehen?“ – als ob er wieder mal der Unschuldige war. Ich hab dann nicht länger mit ihm geredet und er ist gegangen. Es sind davor schon viele Spieler zu mir hergekommen und haben mich gefragt „Wie kannst du nur mit so einem Arschloch zusammensitzen?“. Das will ich auch nicht mehr.
Wie willst du das dann machen, wenn ihr am 10. September für Strassburg im Meister-Play-off der Bundesliga spielt?
Das weiß ich selbst noch nicht. Ich werde ihn sicher meiden. Nur wenn’s nicht anders geht, werd ich bei der Bundesliga auch am selben Tisch mit ihm sitzen. Aber es ist noch viel Zeit bis dahin, da muss man warten. Viele Pluspunkte hat er bei mir in Reggio Emilia jedenfalls nicht gesammelt.
P.S.: tennisnet.com hatte Daniel Köllerer selbst und seinen Manager Manfred Nareyka bereits davor per Mail und SMS um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten. Köllerers Antwort erreichte die Redaktion spät abends:
„Ich habe ihn weder als "Monkey" beschimpft noch habe ich irgendwelche rassistischen Gesten gemacht!
Ich hatte bei diesem Match einen deutschsprachigen Stuhlschiedsrichter, der keine Verwarnung ausgesprochen hat!
Der Supervisor wiederum schon … welche dann nach dem Match zurück genommen wurde (nach Aussprache mit Stuhlschiedsrichter)!
Gute Nacht.“
Recherche: Bernt Baumgartner, Manuel Wachta. Interview: Manuel Wachta