ServusTV-Experte Christopher Kas: „Dominic Thiem erinnert sich gerne an Félix Auger-Aliassime“

Christopher Kas wird als Experte bei ServusTV an der Seite von Andrea Schlager die Australian Open begleiten. Im Interview mit tennisnet.com geht der Ex-Profi und aktuelle Coach von Noma Noha Akugue auch auf die Chancen der Österreicher ein.

von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet: 13.01.2024, 11:20 Uhr

Dominic Thiem geht gut gelaunt in die Australian Open 2024
© Getty Images
Dominic Thiem geht gut gelaunt in die Australian Open 2024

tennisnet: Herr Kas. Sie sind nun ja schon längere Zeit in Australien. Warum macht es Sinn, so früh als möglich nach Down Under zu reisen?

Christopher Kas: Ich bin schon am 25. Dezember mit Noma Noha Akugue, einer jungen deutschen Spielerinnen, die im vergangenen Jahr in Hamburg das Finale erreicht hat, losgeflogen. Wir arbeiten seit etwa vier Woche zusammen. Noma hat an ein Vorbereitungsturnier in Canberra gespielt und dann erstmals an der Qualifikation für die Australian Open teilgenommen.  Wir sind auch deshalb so früh geflogen, weil es doch eine gute Woche dauert, bis man voll belastungsfähig ist. Wir sprechen von zehn Stunden Zeitunterschied, einem sehr, sehr langen Flug, der einem in den Knochen steckt. Da ist es gar nicht so leicht, von Anfang an in den richtigen Essens- und Schlafrhythmus zu kommen.

tennisnet: Novak Djokovic hat beim United Cup leichte Verletzungsprobleme gehabt. Wie ist Ihr Eindruck vor Ort  vom Titelverteidiger bei den Männern?

Christopher Kas: Novak war beim United Cup tatsächlich angeschlagen. Aber wenn wir uns an die Australian Open im letzten Jahr erinnern, da wussten wir ja überhaupt nicht, ob er die Matches in der zweiten, der dritten Runde überhaupt zu Ende spielen kann. Da hat er richtig große Probleme mit dem Bein gehabt. Deshalb möchte ich in so eine „kleinere“ Geschichte bei Novak Djokovic nicht zu viel hinein interpretieren. Er wird eine Möglichkeit finden, topfit in das Turnier zu starten. Ich habe mir auch ein paar Trainingseinheiten angesehen - da ist von Einschränkungen nichts zu erkennen. Novak wird fit sein - und ist der absolute Topfavorit.

"Sebastian Ofner hat ein großartiges Jahr 2023 hingelegt"

tennisnet: Dominic Thiem darf zum Auftakt gegen Félix Auger-Aliassime ran. Ist diese Aufgabe aus Ihrer Sicht machbar?

Christopher Kas: Das Ist ein sehr interessantes Los. Félix Auger-Aliassime hat 2021 und vor allem 2022 sein bestes Tennis gespielt, ist bis auf Platz sechs in der Weltrangliste geklettert. Da dachte man: Da ist einer, der auch um die Grand-Slam-Titel mitspielt. Und im letzten Jahr war es dann nicht so einfach für ihn - auch weil er immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen wurde. Er ist bis zu seinem Turniersieg in Basel im Herbst nicht in den richtigen Flow gekommen, hat die Selbstverständlichkeit in seinem Spiel verloren. Die Frage ist, ob er seine Form nun wieder finden kann. Er hat schließlich nur ein Vorbereitungsturnier gespielt. Und dort in der ersten Runde verloren. Ich bin selbst gespannt, wie er sich präsentiert. Dominic erinnert sich gerne an ihn: Weil er hat Félix auf dem Weg zum US-Open-Titel 2020 geschlagen.

tennisnet: Sebastian Ofner hat mit Thanasi Kokkinakis ein interessantes Los gezogen. Wie schätzen Sie die Chancen der österreichischen Nummer eins ein?

Christopher Kas: Ofi hat ein großartiges Jahr 2023 hingelegt, hat sich konstant weiter entwickelt, sein Spiel permanent verbessert. Und ist super in die neue Saison gestartet. Ich habe auch mit Jan-Lennard Struff gesprochen, der gegen Ofi in Hongkong knapp verloren hat. Struffi hat auch gesagt, dass es extrem schwierig war, gegen Ofi zu spielen. Er schlägt gut auf, hat kaum mehr Schwächen im Spiel, geht jede Rallye mit. Und er wird fit sein. Aber er wird natürlich nicht nur gegen Thanasi Kokkinakis, sondern auch gegen das Publikum. Nicht vergessen: Kokkinakis hat mit Nick Kyrgios 2022 das Doppel bei den Australian Open gewonnen, ist hier einer der großen Publikumslieblinge. Das ist ein Match, auf das ich mich aus vielen Gründen freue. Es wird sportlich toll werden, von der Stimmung her auch. Und wir hoffen natürlich, dass der Ofi die Form aus Hongkong mitnehmen kann.

"Jannik Sinner hat extrem lange gespielt"

tennisnet: Erstmals wird bei den Australian Open am Sonntag gestartet …

Christopher Kas: Das ist in Spielerkreisen kein großes Thema. Man wusste, dass das früher oder später kommen würde. Paris hat es ja vorgemacht. Die Profis tragen sich einfach einen Tag früher in den Kalender ein. Für die Fans vor Ort, aber auch für die TV-Zuschauer zuhause ist es aber toll, schon am Sonntag zu starten. Was gibt es Besseres als am Sonntag um neun Uhr den Fernseher einzuschalten, und bei ServusTV Novak Djokovic zu sehen?

tennisnet: Jannik Sinner, Carlos Alcaraz und Daniil Medvedev haben darauf verzichtet, bei einem Vorbereitungsturnier anzutreten. Kann das zum Problem werden?

Christopher Kas: Das ist bei jedem anders. Jannik Sinner hat im vergangenen Jahr extrem lange gespielt, mit den ATP Finals und dann noch dem Davis-Cup-Triumph. Da war klar, dass er sich ein, zwei Wochen mehr Saisonvorbereitung geben und kein Turnier spielen wird. Alcaraz hat in der Rod Laver Arena in den letzten Tagen zwei Exhibition-Matches gespielt. Das ist im Endeffekt ja ähnlich zu seinem Vorbereitungsturnier. Und Medvedev hat mittlerweile so viel Erfahrung, hat hier zweimal Finale gespielt, der weiß schon, was er tut. Aber das werden wir wohl häufiger sehen, weil den Spielern eine zusätzliche Woche in der Vorbereitung wichtiger wird.

tennisnet: Alexander Zverev hat maßgeblich dafür gesorgt, dass Deutschland den United Cup gewonnen hat. Wie weit kann die Euphorie die deutsche Nummer eins tragen?

Christopher Kas: Sascha kommt mit der wohl nahezu perfekten Vorbereitung nach Melbourne. Weil es geht ja nicht nur um die Fitness und die Matches, sondern auch um die emotionale Komponente. Und die Emotionen waren beim United Cup sehr hochgedreht. Ich habe Sascha auf meiner Liste der Favoriten ganz weit vorne. Nämlich mit Jannik Sinner ganz knapp hinter Novak Djokovic. Die erste Runde gegen Dominik Koepfer ist tricky. Dominik hat in Canberra ein 125er-Challenger-Turnier gewonnen. Da wird Sascha gleich zum Auftakt ordentlich getestet werden.

tennisnet: Angelique Kerber hat beim United Cup ihr Comeback gegeben. Welche Eindrücke haben Sie von Kerber gewonnen?

Christopher Kas: Mir hat vor allem der Kampfgeist von Angie Kerber gefallen. Das hat sie ja schon während ihrer gesamten Karriere ausgezeichnet: Dass sie immer da ist, dass sie um jeden Ball kämpft, dass sie ihre Emotionen auf den Platz bringt. Das haben wir auch beim United Cup gesehen. Das war auch für Angie der perfekte Start. Nicht nur, weil Deutschland gewonnen hat. Sondern weil sie auch viele Matches gegen Topgegnerinnen bestreiten konnte. Angie Kerber ist gur vorbereitet. Und hat in Runde eins mit Danielle Collins auch gleich ein sehr interessantes Matchup zugelost bekommen.

tennisnet: Wie wird ServusTV in Melbourne das Turnier betreuen?

Christopher Kas: Andrea Schlager und ich werden hier hautnah dabei sein. Wir konzentrieren uns auf ein Top-Match des Tages und wollen natürlich die österreichischen Spieler so gut als möglich begleiten.

von Jens Huiber

Samstag
13.01.2024, 10:15 Uhr
zuletzt bearbeitet: 13.01.2024, 11:20 Uhr