tennisnet.com WTA › Grand Slam › French Open

Simona Halep nach ihrem French-Open-Triumph: Mit dem Herz einer Löwin

Simona Halep erfüllte sich mit dem Gewinn ihres ersten Grand-Slam-Titels einen Kindheitstraum - und die Tenniswelt lag dem Energiebündel aus Rumänien nach dem besonderen Coup zu Füßen.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 12.06.2018, 08:04 Uhr

Simona Halep, French Open

Simona Halep hatte ihre schönste Trophäe schon fest ins Herz geschlossen, sie drückte den Siegerpokal der French Open liebevoll an sich. Aber genug war das noch lange nicht, es war noch nicht das Bild, das an diesem Tag herausgehen sollte in die Welt. Und so rief ausgerechnet Sloane Stephens, die geschlagene Finalistin, aus dem Hintergrund: "Heb' ihn hoch. Zeig' ihn richtig."

Und das tat Halep dann auch: Sie stemmte den Pokal, den Pariser Höchstpreis, über den Kopf, strahlte gelöst zu den Fans und Fotografen herüber. Es war nun auch für alle sichtbar: Hier stand endlich, endlich die Grand Slam-Gewinnerin Halep, eine Nummer 1 der Welt mit plötzlich veränderter Autorität und Legitimation. "Seit ich begann, Tennis zu spielen, habe ich auf diesen Moment gewartet", sagte Halep nach dem 3:6, 6:4, 6:1-Erfolg, "und ich habe mir immer gewünscht, dass es in Paris passiert."

Chris Evert schwärmt: "Simona hat das Herz einer Löwin"

Vielleicht auch, weil dieser Schauplatz vor vortrefflich zu ihr passt, zu der unermüdlich, nie wirklich verzagenden Kämpferin. Zu einer Spielerin, die aufgeht in den strapaziösen Rutschübungen, im stundenlangen Ringen um kleine und kleinste Vorteile im Duell Frau gegen Frau. "Der Sieg hier ist so passend", sagte Chris Evert (USA), die siebenmalige Paris-Gewinnerin und heutige TV-Analystin, "Simona hat das Herz einer Löwin. Und eine Leidenschaft für ihren Sport wie kaum eine andere."

Die 26-jährige überwand sogar einen traumatischen Start in dieses Finale, einen 3:6, 0:2-Rückstand gegen Stephens, und veredelte damit noch den ersten dicken Coup ihrer bewegten Karriere. "Wenn es stimmt, dass die schweren Siege die schönsten Siege sind", sagte Haleps Trainer Darren Cahill, "dann war das genau so ein Sieg."

Auch Steffi Graf findet: Halep hat es mehr als verdient

Vor einer Woche, als Deutschlands Tennis-Ikone Steffi Graf zu einer Stippvisite in Paris weilte, hatte sie auch über Halep gesprochen. Halep habe es mehr als verdient, sich einen Grand Slam-Titel zu holen, "nach all dem, was sie geleistet und schon erlebt hat." Graf sprach damit die Unsicherheiten, die Zweifel und Ängste und Nervenprobleme der Hochbegabten an, die immer mal wieder dem Sturm auf einen der Tennis-Throne entgegen gestanden hatten.

Drei Mal hatte die energiegeladene Rumänin schon in Grand Slam-Finals gestanden, und drei Mal war sie als Verliererin vom Platz gegangen. Das Pariser Finale des Vorjahres, gegen Jelena Ostapenko, war an Bitterkeit kaum noch zu übertreffen für Halep, die nach einem 6:2 und 3:0-Vorsprung völlig einbrach. "Da stürzte eine Welt für mich zusammen", erinnerte sich Halep, "und doch habe ich mich wieder aufgerappelt und es weiter versucht."

"Simo" hatte die nächste Pleite schon dicht vor Augen

Dass sie große Nehmerqualitäten hat, musste sie auch auf den letzten Metern zur Vollendung des großen Traums beweisen. Halep steckte tief im Schlamassel, sie hatte die Pleite gegen Stephens drohend vor Augen, als sie jäh zu einer inneren Freiheit und spielerischen Lockerheit fand. "Ich dachte: Das Spiel ist weg. Jetzt kannst du auch drauflos spielen", so Halep, "und dann lief es einfach wunderbar."

Von den nächsten fünfzehn Spielen gewann sie zwölf - und Stephens, zuvor die unumschränkte Autorität auf dem Roten Platz, nur noch drei. "Wenn ich es einer gönne, dann ihr, Simona. Sie hat einen ganz schön harten Weg hinter sich", sagte die Amerikanerin hinterher, die im letzten September einen märchenhaften Siegeszug bei den US Open erlebt hatte.

Paraderolle als grimmige Fighterin

Halep war schon in Juniorinnen-Zeiten ein Versprechen für eine große Tennis-Zukunft, sie gewann 2008 auch den Nachwuchs-Wettbewerb in Roland Garros. Seit Jahren ist sie eine mitbestimmende Größe im Damentennis, wiederholt eroberte sie Platz 1 der Weltrangliste.

Aber ihre herausragende Position konnte sie nie auf Grand Slam-Terrain bestätigen, noch bei den Australian Open im Januar scheiterte ein weiterer Anlauf Haleps zu Ruhm bei einem Major-Turnier. Im Turnierverlauf wehrte sie in verschiedenen Partien insgesamt fünf Matchbälle, präsentierte sich in ihrer Paraderolle als grimmige Fighterin.

Die flinke Rumänin und ihr gefährlicher Ehrgeiz

Nur um dann im Endspiel mit 7:9 im dritten, entscheidenden Satz gegen Caroline Wozniacki zu verlieren. Wozniacki war am Ziel, es war auch ihr erster Grand Slam-Sieg. Und Halep stand wieder mit leeren Händen da, die Tränen, die sie vergoss, waren Tränen der Enttäuschung.

Halep war viele Jahre lang für ihren übergroßen, gefährlichen Ehrgeiz bekannt. Er führte auf dem Platz oft zu zerstörerischer Impulsivität, oft sah man sie in heftigen Selbstgesprächen, wenn die Dinge nicht liefen wie erwünscht. Trainer Cahill trennte sich im März 2017 sogar von Halep, weil sie in Miami undiszipliniert aufgetreten war und den gemeinsam ausgetüftelten Matchplan komplett aufgegeben hatte.

Aussprache mit Coach Cahill als Schlüsselmoment

Es folgte eine offene Aussprache, Halep gelobte Besserung, Cahill rückte wieder an Bord - und so sah man in Paris eben auch die Szene einer innigen Umarmung des Erfolgsduos. "Dass ich hart an meiner Mentalität, an meiner Psyche gearbeitet habe, war der Schlüssel zu diesem Sieg", sagte Halep.

Nun wird erst mal groß gefeiert, daheim in Rumänien, auch mit Managerin Virginia Ruzici, die vor 40 Jahren als letzte aus dem Balkanland einen Major-Titel gewonnen hatte, auch sie in Paris. "An die nächsten Turniere denke ich noch gar nicht", so Halep, "jetzt mache ich Urlaub."

von Jörg Allmeroth

Dienstag
12.06.2018, 08:04 Uhr