Kommentar: Der Fall Sinner schadet dem Image des Tennissports
Keine Sperre trotz zweier positiver Tests. Von denen die Öffentlichkeit nichts wusste. Der Umgang mit dem Fall Jannik Sinner schadet dem gesamten Tennissport.
von SID
zuletzt bearbeitet:
21.08.2024, 17:30 Uhr
Es ist schon merkwürdig. Jannik Sinner steigt Anfang Juni nach seinem Halbfinaleinzug in Roland Garros zur Nummer eins der Tennis-Welt auf, gewinnt wenig später das Rasenturnier in Halle und triumphiert am vergangenen Montag in Cincinnati. Und das alles, während im Verborgenen eine Doping-Ermittlung gegen ihn läuft. Niemand bekommt etwas mit.
Zweimal war Sinner im März positiv auf das anabole Steroid Clostebol getestet worden, zweimal war er dafür vorläufig gesperrt worden - einmal einen Tag im April, wenig später nochmal vier Tage. Während andere, weniger erfolgreiche Spieler in ähnlich gelagerten Fällen monatelang aussetzen mussten, bis ihre Untersuchung abgeschlossen war, durfte Sinner nach erfolgreichen Berufungen im Eilverfahren weiter spielen - und weiter gewinnen. Das rückt die International Tennis Integrity Agency (ITIA) in kein gutes Licht, eine transparente Aufarbeitung fehlt.
Sinner und Alcaraz die Aushängeschilder des Sports
Unabhängig davon, ob Sinner nun fahrlässig gehandelt hat, schuldig oder unschuldig an der von ihm vorgetragenen Kontamination durch ein Wund-Spray seines Physiotherapeuten ist - der Umgang mit dem Fall zeigt deutlich die Privilegien auf, die ein Top-Star auf der Tour auch in diesen Sachverhalten genießt. Sinner gehört mit dem Spanier Carlos Alcaraz zu den neuen Aushängeschildern im Tennis und besitzt auch für die Vermarktung der Sportart einen großen Wert.
Mehr als 23 Millionen US-Dollar allein an Preisgeldern heimste Sinner in seiner Karriere schon ein, mehr als genug für einen exzellenten Rechtsbeistand. Auch das, gibt sogar sein Trainer Darren Cahill zu, hilft in diesen Situation. Die "Nummer 300, 500 oder 1000 der Weltrangliste" habe eben nicht solche finanziellen Mittel, um sich ein derartiges "Experten-Team" zusammenzustellen, sagt Cahill.
Geld und Weltranglistenposition sollten in derartig undurchsichtigen Fällen positiver Doping-Tests eigentlich keine Rolle spielen, tun es aber zwangsläufig. Der Unmut aus der Szene, beispielsweise von Nick Kyrgios oder Denis Shapovalov, die eine Ungleichbehandlung im Business anprangern, ist daher berechtigt. Es ist ein Imageschaden für das Millionengeschäft Tennis, die Integrität der ITIA ist beschädigt. Viele Fragezeichen bleiben.