Ex-Profi Gilbert Schaller: „Den Begriff ‚Supercoach‘ mag ich eigentlich gar nicht“

In Mauthausen ist der ehemalige Weltranglisten-17. Gilbert Schaller beim ATP-Challenger-Turnier der Kategorie 100 als Multicoach im Dauereinsatz. Dennoch nahm sich der 55-Jährige Zeit für ein ausführliches tennisnet-Interview.

von Dietmar Kaspar
zuletzt bearbeitet: 11.08.2024, 07:51 Uhr

In Mauthausen ist Gilbert Schaller als Coach im Dauereinsatz.
© tennisnet / privat
In Mauthausen ist Gilbert Schaller als Coach im Dauereinsatz.

Von Dietmar Kaspar aus Mauthausen

Der Boulevard war nie das Ding von Gilbert Schaller während seiner Karriere als Profi-Tennisspieler. Im Schatten seines steirischen Landsmanns Thomas Muster spielte sich der 55-jährige bis auf Platz 17 in der Weltrangliste und landete damit bei seinem Karrierehoch um einen Rang höher als Horst Skoff, der aufgrund seines extrovertierteren Lebensstils ein wesentlich größeres Interesse in der Öffentlichkeit generierte. Nach seinem einzigen Titelgewinn auf der ATP Tour in Casablanca sorgte Schaller 1995 wenige Wochen später bei den French Open mit seinem Erstrundenerfolg gegen den US-Amerikaner Pete Sampras für den ersten Paukenschlag im Turnier, ehe Thomas Muster anschließend den legendären Triumphzug zum Grand-Slam-Titel hinlegte.

Auch nach seiner aktiven Karriere ist Tennis immer noch die größte Leidenschaft des Steirers. Auch wenn nur noch selten auf den großen Turnieren anzutreffen ist, sieht man ihn in dieser Woche beim ATP-Challenger-Turnier in Mauthausen fast im Dauereinsatz auf verschiedenen Coaching-Bänken. Neben dem österreichischen Nachwuchstalent Sebastian Sorger betreut er beim 100er-Event auch den Kroaten Matej Dodig, Mohamed Safwat aus Ägypten, und „wirft noch ein Auge“ auf den österreichischen Doppel-Spezialisten Sam Weissborn.

tennisnet: Wie sieht es mit den aktuellen Tennis-Skills von Gilbert Schaller aus?

Gilbert Schaller: Nicht viel (lacht dabei). Da ich inzwischen körperlich relativ wenig mache, beschränken sich meine Tätigkeiten im Tennis hauptsächlich auf den Platzrand. Zum selber spielen habe ich keine große Lust mehr.

tennisnet: Wie ging es nach der aktiven Karriere als Spieler für dich weiter?

GS: Es war eigentlich ein fließender Übergang. Ich habe als Spieler aufgehört und danach sofort mit dem Coaching begonnen. Für mich war schon von früh klar, dass ich das danach machen möchte. Seitdem bin ich am Stützpunkt in Wien stationiert.

tennisnet: Seit Ende letzten Jahres arbeitest du mit Jurij Rodionov zusammen. Wie kam der Kontakt zustande?

GS: Sein Fitness-Coach Florian Pernhaupt hat mich kontaktiert und wir haben uns zusammengesetzt und besprochen, was für eine Zusammenarbeit möglich wäre. Die Turnierbetreuung können wir nicht abdecken, aber da hat Jurij eh schon jemanden gehabt. Somit haben wir dann ein Paket für ihn zusammengeschnürt, das für ihn passt.

tennisnet: Was waren die Gründe bzw. welche Aspekte wollte Jurij an seinem Spiel verändern?

GS: Zu Beginn unserer Arbeit war Jurij sehr verunsichert, was sein Spiel betrifft. Wir haben daran gearbeitet, dass er aktiver zu den Bällen hingeht und den Platz abdeckt. Zudem soll er mehr Variationen in sein Spiel einbringen. Gestern hat er ja leider in Rom verloren. Er hat mir im Anschluss berichtet, dass es gerade schwierig ist, da er für sich das Gefühl hat, dass er so gut spielt wie noch nie aber trotzdem die Erfolge ausbleiben. Er hatte wieder mentale Lücken im Match, wo er einfach leichtfertig Spiele abgibt und das wird auf diesem Niveau einfach gnadenlos bestraft. Da muss er noch besser werden um den nächsten Schritt zu machen.

tennisnet: Es gibt ja in der Weltelite den Trend zum sogenannten „Supercoach“. War es für Jurij auch ein Aspekt um auf deine Expertise zu setzen, da du ja selbst ein erfolgreicher Spieler warst?

GS: Jeder Coach hat seine eigenen Ideen und Philosophien. Den Begriff „Supercoach“ mag ich eigentlich gar nicht. Nur weil jemand ein besserer Spieler war ist er nicht automatisch auch ein besserer Trainer. Das Renommee ist zwar gut für den Namen, aber das alleine hilft dem Spieler auf dem Platz nicht weiter.

tennisnet: Wie intensiv verfolgst du noch die absolute Weltspitze?

GS: Natürlich schaue ich mir hin und wieder die Matches von den größeren Turnieren im Fernsehen an, wenn mir die Zeit dazu bleibt. Aber der Hauptfokus liegt auf dem Abschneiden der eigenen Spieler bei den verschiedenen Turnieren.

tennisnet: Wie ist eigentlich der Kontakt zu den ehemaligen Mitstreitern auf der Tour?

GS: Man hat eigentlich wenig Kontakt. Hin und wieder trifft man sich auf Turnieren, wenn ehemalige Kollegen auch als Coaches unterwegs sind. Da unterhält man sich und tauscht sich auch mal aus. Am Samstag habe ich zufällig den Thomas Muster wieder einmal getroffen, da wir eine Neueröffnung hatten.

tennisnet: Stichwort Thomas Muster – hat sich der Tom eigentlich im Nachhinein einmal bei dir dafür erkenntlich gezeigt, dass du ihm bei den French Open 1995 mit Pete Sampras einen recht großen Brocken für seinen späteren Titelgewinn aus dem Weg geräumt hast?

GS: So wie der Tom in diesem Jahr drauf war, hat er keine Hilfe gebraucht, denn er hat da alles auf Sand gewonnen was es zu gewinnen gab. Natürlich muss man es erst einmal auf den Platz bringen, aber für mich war es die logische Konsequenz, dass er diesen Titel auch erringen wird. Er war zu dieser Zeit einfach der beste Sandplatzspieler der Welt.

tennisnet: Wie beurteilst du den körperlichen Verschleiß in deiner Karriere und wie siehst du da die Fortschritte in der Sportmedizin?

GS: Wenn ich mir andere Spieler aus meiner Generation anschaue, bin ich meiner Meinung nach noch ziemlich gut weggekommen, da ich ohne Schmerzen relativ normal gehen kann. Wenn ich aber auf meinen Körper mal nicht aufpasse, meldet sich schnell der Rücken oder die Hüfte. Man muss schon beginnen, etwas für den Körper zu tun. Im Vergleich zu meiner Zeit hat sich der regenerative Bereich massiv verbessert. Früher war es fast undenkbar, dass die Spieler mit 35 oder 36 noch zu solchen Leistungen fähig sind.

tennisnet: Du gehörtest ja zu den besten 20 Spielern der Welt. Wie siehst du die Preisgeld-Entwicklung von deiner Zeit zur heutigen?

GS: Als ich 1992 das erste Mal in Paris gespielt habe, habe ich für die erfolgreiche Qualifikation und einen Sieg im Hauptfeld so viel Geld bekommen, wie es heute für die Niederlage in der ersten Quali-Runde gibt. Natürlich muss man immer die Inflation berücksichtigen, ab die Entwicklung diesbezüglich, gerade bei den Grand-Slams, ist schon gigantisch. In den letzten 30 Jahren hat sich das Tennis weltweit enorm entwickelt und ich denke, gerade die Ära mit den Big 3 hat das Tennis als Marke weit nach oben getrieben.

tennisnet: Könntest du dir denn eine Tätigkeit außerhalb des Tennissports überhaupt vorstellen?

GS: Tennis ist immer mein Leben gewesen und wird es auch weiterhin bleiben. Ich werde auf keinen Fall etwas anderes machen, denn in keinem anderen Bereich habe ich so viel Know-How und Freude an der Durchführung.

Vielen Dank für das Interview und weiterhin alles Gute auf dem weiteren Weg.

Hier das Einzel-Tableau aus Mauthausen

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