Novak Djokovic - Vom Dominator zum Krisenfall
Novak Djokovic ist bei seiner Rückkehr auf die ATP-Tour in Monte-Carlo schon in seinem ersten Match gescheitert. Der Branchenprimus wirkte dabei wie ein Mann, der auf der Suche ist.
von Jörg Allmeroth
zuletzt bearbeitet:
13.04.2022, 14:42 Uhr
Als der Tennistroß im März zu den beiden großen Masters-Turnieren in Indian Wells und Miami weilte, bereitete sich Novak Djokovic in Monte Carlo mit der üblichen Akribie auf sein Comeback vor der eigenen Haustür vor. Djokovic wohnt praktisch nur einen Steinwurf weit weg vom mondänen Country Club, von den betonharten Sandplätzen dort mit dem Traumblick aufs Mittelmeer. Doch von der ausgedehnten, peniblen Vorbereitung, von einem Heim- und Trainingsvorteil war nichts zu sehen, als der Weltranglisten-Erste am Dienstagnachmittag den Centre Court betrat: Djokovic spielte nervös, fahrig, das Masters-Gastspiel des Großmeisters der Konstanz war eine einzige abenteuerliche Achterbahnfahrt.
Zwei Stunden und 54 Minuten dauerte der erste und einzige und seltsame Vortrag des „Capitano“, für den dann der Masters-Wettbewerb im Wahldomizil mit einer 3:6, 7:6 (5), 1:6-Niederlage gegen den Spanier Alejandro Davidovich Fokina überraschend beendet war. Erstaunlich, aber wahr: Der Ausdauerkünstler, der Mentalitäts-Champion hatte auf der Zielgeraden der Partie rein gar nichts zuzusetzen, wie ein „Boxer, der in den Seilen hängt“, habe er sich gefühlt, klagte Djokovic selbst, „da war kein Sprit mehr im Tank.“ Spüre man seine Beine nicht mehr bei den Rutschpartien im Sand, so Djokovic, „dann wird das alles zu einer unmöglichen Mission.“ Tatsächlich dokumentierten 20 Breakchancen für seinen Gegner und 45 leichte eigene Fehler, wie weit der 34-jährige Ausnahmespieler von seiner gewohnten Form und Verfassung entfernt ist.
Zverev könnte Boden gutmachen
In der Weltspitze des Herrentennis ergibt sich damit eine aktuell paradoxe Situation: Djokovic könnte nach den Einreisewirren und dem Polittheater rund um seinen (Nicht-) Start bei den Australian Open eigentlich schnell wieder Boden gutmachen – denn viele seiner Konkurrenten plagen sich entweder mit Leistungsdefiziten herum wie der Deutsche Alexander Zverev oder auch der Grieche Stefanos Tsitsipas. Oder sie sind, wie Australian-Open-Sieger Rafael Nadal oder US-Open-Triumphator Daniil Medwedew, für längere Zeit verletzt aus dem Rennen.
Nur hat Djokovic inzwischen selbst völlig Takt, Rhythmus und Spiellust verloren, wie eine Nummer eins sieht er wahrlich nicht aus. Inzwischen steht der schwächste Saisonstart des Belgraders seit Jahren zu Buche, ein Substanzverlust, der seinen Ausgang in dem australischen Desaster mit der finalen Ausweisung nahm. Bisher hat Impfgegner Djokovic erst zwei Turniere in der Saison 2022 bestreiten können, in Dubai schied er im Viertelfinale aus, in Monte Carlo gleich in seinem Auftaktmatch. Aus seiner Enttäuschung über den nun auch verkorksten Start in die Sandplatzserie machte Djokovic gar keinen Hehl: „Das muss ich erst mal verdauen. Ich weiß auch nicht, was der Grund für dieses schwache Spiel war“, sagte der 34-jährige, „ich werde mich jetzt mit meinem Team beraten müssen.“ Um einen Weg aus dem Mittelmaß herauszufinden.
Rios - Djokovic der "König der Dummheit"
Djokovics Rücksturz könnte kaum frappierender sein. Im vergangenen Tennisjahr war er lange Zeit der Dominator, gerade bei den Topturnieren. Nach Major-Erfolgen in Melbourne, Paris und Wimbledon fehlte ihm in New York nur noch der Finalsieg zum ersten Kalender-Grand Slam eines Profis in der modernen Tennisära. Mit den Turbulenzen um seine verweigerte Impfung geriet Djokovic nun auf abschüssige Bahn, ein Umstand, der einem Nummer eins-Vorgänger wie Marcelo Rios nur Spott abringt: „Wegen einer verweigerten Impfung setzt er seine Chance, der Größte aller Zeiten zu werden, aufs Spiel“, so der Chilene, „dann ist man der König der Dummheit.“ Anfangs habe Djokovic wohl Angst vor der Impfung gehabt, „sagt Rios, „jetzt ist er einfach zu arrogant geworden.“
Hier das Einzel-Tableau in Monte-Carlo