"Unsere junge Generation begeistert mich!" Milen Velev im tennisnet.com-Interview
Der Ex-Profi, in Bulgarien ein Volksheld, über sein bewegtes Tennis-Leben und seinen jetzigen Beruf als Trainer in der „TWR“.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
07.12.2011, 16:02 Uhr

Die tennisnet.com-Jugendserie, Teil 12:tennisnet.com stellt in einer Serie die hoffnungsvollsten österreichischen Nachwuchstalente vor und spricht mit Betreuern und Experten über die rot-weiß-roten Stars von morgen und die Arbeit im Jugendbereich.
Milen Velev hat in seiner Laufbahn viel erlebt. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere kam dem heute 40-Jährigen aus Sofia allerdings eine Verletzung dazwischen, die ihn just bei seinem ersten Australian-Open-Match gegen Tennislegende Mats Wilander einholte. Dennoch hat der jetzige Trainer in der „TWR“ (Tenniswerkstatt Rainov), wo er unter anderem auch die aktuelle Nummer 1 der österreichischen U12-Rangliste Mia Cajkovsky betreut, viel erreicht und ist glücklich über seine Laufbahn. Im Gespräch mit tennisnet.com lässt die ehemalige Nummer 121 der Welt aus Bulgarien seine Karriere noch einmal Revue passieren und spricht über seine Schützlinge. Besonders begeistert zeigt er sich von der jungen Generation zwischen zehn und zwölf Jahren.
Herr Velev, Sie sind jetzt seit über neun Jahren Trainer in der „TWR“ im 21. Bezirk. Was hat Sie damals nach Wien verschlagen?
Das ist eine interessante Geschichte. Mit 31 Jahren habe ich damals noch in Deutschland Bundesliga gespielt und war auch mit den Österreichern Jürgen Melzer und Thomas Buchmayer in einer Mannschaft. Ich habe mich dann entschieden, nicht als Profi weiterzuspielen, denn ich wollte mich mehr auf Frau und Kinder konzentrieren. Ich habe dann auch schnell Trainer-Angebote aus Deutschland und Bulgarien bekommen und das in Deutschland wollte ich auch annehmen, da es finanziell einfach um einiges besser war. Dort hätte ich mit Hobbyspielern gearbeitet. Aber dann kam der Anruf von Russi(Ruslan Rainov, Anm.).
Wie ging es dann weiter?
Er hat mir gesagt, dass er jemand für seine Tennisschule in Wien braucht, da es alleine zu viel für ihn wird und er hat mich gefragt, ob ich Interesse hätte. Wir kennen uns schon von Kindheit an, obwohl er sieben Jahre älter ist als ich. Wir sind sogar oft zusammen zu den Profiturnieren gefahren und haben uns immer gut verstanden. Ich habe dann eigentlich gar nicht lange überlegt und bin am Ende des Jahres 2002 nach Wien gekommen und seither hier.
Was wollen Sie als Trainer in der „TWR“ ihren Schützlingen unbedingt mitgeben?
Mir geht es darum, dass meine Spieler langfristig technisch und taktisch gut ausgebildet werden, und das über das nationale Niveau hinaus. Im Moment begeistert mich vor allem unsere junge Generation der Kinder zwischen zehn und zwölf Jahren. Die spielen wirklich richtig gut. Wenn es in den Damen- oder Herrenbereich geht, zeigt sich dann erst, welche Spieler letztendlich top ausgebildet sind und welche nicht.
Muss ein Spieler, der in ihre Akademie kommt, zwangsläufig das Ziel haben, Profi zu werden?
Ich sehe das so: Zu allererst ist es wichtig, dass die Jugendlichen die Schule abschließen und ihre Matura machen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten, worauf ich als Trainer versuche, die Spieler vorzubereiten. Entweder auf eine Laufbahn als Profi oder als Sportstudent in den USA. Dort bekommt man die teuren Studiengebühren bezahlt, wenn man im Tennisteam spielt und trainiert zudem weiterhin ziemlich viel. Das ist eine gute Sache. Letztendlich muss der Spieler aber natürlich selbst entscheiden, welchen von beiden oder ob er überhaupt einen dieser Wege einschlagen will. Es passiert oft, dass Spieler irgendwann beschließen, einfach aufzuhören.
Denken Sie da an jemand bestimmten?
Naja, wir hatten damals eben zum Beispiel Mathias Feitsch und Marcel Altmann bei uns. Die waren beide richtig gut, haben dann aber nicht weitergespielt. Wenn man jung ist, weiß man eben einfach noch nicht, was man will.
Was trauen Sie ihrem Schützling Mia Cajkovsky zu, die derzeit die Nummer 1 der österreichischen U12-Rangliste ist?
Das muss man sehen. Mia ist ein talentiertes Mädchen und sie hatte in letzter Zeit gute Erfolge, aber in diesem Alter kann man noch keine Prognosen wagen. Wenn man in Österreich in der Jugend vorne dabei ist, heißt das erst einmal noch nichts. Wir werden sehen, wie sie sich entwickelt und sind natürlich froh, sie bei uns zu haben.
Sie waren ja selbst Profi, haben es bis auf Weltranglisten-Platz 121 geschafft und bei Grand-Slam-Turnieren auch gegen Legenden wie Gustavo Kuerten und Mats Wilander gespielt. Woran hat es letztendlich gelegen, dass es nicht für noch weiter vorne gereicht hat?
Insgesamt bin ich sehr zufrieden, wie meine Karriere verlaufen ist. Wenn nicht die eine oder andere Verletzung dazwischen gekommen wäre, hätte es, denke ich, auch für weiter nach oben reichen können. 1994 habe ich bei den Australian Open gegen Mats Wilander gespielt. Das Jahr davor hatte ich meine beste Phase. Ich habe aber schon vor dem Match gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt, wollte aber unbedingt auf den Platz bei so einem großen Turnier. Gegen Ende des zweiten Satzes, den ich dann trotzdem noch gewonnen habe, wurden die Schmerzen nahezu unerträglich. Ich habe aber dennoch die gesamten vier Sätze weitergespielt, weil ich so ein Typ bin, der einfach nicht aufgeben kann. Ich spiele immer fertig. Nach dieser Niederlage konnte ich ein halbes Jahr nicht richtig spielen, habe auch viel an Muskulatur verloren und danach hat es einfach nie mehr nach ganz weit oben gereicht.
Wie sah es mit der Finanzierung Ihrer Karriere aus? War das vielleicht auch ein Grund? Würden Sie alles noch einmal so machen?
Es war zu der damaligen Zeit so: Ich war in Bulgarien der beste Spieler und auch der erste, der es so richtig in den Profi-Zirkus geschafft hat. Dennoch habe ich finanziell nicht wirklich gute Möglichkeiten gehabt. Ich habe deswegen zwischendurch immer Preisgeldturniere in Deutschland und Frankreich spielen müssen, um mich über Wasser zu halten. Die Flugtickets und Hotels, das war alles sehr teuer. Außerdem war ich oft alleine unterwegs und teilweise noch unerfahren. Ich habe beispielsweise nicht gewusst, dass ich das „Protected Ranking“ beantragen muss, als ich verletzt war usw. Vielleicht würde ich, wenn es nochmal so weit wäre, eher studieren, aber wie gesagt: Ich bin glücklich über meine Tenniskarriere. Ich habe Challenger gewonnen, einige Top-50-Leute geschlagen und so viel erlebt in all den Jahren. Das kann mir keiner mehr nehmen.
Stimmt es, dass Sie in Bulgarien als eine Art Volksheld gelten und auf der Straße sogar immer noch erkannt werden?
(lacht)Ja, das stimmt wirklich. Das Land war damals klein und ich war eben wie gesagt der allererste, der es im Tennis wirklich nach oben geschafft hat. Deswegen war und bin ich in Bulgarien ziemlich berühmt. Die Leute sagen auf der Straße so etwas wie: „Du bist doch der Tennisspieler, oder?“(lacht)
Gab es auch Angebote von Spielern auf der Tour, die Sie als Coach wollten? Es gibt das Gerücht, Ihr vielversprechender Landsmann Grigor Dimitrov hatte Interesse.
Es ist so. Grigor hat nach seiner Junioren-Karriere bei uns trainiert. Wir haben oft zusammen gespielt und sind auch gute Freunde. Ich habe bei ihm sofort gespürt, wie groß sein Talent ist. Er trainiert aber in Paris bei Patrick Mouratoglou und ich bin einfach nicht der Mensch, der sich selber anbietet. Vielleicht hätten wir zusammenarbeiten können, wenn ich ihm ein entsprechendes Angebot gemacht hätte, aber so ein Typ bin ich nicht. Wenn ein Spieler zu mir kommt und mich konkret anspricht, ob ich ihn trainieren will, überlege ich mir das. Vielleicht werde ich irgendwann mit Grigor zusammenarbeiten, aber im Moment konzentriere ich mich auf meine Aufgabe hier.
Können Sie sich vorstellen, Ihr ganzes Leben als Trainer zu arbeiten?
Ja, das kann ich schon. Ich liebe Tennis, ich liebe diesen Sport einfach. Ich glaube auch, dass ich viel von diesem Sport verstehe und dass ich vielen Spielern weiterhelfen kann. Es wäre, glaube ich, schade, wenn ich dem Tennis den Rücken zukehren würde. Ab einem gewissen Alter ist es klar, dass es keinen großen Sinn mehr macht, als Trainer zu arbeiten. Vielleicht übernehme ich dann eine beratende Funktion. Aber bis dahin habe ich noch lange Zeit. Ich werde dem Tennis auf jeden Fall immer verbunden bleiben.(Foto: Tenniswerkstatt Rainov)
Das Gespräch führte Christian Storhas.