Thiem´s 7: Casper Ruud im Interview - „Erling Haaland ist der größte norwegische Sportstar“
Casper Ruud hat bei Thiem´s 7 wacker gekämpft, musste aber ohne Matchsieg die Heimreise nach Norwegen antreten. Im tennisnet-Interview plaudert Ruud über seinen ersten Turniersieg, die Corona-Zeit in Norwegen und seine zweite große sportliche Liebe.
von Jens Huiber
zuletzt bearbeitet:
11.07.2020, 11:11 Uhr
tennisnet: Trotz dreier Niederlagen - war Kitzbühel für Sie eine Reise wert?
Casper Ruud: Ganz sicher. Ich hatte drei schwierige Matches gegen drei sehr starke Gegner. Ich bin einfach reingegangen und habe versucht, mein Bestes zu geben. Die erste Partie nach vier Monaten Pause gegen Dominic ist natürlich besonders fordernd, aber das Match war dann knapp. Und auch gegen Jan-Lennard hatte ich ein paar Chancen. Und gegen Andrey war ich im Champions Tiebreak.
tennisnet: Im vergangenen Jahr waren Sie hier im Halbfinale des ATP-Tour-250-Turniers. Warum spielen Sie in Kitzbühel so gerne? Und so gut?
Ruud: Ich versuche mit meiner Vorhand immer heavy zu spielen. Mit viel Topspin. Und in der Höhenlage von Kitzbühel bekommt der Spin immer noch zusätzlich einen höheren Absprung. Das ist ein großer Vorteil für mich. Aber auch andere profitieren: Dominic mit seinem Kick-Aufschlag bekommt noch mehr Absprung und ist enorm schwer zu retournieren. Diese Dinge helfen den Sandplatzspielern. Andererseits spielen Struff oder Rublev sehr schnell. Ich hatte gegen die beiden oft nicht genug Zeit für meine Schläge.
tennisnet: Sie haben in diesem Jahr in Buenos Aires Ihr erstes Turnier auf der ATP-Tour gewonnen. Wie wichtig war es für Sie, dass Sie diesen Meilenstein geschafft haben? Andere junge Spieler wie etwa Félix Auger-Aliassime warten ja noch darauf.
Ruud: Nicht so wahnsinnig wichtig. Wichtiger ist es, sich zu verbessern. Und dann wird man als guter Spieler auch seine Chancen bekommen, Turniere zu gewinnen.
tennisnet: Ihre nächste ist ja gleich eine Woche später in Santiago im Endspiel gegen Thiago Seyboth Wild gekommen …
Ruud: Ja, ich hatte einen sehr guten Trip nach Südamerika. Und nachdem der erste Turniersieg immer ein besonderer ist, wird mir dieser auch immer in Erinnerung bleiben. Ich bin mir aber sicher, dass Félix schon bald seinen ersten Titel holen wird. Er hat ja schon in fünf oder sechs Finali gestanden. Im Tennis ist es ein sehr schmaler Grat zwischen Sieg und Niederlage. Wenige Punkte können den Ausschlag über den Sieg geben.
Ruud - „In Indian Wells habe ich viel Golf gespielt“
tennisnet: Wie haben Sie die vergangenen vier Monate während der Pandemie verbracht?
Ruud: Ich bin nach Indian Wells geflogen, um dort das Turnier zu spielen. Zwei Stunden, nachdem wir in Los Angeles gelandet waren, haben wir die Nachricht bekommen: Turnier abgesagt. Wenn ich die Tickets einen tag später gekauft hätte, wäre ich vielleicht gar nicht hinüber geflogen. Ich bin dann eine Woche dort geblieben und habe viel Golf gespielt, die „freie“ Woche genossen. Mein Vater spielt auch Golf, das Wetter dort ist immer schön. Und zu jenem Zeitpunkt gab es in Europa mehr COVID-19-Fälle als in den USA, weil die Pandemie dort gerade erst angekommen war. Aber nachdem die Zahl der Infizierten dort angestiegen sind, bin ich zurück nach Norwegen geflogen, wo ich die letzten vier Monate verbracht habe.
tennisnet: Inwieweit waren Sie in der Lage, in den letzten Wochen und Monaten zu trainieren?
Ruud: Wir haben Glück gehabt. Als ich nach Norwegen zurückgekommen bin, musste ich mich zwei Wochen lang in Quarantäne begeben. Diese beiden Wochen habe ich zuhause für Fitnessübungen genutzt. Und zwei Tage, bevor meine Quarantäne vorüber war, haben sie die Tennisplätze wieder aufgemacht. Solange man mit jemanden aus demselben Haushalt spielt. Und in Norwegen teile ich mir ein Haus mit meinem Assistenztrainer. Das hat also gut funktioniert. Mein Vater war auch auf dem Court, aber er durfte die Bälle nicht berühren.
tennisnet: Wir haben gehört, dass Sie in Oslo manchmal mit den Skigrößen Henrik Kristoffersen und Kjetil Jansrud trainieren. Entspricht das der Wahrheit?
Ruud: Nun, in Norwegen haben wir ein Trainingszentrum, in dem die olympischen Athleten trainieren können. Manchmal sind die beiden da, aber ich würde nicht sagen, dass wir gemeinsam trainieren. Manchmal trifft man die alpinen Skifahrer, manchmal die Fußballspieler. Ich habe noch nicht so oft dort gearbeitet, weil ich ein anderes Fitnesscenter nutze. Aber während der Pandemie war das olympische Center als einziges geöffnet, weil man eine Genehmigung der Regierung bekommen hatte.
Großer Fan des FC Liverpool
tennisnet: Wie steht es um Ihre Popularität in Norwegen? Werden Sie in Oslo auf der Straße erkannt?
Ruud: Nach meinem Match gegen Roger Federer bei den French Open 2019 haben die Leute begonnen, mich eher zu erkennen. Jeder in Norwegen weiß, wer Federer ist. Und wenn ein junger Norweger gegen jemanden so Großen wie Federer spielt - nicht nur der größte Tennisspieler, sonder der größte Sportler - dann bekommt man schon Aufmerksamkeit. Aber es ist nicht so, dass die Leute zu kreischen beginnen und Fotos von mir wollen. Sie kommen auf mich zu und gratulieren mir zu meinen Leistungen. Und wünschen mir viel Glück. Es ist nicht verrückt, nur einfach nett. Und ich habe einen deal mit Eurosport, die alle meine Matches übertragen. Es ist also für Norweger einfach, mir zu folgen.
tennisnet: Apropos Aufmerksamkeit: Erling Haaland hat die Fans zunächst in Österreich, dann in Deutschland begeistert. Wie populär ist Haaland in Norwegen?
Ruud: Wenn man denkt, dass Haaland in Deutschland groß ist, dann muss man nach Norwegen kommen. Denn dort ist er schon jetzt der größte Sportstar überhaupt. Er ist ein außergewöhnlicher Fußballspieler. Ich hoffe, dass er und ich eine gute Karriere haben werden, weil Fußball und Tennis große internationale Sportarten sind. Ich bin ein großer Fußballfan.
tennisnet: Von welchem Team?
Ruud: Ich bin ein großer Fan vom FC Liverpool, die letzten beiden Jahre waren für mich als Fan also sehr gut. Ich hoffe, dass Haaland eines Tages bei Liverpool spielen wird.