In den Fußstapfen von Nadal: Der neue spanische Himmelsstürmer Carlos Alcaraz

Carlos Alcaraz (ATP-Nr. 11) hat mit seinem Sieg bei den Miami Open endgültig ganz oben angeklopft.

von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet: 04.04.2022, 13:24 Uhr

Carlos Alcaraz
© Getty Images
Carlos Alcaraz

Carlos Alcaraz trug noch Windeln, als Rafael Nadal vor 17 Jahren das Masters-Turnier in Monte Carlo gewann. Nadal stürmte anschließend zu einem noch viel größeren Triumph, zum ersten Mal gewann der bullige Mallorquiner in jener Saison auch die French Open unterm Pariser Eiffelturm.

Wohin der Weg von Alcaraz auf den allergrößten Tennis-Bühnen führen wird, ist noch ungewiss. Doch spätestens seit seinem souveränen Masters-Sieg am Sonntag in Miami (7:5, 6:4 gegen den Norweger Caspar Ruud) wirkt es so, als ob der würdige Erbe von Rafael Nadal ein Mann sein könnte, der auch aus Spanien stammt. Und der ihm verblüffend ähnlich ist in seiner ganzen Erscheinung, in seinem verzehrenden Ehrgeiz, in seiner schier grenzenlosen Leidenschaft und in seiner Siegermentalität. „Ein historischer Moment für Dich, Carlitos“, twitterte Nadal nach dem Coup von Himmelsstürmer Alcaraz im Hard Rock Stadium, „viele weitere Siege werden folgen.“ 

Alcaraz: Nicht mehr Zukunft, sondern Gegenwart

Wenn man Alcaraz spielen sehe, hatte TV-Experte Boris Becker im letzten Herbst einmal lapidar bemerkt, „dann denkt man automatisch an Rafa.“ Nun liegt die Verbindung auch zunehmend schwarz auf weiß vor: Kein Spieler seit Nadal mischt die Tenniswelt in frühen Jahren ähnlich radikal auf wie der 18-jährige Alcaraz, der aus dem kleinen Städtchen El Palmar nahe Murcia stammt. Als drittjüngster Profi gewann er in Miami ein Turnier der höchsten ATP-Kategorie, nur Michael Chang und eben Nadal triumphierten noch früher. In Miami ging Alcaraz sogar als erster Spanier über die Ziellinie, denn Nadal scheiterte in seiner Karriere nicht weniger als fünf Mal in den Finals.

„Carlos ist nicht mehr die Zukunft des Tennis, sondern schon die Gegenwart“, befand der ehemalige Weltranglisten-Erste Andy Roddick (USA). Und tatsächlich: In der Jahreswertung im Männertennis liegt Alcaraz bereits auf Platz 2 hinter seinem Mentor Nadal. „Ich finde gar keine Worte, um mein Glück zu beschreiben“, sagte Alcaraz am Sonntag nach seinem Masters-Triumph, „das ist etwas ganz, ganz Besonderes.“ Noch in Miami ereilte ihn auch ein Anruf des spanischen Königs Felipe, der ihm gratulierte und Glück für den weiteren Saisonverlauf wünschte. Er sei bei dem Gespräch  „nervöser als auf dem Centre Court“ gewesen, meinte Alcaraz.

"Sehr, sehr weit für sein Alter"

An seinem angestammten Arbeitsplatz hat Alcaraz längst die Ehrfurcht vor den großen Namen verloren. Gegen Top-Ten-Spieler weist der 18-jährige mit 7:6-Siegen eine positive Bilanz auf, zu seinem eigenen Vorstoß in die Elitegruppe fehlen ihm aktuell sowieso nur noch 29 Zähler. Alcaraz, ein Mann mit geradezu unheimlichen Muskelpaketen, entwickelt auf dem Centre Court ein aggressives Programm mit kräftigen, gut platzierten Schlägen. Er habe noch niemanden gesehen, der „so hart auf den Ball schlägt wie Carlos“, notierte Spitzenmann Stefanos Tsitsipas in der vorigen Saison.

Allerdings spielt Alcaraz kein plumpes, monotones Tennis von der Grundlinie, streut immer wieder Stopps oder auch Schnittbälle ein. „Er ist schon sehr, sehr weit für sein Alter. Ausgelernt hat er aber natürlich noch nicht“, sagt sein Trainer Juan Carlos Ferrero. Der frühere Nummer eins-Mann war nach dem Tod seines Vaters überraschend doch noch zum Finalwochenende nach Miami gereist, nach dem Sieg von Alcaraz kam es zu einer emotionalen Umarmung des Duos auf dem Centre Court.

Onkel Toni: "Überall hat sich Carlos massiv verbessert"

Verblüffend ist die psychische Stabilität von Alcaraz, seine mentale Festigkeit mit gerade einmal 18 Jahren. Diese innere Härte verschafft ihm auch die zunehmende Konstanz, die Freunde und Gegner gerade in den letzten zwölf Monaten registrieren. „Seine technische und psychische Entwicklung ist enorm. Überall hat sich Carlos massiv verbessert“, sagt Toni Nadal, Onkel und langjähriger Trainer von Rafael Nadal. Beim ersten großen Masters-Wettbewerb 2022 in Indian Wells konnte Nadal, der alte Großmeister, den jungen Herausforderer gerade eben so noch in Schach halten.

Doch während Nadal wegen einer Rippenverletzung vorerst wieder einmal pausieren muss vom Turniergeschehen, könnte Alcaraz in der nun beginnenden Sandplatzsaison bereits zum mitbestimmenden Machtfaktor werden – den Grand-Slam-Höhepunkt in Paris eingeschlossen. „Ich habe keine Angst zu sagen, dass ich einen Major-Titel gewinnen will“, sagt Alcaraz.

Coach Ferrero mahnt zwar, „in dieser Phase müsse man auch „mit Rückschlägen rechnen“:  „Aber Carlos ist einer, der sich nicht so schnell unterkriegen lässt. Er hat einen starken, sehr starken Charakter.“

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von Jörg Allmeroth

Montag
04.04.2022, 13:15 Uhr
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