Aller Wagemut reicht nicht: Kerbers Olympia-Reise endet dramatisch
In einem dreistündigen Krimi unterliegt die 36-Jährige Angelique Kerber in ihrem letzten Match der Chinesin Qinwen Zheng.
von SID / Redaktion
zuletzt bearbeitet:
01.08.2024, 14:11 Uhr
Angelique Kerber hielt noch einmal inne, ließ ihren Blick über die Ränge des riesigen Court Philippe Chatrier schweifen, winkte tapfer ins Publikum - und verschwand unter riesigem Jubel in den Katakomben. Die große Karriere der größten deutschen Tennisspielerin seit Steffi Graf hat im Viertelfinale der Olympischen Spiele geendet. In einem letzten großen Kampf unterlag die 36-Jährige der Chinesin Qinwen Zheng mit 7:6 (4), 4:6, 6:7 (6) und verpasste damit ein märchenhaftes Happy End. Doch auch ohne Medaille kann Kerber Paris voller Stolz verlassen.
"Ich habe alles auf dem Platz gelassen. Mehr kann ich nicht machen. Ich habe mein Herz hier in Paris gelassen. Es ist vorbei. Aber ich liebe es, Tennis zu spielen und diese Atmosphäre: Besser hätte man sich kein letztes Spiel vorstellen können", sagte Kerber bei Eurosport.
In einem dramatischen Match über drei Stunden, in dem Kerber drei Matchbälle abwehrte, fehlten nur Kleinigkeiten zum Halbfinal-Einzug – sie wäre die älteste Tennispielerin gewesen, die dies bei Olympia im Einzel geschafft hat. Kerber geht dennoch auf einem Höhepunkt, das gelang nicht jeder großen Sportlerin. Und wie an jedem Tag in Paris folgte sie auch beim Schlussakt ihrem Credo.
"Der Sieg gehört den Wagemutigsten" - der berühmte Wahlspruch von Roland Garros prangt in riesigen Lettern oben an der Tribüne des "Chatrier". So ging Kerber dort auch gegen die fast 15 Jahre jüngere Zheng ins erste Viertelfinale seit 26 Monaten - im Mai 2022 hatte sie in Straßburg danach ihren 14. und letzten Turniersieg auf der WTA-Tour gefeiert.
Viertes Einzel in fünf Tagen
"Ich will hier wieder alles auf dem Platz lassen", sagte Kerber, die tags zuvor eine Zweifach-Schicht geschoben hatte: Erst das kraftraubende Achtelfinal-Einzel gegen Leylah Fernandez, dann in der größten Nachmittagshitze die Doppel-Niederlage mit Laura Siegemund. Die Hoffnung, am Mittwoch einmal ausspannen und regenerieren zu können, zerschlug sich mit der Veröffentlichung des Spielplans am Dienstagabend.
"Ich nehme alles so, wie es kommt, und mache da kein großes Tamtam mehr", sagte Kerber angesichts ihres vierten Einzels binnen fünf Tagen. Zheng hatte auf ihren Mixed-Einsatz am Dienstag verzichtet, dennoch zeigte sich Kerber zunächst frischer, startete mit einem Break und knüpfte an ihre bemerkenswerten Paris-Vorstellungen an.
Vier Tage nach ihrem Erstrundensieg im Mütterduell gegen die viermalige Grand-Slam-Siegerin Naomi Osaka war Kerber auf "Chatrier" zurückgekehrt. Diesen mag sie - auch wenn sie es in ihrer Karriere in Roland Garros nicht einmal bis ins Halbfinale geschafft hatte. Das wollte Kerber nun ändern, doch Zheng stellte sich quer.
Nach 21 Jahren ist Schluss
Die Weltranglistensiebte fand besser ins Spiel. Kerber, die das zuvor einzige Duell mit Zheng 2022 in Indian Wells gewonnen hatte, reagierte, agierte dann variabler, streute immer wieder lästige Mondbälle ein und nahm Zheng den Spielfluss. Nach 53 Minuten ging Satz eins an Kerber.
Kerber zeigte sich bei drückender Schwüle lange topfit, verpasste es aber im zweiten Satz, den Deckel drauf zu machen. Stattdessen ging das Dach zu, draußen schüttete es. Und in der "Halle" war Kerber auf einmal wieder obenauf, führte 4:1 – doch letztlich reichte es nicht.
Kerbers Karriere hatte 21 Jahre zuvor begonnen, im Mai 2003 schlug die damals 15-Jährige in der Qualifikation des ITF-Turniers in Berlin die spätere Wimbledon-Siegerin Marion Bartoli. Nun endete diese absolut runde Karriere gegen Zheng, eine Spielerin die damals gerade einmal acht Monate alt war. "Es gibt für alles eine Zeit", sagte Kerber. Für sie bricht nun eine neue, spannende an.