Michael Kohlmann im Interview: „Von unten viel schieben, dann kommt oben mehr an“
Michael Kohlmann ist bei den Australian Open 2025 in Melbourne präsent. Im Interview mit tennisnet gibt sich der deutsche Davis-Cup-Chef zuversichtlich, was die Chancen der kommenden Generation an Spielerinnen und Spielern aus Deutschland anbelangt.
von Harald Buchheister
zuletzt bearbeitet:
22.01.2025, 12:31 Uhr
Michael Kohlmann, der schon vor dem Ende seiner aktiven Karriere (2013 hier bei den Australian Open) dem Ruf des damaligen Davis-Cup-Kapitäns Patrick Kühnen gefolgt ist und zunächst auf Honorarbasis, ab 2015 beim DTB fest angestellt wurde, war damals wie heute u.a. auch für die Kader-Nachwuchsplanung zuständig. Er betreute schon ganz am Anfang Spieler wie Maximilian Marterer und Kevin Krawietz, die beide auch wieder zum aktuellen Kader für das am 30.1 bis 1.2. anstehende Davis Cup Spiel gegen Israel nominiert sind (neben Struff, Hanfmann und Pütz).
Seit dem Start vor über zwölf Jahren hat er einige „Chefs“ erlebt (von Kühnen über Carsten Arriens, Charly Steeb sowie Niki Pilic und Boris Becker), bevor er Ende 2020 selbst zum "Head of Men's Tennis" ernannt wurde. Alles sehr unterschiedliche Trainer-Typen, von denen er unterschiedlich profitierte. Sicherlich war Patrick Kühnen, die prägendste Figur für ihn auf dem Weg seiner inzwischen sehr erfolgreichen DTB-Karriere als Chefcoach das deutschen Herrenteams.
Kohlmann stellt das Team in den Vordergrund
Als Davis Cup Kapitän geht es heutzutage viel mehr darum, dass das richtige Team zusammengestellt wird und jeder sein Potenzial in der kurzen Zeit des Zusammentreffens abrufen kann. Anders als im Fußball müssen keine Abläufe etc. einstudiert werden. „Das Team muss funktionieren und jeder soll seine Rolle kennen“, so Kohlmann.
Aktuell und hier vor Ort beim Grand Slam in Melbourne hält wieder einmal und wie so oft in letzter Zeit nur Sascha Zverev die Fahne in der zweiten Woche für das deutsche Männertennis hoch. Neben den vier Profiherren Hanfmann, Altmaier, Struff und Koepfer waren auch drei Junioren (McDonald, McKenzie und Sickenberger ) im Einzel-Juniors-Wettbewerb des Turniers in der ersten Runde vertreten. Laut Kohlmann waren sie sicherlich noch zu sehr von ihrem ersten Grand-Slam-Auftritt beeindruckt. Immerhin waren es mal wieder richtig viele. Das war zuletzt nicht immer der Fall. Und die drei sind aktuell auch nicht die besten deutschen Nachwuchsspieler. Die spielen derzeit nach Abstimmung mit Kohlmann bei Futures in Deutschland und sollen dort Erfolgserlebnisse und Erfahrung sammeln, auch im Hinblick auf die deutschen Turniere, die in den kommenden Monaten kommen. Die Rede ist von Max Schönhaus, Justin Engel und Diego Dedura Palomero.
„In der Vergangenheit hat man sich zu sehr auf einzelne Spieler fokussiert“, meint Kohlmann. Damit kommt man zum wichtigsten Anliegen von ihm - und das betont er im Gespräch immer wieder. Die Hauptaufgabe im Verband ist es, mehr Leute in die Qualifikationen von großen Turnieren zu bekommen: „von unten viel schieben, dann kommt oben mehr an. Es gibt nämlich einen Schwung von richtig guten Jugendlichen derzeit.“ Aber: „Die Veränderungen gehen nicht von heute auf morgen. Es geht jetzt einfach darum mehr gute Spieler zu entwickeln, die nachrücken können“. Der Anfang sei gemacht.
Die Turnierlandschaft soll ausgebaut werden
Es gibt auch nicht das eine Rezept, das funktioniert. Es seien eher unterschiedliche Entwicklungswege, auf die auch unterschiedlich eingegangen werden muss. Und die es dem Verband in der Zusammenarbeit manchmal nicht ganz einfach machen. Derzeit lebt der Branchenprimus Zverev z.B. eher ein erfolgreiches Family Konzept vor, das auch bei anderen erfolgreichen internationalen Spielern sehr gut funktioniert. Insofern ist es kein Wunder, dass zwei der drei aufstrebenden Junioren den Vater als Trainer haben. Es geht also auch darum, die Abstimmung mit den Familien zu koordinieren. Dazu mit den Verbänden permanent im Austausch zu sein und hier auch an der Trainerausbildung zu arbeiten. Und schließlich auch darum, die Akademien wie z.B. der "Alexander Waske Tennis-University" stärker mit einzubeziehen. Viel Koordinationsaufwand also.
Ein weiterer extrem wichtiger Punkt in der Strategie, das Herrentennis auch in den Top50 Ranglisten wieder stärker aufscheinen zu lassen, ist der Ausbau der Turnierlandschaft in Deutschland. In Italien gibt es beispielsweise 22 Challenger-Turniere. Deutschland hat aktuell nur sechs. Der Verband versucht, mögliche weitere Turnierveranstalter über Finanzspritzen aktiviert zu bekommen, damit die Spieler auch auf regionaler Ebene nicht so weite Wege für ihre Turniererfahrung fahren müssen. Das sind wir wieder beim Lieblingsthema von Kohlmann. Viele gute Spieler, die nachkommen, die sich gegenseitig „pushen“. So wie das in Frankreich Spanien, Italien schon seit Jahren der Fall ist: „wenn ein Spieler sieht, wie Justin Engel bei den Future Titel abräumt, motiviert das jetzt schon andere Spieler, die die dann sagen: hey, das kann ich doch auch erreichen.“
Er selbst man hat noch lange Lust auf den Job. Vor allem der permanente Abgleich der Top-Leute mit dem eigenen Kader, den eigenen Möglichkeiten, motiviert ihn. Er hat auch zwei Töchter im Alter von acht und zehn, die mit eigenen Trainern ans Tennis herangeführt werden, vor allem aber erstmal Spaß haben sollen. Das deckt sich mit den Aussagen zuletzt der deutschen Achtelfinalistin bei den Damen, Eva Lys. Auch bei den Mädchen gäbe es guten Nachwuchs. Ob seine beiden irgendwann zur Spitze dazugehören, sei erstmal nicht wichtig und da sei er eher „Papa als Trainer, wenn ich mit ihnen spiele“.