"Herz auf dem Platz gelassen": Kämpferin Kerber übersteht die "Löwengrube"
Die Reise geht weiter: Angelique Kerber steht nach einem Krimi im Achtelfinale des olympischen Einzelturniers.
von SID
zuletzt bearbeitet:
29.07.2024, 17:12 Uhr
Nach ihrem epischen olympischen Kampf rang Angelique Kerber auch noch mit den Gefühlen - und blieb wie auf dem Platz nur knapp die Siegerin. "Es sind so viele Emotionen, die gerade rauskommen", sagte Kerber nach der Fortsetzung ihres Pariser Märchens und dankte mit Tränen in den Augen ihrer Matchwinnerin - Töchterchen Liana: "Die Kleine ist immer dabei, sie ist auch jetzt da. Und das hat mir den letzten Push gegeben, noch einmal alles rauszuhauen."
Dank Liana-Push hatte die 36 Jahre alte Kielerin kurz zuvor in der Mittagshitze von Roland Garros die zweite Rundes des olympischen Tennisturniers erreicht. Mit dem 6:4, 3:6, 6:4 gegen die Rumänin Jaqueline Cristian ist die frühere Weltranglistenerste erneut dem drohenden Ende ihrer Einzelkarriere entflohen, das in den 2:16 Stunden in der "Löwengrube" des kleinen Court 14 drohte.
Nun gegen Fernandez
"Ich habe in der ersten Runde eine Klassespielerin wie Naomi Osaka geschlagen, jetzt so ein enges Match gewonnen. Diese Emotionen kann mir keiner nehmen", sagte Kerber, die nach den Sommerspielen ihre Karriere beenden wird: "Ich weiß, dass ich mein letztes Match spielen werde. Ich weiß nur noch nicht wann."
Zwei Tage nach dem beeindruckenden 7:5, 6:3 gegen die viermalige Grand-Slam-Siegerin Osaka sorgte Kerber mit einer schieren Energieleistung dafür, dass dieses letzte Match noch nicht jenes gegen Cristian war. Und sie nun die Chance hat, im Achtelfinale gegen die die frühere US-Open-Finalistin Leylah Fernandez (Kanada/Nr. 16) erneut ihr nicht letztes Match zu spielen.
"Ich wollte heute mein Herz auf dem Platz lassen", sagte Kerber nach der Wende im dritten Satz, in dem sie von den deutschen Fans nach vorne gepeitscht wurde: "Die Atmosphäre hat vielleicht die entscheidenden zwei, drei Prozent gebracht."
Eisbad statt Doppeleinsatz
Das Match gegen Cristian, das war auch Kerber klar, würde ganz anders werden als das gegen Osaka. Allein wegen der Umstände: Mittägliche Hitze unter freiem Himmel statt abendlicher Kühle unter dem Hallendach, ein halb besetzter 2200-Zuschauer-Nebenplatz statt der riesigen und gut gefüllten 15.000-Plätze-Arena.
Und auch wegen der Gegnerin: Osaka hat vier Grand-Slam-Titel gewonnen, Cristian, Nummer 57 der Welt, zwei Grand-Slam-Matches. Obwohl die Rumänin derzeit wohl mindestens Osakas Niveau hat, war Kerber, die nach ihrer Babypause lange Zeit weit von ihrer Glanzform entfernt war, die Favoritin. Mit all ihrer Erfahrung ließ sich Kerber davon aber nicht beeindrucken. Sie kämpfte sich durch, auch in den heikelsten Situationen.
"Die hört doch jetzt nicht auf, dazu spielt sie viel zu gut", hatte Olympiasieger Alexander Zverev vor Kerbers Match gegen Cristian gesagt. Doch Kerber wird aufhören: "Ich kämpfe jeden Tag mit den Emotionen, und manchmal ist das echt taff. Aber die Entscheidung steht."
Und im Doppel mit Laura Siegemund hat sie ja auch noch große Olympia-Pläne. "Aber da muss ich zum Glück nicht heute ran", sagte Kerber: "Jetzt freue ich mich stattdessen auf ein Eisbad."