Als sich Tommy Haas selbst beschimpfte
„Du bist ein Vollidiot“: Tommy Haas ließ bei den Australian Open 2007 eine der legendärsten Schimpftiraden im Tennis los.
von tennisnet.com
zuletzt bearbeitet:
01.02.2015, 07:11 Uhr
Von Christian Albrecht Barschel aus Melbourne
Wenn sich Novak Djokovic und Andy Murray heute im Finale der Australian Open gegenüberstehen, dürfte eines sicher sein: Es wird emotional zugehen. Die beiden sind dafür bekannt, ihre Gefühlslage auf dem Platz zu zeigen, sei es nun Freude, Ärger, Frust oder Verzweiflung. Auch das eine oder andere Selbstgespräch ist immer wieder zu sehen und zu hören bei Djokovic und Murray.
„Wieso? Weshalb? Warum?“
Ein Meister des Selbstgesprächs ist auch Tommy Haas, der bei den Australian Open wegen seiner Schulterverletzung nicht dabei war. Der 36-jährige Deutsche erzielte in Melbourne seine besten Ergebnisse bei den Grand Slams. In den Jahren 1999, 2002 und 2007 stand er jeweils im Halbfinale. Legendär ist vor allem sein letzter Halbfinaleinzug, als er im Viertelfinale an der russischen BallwandNikolay Davydenkozu verzweifeln schien. Davydenko hatte ihm bereits einige Monate zuvor bei den US Open den Weg ins Halbfinale verbaut. Und nun war Haas auch in Melbourne auf der Verliererstraße.
Als der Deutsche bei 1:2-Satzrückstand seinen Aufschlag zum 2:1 abgab, ließ er beim Seitenwechsel eine Schimpftirade gegen sich selbst los. „So kannst du nicht gewinnen. So kannst du nicht gewinnen, Haasi, das geht nicht. So geht’s nicht. So geht es nicht. Zu schwach einfach. Zu viele Fehler, zu viele Fehler. Es ist immer das Gleiche. Ich habe keinen Bock mehr. Ich habe keine Lust mehr. Für was mache ich die Scheiße? Für was? Für wen? Außer für mich selber, ha? Wieso? Weshalb? Warum? Ich kann es nicht, ich kapier’ es nicht. Ich zahle Leute für nichts, für absolut nichts. Damit ich mich aufregen kann. Du bist ein Vollidiot, bist du selber. Schön wieder nicht reingegangen ans Netz“, schnauzte sich Haas selbst an, um sich schließlich dennoch anzufeuern. „Aber du gewinnst. Du gewinnst es noch, komm. Du kannst es nicht verlieren. Fighten. Fighten. Kämpf.“
Haas: „Ein geiles, witziges Video“
Der Wutausbruch zeigte Wirkung. Haas gewann danach alle Spiele in Satz vier und zog letztendlich ins Halbfinale ein. In einem Interview mit „spox.com“ hatte Haas über sein legendäres Selbstgespräch Auskunft gegeben. Der Deutsche bewertet das Video wie folgt: „Mir gefällt es gut, es ist ein geiles, witziges Video. Ich weiß noch, wie es damals war. Meine jetzige Verlobte war damals zum ersten Mal dabei. Und wie es so ist, wenn man ein neues Mädel dabei hat, das man mag, will man besonders geiles Tennis spielen. Ich lag dann 1:2-Sätze hinten und dachte mir, es kann doch nicht sein, was ich hier für einen Scheiß spiele. Ich habe dann einfach vor mich hin gelabert. Das passiert mir ab und zu. Ich hatte noch nie ein Problem damit, Emotionen zu zeigen“, erklärte Haas und führte weiter aus.
„Tennis ist ein brutaler Sport, der einen verrückt machen kann. Das muss raus! Ich habe schon immer ein bisschen mehr erzählt als ich vielleicht sollte, aber so bin ich halt. So war ich auch schon als Kind. Ich schreie auch beim Tischtennis herum, dann fühle ich mich besser. Das Gute an dem Video ist, dass ich am Ende wieder positiv bin und das Match noch gewinne.“ Haas wäre es zu wünschen, dass er nochmals nach Melbourne zurückkehrt, um einen versöhnlichen Abschied von den Australian Open zu bekommen. Im letzten Jahr hatte der Deutsche in der ersten Runde aufgeben müssen. Falls es anders kommen sollte, bleibt Haas nicht nur dank des folgenden Selbstgesprächs in Melbourne in bester Erinnerung. Gute Unterhaltung!