Sascha allein in New York: Zverev wandelt bei den US Open auf Beckers Spuren
Alexander Zverev spielt bei den US Open zum zweiten Mal um den Einzug ins Finale eines Grand-Slam-Turniers. Nicht nur Boris Becker attestiert ihm einen bemerkenswerten Reifeprozess.
von SID
zuletzt bearbeitet:
11.09.2020, 06:46 Uhr
Die Gelegenheit könnte besser nicht sein für Alexander Zverev. Novak Djokovic ist mit Schimpf und Schande rausgeflogen aus den US Open, Rafael Nadal und Roger Federer waren gar nicht erst angereist. Vier Jahre lang beherrschten die großen Drei die vier Grand Slams, nun geht ihre Serie von 13 Triumphen nacheinander zu Ende. "Es wird", hatte Zverev nach dem Rauswurf von Djokovic lapidar festgestellt, "einen neuen Grand-Slam-Champion geben. Nun wird es interessant."
Die deutsche Nummer eins scheint jedenfalls bereit für den großen Wurf. "Ich habe ein sehr gutes Gefühl, dass das noch weiter gehen kann", sagte Davis-Cup-Kapitän Michael Kohlmann vor dem Halbfinale von Zverev gegen den Spanier Pablo Carreno Busta (Freitag ab 22.00 Uhr MESZ) bei Eurosport. Wie weit? "Er hat sicherlich die Chance, den Titel zu gewinnen", ergänzte Tommy Haas, 2009 in Wimbledon als letzter Deutscher vor Zverev im Halbfinale eines Grand Slams.
Zverev auf den Spuren von Schüttler oder Becker?
Wie es sich anfühlt, bei einem der vier Major-Turniere zu den letzten vier Spielern zu gehören, weiß Zverev seit Januar, als er die Vorschlussrunde in Melbourne erreichte. Damals unterlag er seinem Kumpel Dominic Thiem aus Österreich, deshalb betonte er nun: "Es soll hier definitiv nicht enden." Auf Thiem (Nr. 2) oder den Vorjahresfinalisten Daniil Medwedew (Russland/Nr. 3) könnte Zverev (Nr. 5) im Finale treffen.
Als bisher letzter Deutscher hatte Rainer Schüttler 2003 bei den Australian Open ein Grand-Slam-Finale erreicht - und glatt gegen Andre Agassi (USA) verloren. Boris Becker war 1996 ebenfalls in Australien der bislang letzte deutsche Major-Sieg gelungen, er war 1995 auch der letzte Deutsche, der bei den US Open und innerhalb eines Jahres bei zwei Grand Slams im Halbfinale stand.
Dass Zverev nun in seinen Fußstapfen läuft, erklärt auch der dreimalige Wimbledonsieger Becker mit dessen Reifeprozess: "Ich finde, dass er doch einige Schritte gemacht hat." Dazu gehöre auch die Tatsache, dass Zverev die US Open "alleine, ohne sein familiäres Umfeld bestreiten muss, auch sein neuer Trainer David Ferrer ist nicht da. Also muss er erwachsen werden."
Zverev ist reifer geworden
Kohlmann ist diese durchaus rasante Entwicklung bei Zverev nicht entgangen. "Er wirkt erwachsener, er wirkt sehr ruhig und ausgeglichen. Gerade in den Matches, in denen es nicht so gut läuft, bleibt er ruhig und versucht, Lösungen zu finden", sagte der Davis-Cup-Kapitän und betonte: "Ich habe das Gefühl, dass New York ihn nochmal reifer macht, weil er sich voll auf Tennis konzentrieren kann." Auch Haas bemerkte bei Eurosport: "Er ist super reif."
Gegen Halbfinalgegner Carreno Busta hat Zverev bislang nur einmal gespielt: 2018 beim Masters-Turnier in Miami siegte er gegen die aktuelle Nummer 27 der Weltrangliste mit 7:6 (7:4), 6:2. Für den 29 Jahre alten Spanier, geboren in Gijon, ist es nach den US Open 2017 ebenfalls die zweite Teilnahme an einem Grand-Slam-Halbfinale. Vor drei Jahren verlor er gegen Kevin Anderson (Südafrika). Randnotiz: Zu Carreno Bustas Vorbildern gehört Zverevs Coach David Ferrer.
Auch Zverev glaubt freilich, dass er in New York noch längst nicht auf dem Höhepunkt seines Leistungsvermögens angekommen ist: "Ich glaube, dass ich noch ein paar Dinge verbessern kann. Und das gibt mit Selbstvertrauen." Und dass Djokovic, Nadal und Federer nicht oder nicht mehr dabei sind, "das ist", sagte Thiem, "bei uns sicher im Hinterkopf". Aber nur dort, denn: "Jeder der jetzt noch dabei ist, hat es auch verdient."