Lange auf Augenhöhe mit dem "Maestro"

Starke Leistung von Österreichs langjähriger Nummer eins: Jürgen Melzer trotzt Roger Federer in der ersten Runde des Grand-Slam-Turniers in Melbourne einen Satz ab.

von Manuel Wachta
zuletzt bearbeitet: 16.01.2017, 13:53 Uhr

Jürgen Melzer zeigte gegen Roger Federer trotz Niederlage eine starke Leistung

Zum ersten Mal standen sie beide in einem Grand-Slam-Hauptfeld - der Montag war ein ganz besonderer Tag für die Melzer-Brüder. Geendet hat er jedoch mit zwei Niederlagen: Nachdem Gerald Melzer (ATP 87) zu Beginn des Spieltags wie berichtet trotz eines Matchballs mit 7:5, 3:6, 6:2, 6:7 (2), 1:6 an dem erst 17-jährigen, australischen Wildcard-Inhaber Alex De Minaur (ATP 301) gescheitert war, ist am Ende auch der ältere Jürgen Melzer in der ersten Runde der Australian Open in Melbourne ausgeschieden. Das aber gegen ein völlig anderes Kaliber: Der Niederösterreicher (ATP 300) musste sich im Vergleich der 35-Jährigen niemand Geringerem als dem 17-maligen "Major"-Titelgewinner Roger Federer (ATP 17) bei dessen mit Spannung erwarteten Comeback im Turniertennis beugen. Der Ex-Weltranglisten-Achte musste sich der längsten Nummer eins der Welt in der Geschichte nach 2:05 Stunden über weite Strecken sehr guter Gegenwehr mit 5:7, 6:3, 2:6, 2:6 geschlagen geben. Der siegreiche Schweizer "Maestro" steht damit in der zweiten Runde, wo auf ihn ein weiterer Qualifikant wartet: der 20 Jahre alte US-Amerikaner Noah Rubin (ATP 200). Aus österreichischer Sicht ist Dominic Thiem bereits die letzte Hoffnung im Einzel, der achtgesetzte Niederösterreicher (ATP 8) spielt am Dienstag in der dritten Partie nach 1:00 Uhr MEZ auf Show Court 3, gegen den Deutschen Jan-Lennard Struff (ATP 56).

Melzer verspielt ersten und dreht zweiten Satz, aber vergebens

Auch mit 35 Jahren gibt es für ihn noch Premieren: So durfte Melzer bei seinem selbst erst im Sommer 2016 eröffneten Comeback nach seiner Schulteroperation im Herbst 2015 bei seinem 14. Antritt im Melbourne Park erstmals in der Nightsession in der Rod Laver Arena einlaufen. Zu verdanken war dies freilich vor allem seinem prominenten Auftaktgegner, doch mit seinen drei Matchsiegen in der Qualifikation hatte sich der Deutsch-Wagramer dieses Highlight auch redlich verdient. Der fünfmalige ATP-Titelgewinner ging mit einer 1:3-Bilanz in dieses fünfte Duell mit dem 88-maligen, hatte im letzten Aufeinandertreffen in Monte Carlo 2011 sogar mit 6:4, 6:4 die Oberhand behalten und hatte sich doch ein paar Chancen ausgerechnet. Zumal der Eidgenosse seit Wimbledon Anfang Juli 2016 kein Turnier mehr bestritten hatte. "Es ist sicher besser, jetzt gegen ihn zu spielen als bei einer Siegesserie von 25 Matches", hatte Melzer ergo auch beim Interview mit tennisnet.com im Vorfeld gesagt. Die fehlende Matchpraxis war dem "Maestro" auch deutlich anzumerken, er startete fahrig und gleich mit etlichen Rahmenbällen. Melzer ging aggressiv ans Werk, war zunächst der bessere Spieler, schaffte durch einen guten Rückhand-Passierball das erste Break zum 4:2 samt zwei Spielbällen zum 5:2, aber mit einem leichten Volleyfehler gab er seinen Aufschlag postwendend gleichfalls ab und verhalf Federer so zurück ins Spiel.

Dieser nahm die Einladung prompt an, fand jetzt immer mehr seinen Rhythmus und verbuchte von 5:4 für Melzer weg satzübergreifend gleich 16 Punkte am Stück (!), zwei vor allem starke Returngames brachten ihm die Führung mit Satz und Break ein. Österreichs lange Jahre bester Profi steckte jedoch nicht auf, machte aus einem 1:3 plötzlich ein 6:3, mit starkem Spiel, doch auch gewisser Mithilfe Federers, in Form vermeidbarer Fehler. Alles war wieder völlig offen, die Basis für einen spannenden Tennisfight gelegt, doch ehe sich der neutrale Beobachter über einen solchen freuen konnte, war es auch schon wieder vorbei. Denn "FedEx" legte im dritten und vierten Satz einen Gang zu, schnappte sich jeweils Breaks zum 3:1 und 6:2 und ließ keine einzige Breakmöglichkeit mehr gegen sich zu. Bemerkenswert hierbei: Melzer kam im dritten Durchgang auf sechs Winner bei bloß drei Eigenfehlern sowie 88 Prozent erste Aufschläge im Feld, bot also keinesfalls eine schlechte Leistung, sein Service war allerdings dann zu harmlos und Federer zog sein aggressives Spiel immer konsequenter (und auch häufig mit dem nötigen Nachdruck am Netz) durch, ließ seine Klasse zumindest mehrfach aufblitzen. Dagegen konnte Melzer nicht mehr genug ausrichten, wenngleich das Resultat im dritten und vierten Abschnitt etwas deutlicher ausfiel, als es der Spielverlauf tatsächlich war. Nach einer zunehmend relativ gefälligen Partie musste er der Tennislegende schließlich zum Comeback-Sieg gratulieren.

"Was er heute serviert hat, war von einem anderen Stern"

Federer gab im Schweizer Fernsehen zu, dass er bei seiner Rückkehr recht nervös gewesen sei und auf dem zügigen Court seine Probleme gehabt habe, seinen Rhythmus zu finden. "Als mir vier Schlagfehler im ersten Game unterlaufen sind, dachte ich mir bereits, 'Oh mein Gott'." Im Interview auf dem Platz meinte er, dass nicht glücklicher sein könnte, jetzt hier zu stehen: "Es war ein langer Weg zurück, aber ich habe es geschafft. Ich bin im Turnier, was schön ist." Die erste Runde sei für gewöhnlich "für niemanden leicht, daher bin ich froh, dass ich darüber mal hinweggekommen bin", sagte er und machte klar: "Ein jedes Match ist ein gutes Match. Sogar wenn ich verloren hätte, wäre es gut gewesen - weil ich eben wieder ein Match spielen kann." Melzer musste die zu gute Leistung seines Bezwingers anerkennen: "Ich habe einen sehr, sehr guten zweiten Satz gespielt, aber was er heute serviert hat, war von einem anderen Stern", ließ der Linkshänder laut "Austria Presse Agentur - APA" wissen. Federer kam letztlich auf stolze 19 Asse. "Er war schon Minimum eine Klasse besser. Ich habe ein gutes Match gespielt. Aber ich kann es im Moment nicht besser. Er kann halt dann immer noch zulegen - das macht dann den Unterschied aus." Unterm Strich stand eine verpasste Chance: "Man hat gemerkt, er sucht noch nach seinem Timing. Das war die Chance, und ich habe gewusst, ich spiele gut." Melzer war daher nicht wirklich happy: "Mit einer Niederlage kann man selten zufrieden sein."

Gegenüber tennisnet.com sprach Melzer danach von einem "taffen Match. Schade darum. Vor allem um den ersten Satz. Bei 4:2 habe ich doch Chancen, dann mach' ich zwei dumme Fehler und kriege das Rebreak, und dadurch hat er eigentlich wieder in die Partie gefunden. Denn am Anfang war er schon fehleranfällig, finde ich." Viele Probleme bereiteten ihm in Satz drei und vier die Spielbedingungen: "Was man im TV wahrscheinlich nicht gesehen hat: Von der einen Seite hat eine leichte Brise geweht. Ich habe alle meine Breaks dann auf der Gegenwind-Seite gekriegt. Ich habe auch nicht gut genug serviert - und er hat auf der Seite dann stets sofort das Kommando übernommen. Da habe ich mich nicht dagegen wehren können. Von der Leistung, da war das okay - es war das, was ich momentan auch spielen kann, und klar stimmt mich das auch sehr zuversichtlich, dass ich denke, das Niveau zu besitzen, heuer noch viele Matches zu gewinnen." Dennoch sei es "halt eine bittere Auslosung gewesen und ist es schade darum. Ich hätte gerne später gegen Roger gespielt. Oder gar nicht." Denn wie Melzer laut "APA" angab: "Wenn da nicht Roger Federer drüben steht, sondern ein anderer, hätte es vielleicht gereicht - aber ich freue mich, dass ich gesund bin, dass ich schmerzfrei spielen kann." Nun wolle er "so schnell wie möglich Punkte machen und wieder nach oben kommen", was nach Australien auf Challenger-Ebene gelingen soll.

Bedingte Vorfreude auf Doppel-Duell mit Jugendfreund Peya

In Melbourne bleibt Melzer nur noch das Doppel, wo er mit Aisam-ul-Haq Qureshi (Pakistan) ausgerechnet auf seinen Freund bereits aus Jugendtagen, den Wiener Alexander Peya, und auf den Kroaten Mate Pavic trifft. Was gegenüber tennisnet.com bei ihm freilich lediglich bedingt Vorfreude hervorrief. Denn: "Gegen 'Alex' zu spielen, das ist für mich so, wie wenn ich gegen 'Petzsche' (seinen guten Freund Philipp Petzschner; Anmerkung) oder meinen Bruder spiele -was vielleicht sogar noch viel schlimmer wäre. Genau dieses Los zu ziehen, ist natürlich sehr, sehr bitter, aber wir werden natürlich versuchen, zu gewinnen." Er glaube, sich im Doppel mit Qureshi "doch ein bisschen etwas ausrechnen zu können, und wir werden natürlich versuchen, sie zu schlagen."

Hier die Auslosungen und Ergebnisse der Australian Open: Einzel, Doppel, Einzel-Qualifikation.

Hier der Spielplan.

Jürgen Melzer im Steckbrief

von Manuel Wachta

Montag
16.01.2017, 13:53 Uhr