Alexander Waske: „Bei der Becker-Akademie wurde vieles nicht eingehalten“

Alexander Waske ist bei den ITF German Juniors in Bamberg, einem ITF-Jugend-Weltranglistenturnier der Kategorie J300, als Coach im Dauereinsatz. Im tennisnet-Interview spricht der ehemalige deutsche Davis-Cup-Spieler über sein Trainer-Engagement und die aktuelle Situation seiner Tennis-Akademie.

von Dietmar Kaspar
zuletzt bearbeitet: 24.07.2024, 11:11 Uhr

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Bei den ITF German Juniors hat Alexander Waske alle Hände voll zu tun.

Wenn man Alexander Waske bei den Internationalen Deutschen Jugendmeisterschaften auf der Anlage des TC Bamberg beim Coaching beobachtet, sieht man in ihm immer noch das gleiche Feuer lodern, das den 49-jährigen in seiner aktiven Karriere zum Triumph beim World Team Cup in Düsseldorf und zu den vier ATP-Titeln im Doppel getrieben hat. Im Anschluss an das Match seines US-amerikanischen Schützlings Jacob Olar, der sich erfolgreich durch die Qualifikation spielen konnte, nahm sich der gebürtige Frankfurter Zeit für ein ausführliches Interview.

tennisnet: Alexander, hast du eigentlich in deiner Juniorenzeit mal bei den ITF German Juniors mitgespielt?

Alexander Waske: Vor gut 20 Jahren habe ich hier auf der wunderschönen Anlage in Bamberg in der Bundesliga gespielt, aber ich habe in meiner Karriere kein einziges ITF-Jugendturnier gespielt.

tennisnet: Du betreust hier unter anderem den 17-jährigen US-Amerikaner Jacob Olar. In welcher Konstellation arbeitest du mit ihm zusammen?

AW: Ich bin hier für insgesamt fünf Spieler zuständig. Der Jacob ist extra nach Offenbach gezogen, um ganzjährig von uns trainiert und betreut zu werden. Zudem kümmere ich mich um den DTB-Kaderspieler Nikolai Barsukov, den Thailänder Thanapat Boosarawongse, der drei Monate hier verbringt bevor er an das US-College geht, die Chinesin Chen Yiru und Victor Kimpel, der in der Qualifikation bereits ausgeschieden ist. 

tennisnet: Wie groß ist der Trainerstab, den du aktuell in deiner Akademie beschäftigt hast?

AW: Aktuell sind bei mir zwölf Tennis-Trainer, drei Athletik-Trainer und drei Personen im Office beschäftigt. 

tennisnet: Als wie wichtig erachtest du es, selbst immer noch regelmäßig als Coach bei den Turnieren zu sein:

AW: Wenn man das selber nicht mehr macht, ist man nicht mehr am Puls und verliert komplett den Bezug zur Tour. Ich komme gerade aus Roland Garros, wo ich den Hendrik Jebens betreut habe. Für mich würde sich das wie ein einschlafen anfühlen, wenn ich nur noch zu Hause wäre. Aus meiner Sicht kann man die Spieler nicht richtig trainieren, wenn man sich kein Bild vor Ort machen kann, was in ihren Matches nicht funktioniert. Auch der mentale Aspekt ist sehr wichtig. Man verbringt auf der Tour viel mehr Zeit miteinander. Selbst jedes gemeinsame Essen vom Frühstück bis zum Abendessen ist da elementar.

tennisnet: Beim Coaching deines US-amerikanischen Schützlings war zu beobachten, wie intensiv du ihn ständig gepusht hast. Ist das dein permanenter Coaching-Stil oder hängt das vom Wesen des Spielers ab?

AW: Ich habe auch Spieler, die von der Energie so hoch sind, dass ich sie eher beruhigen muss. Es geht da nicht um mich, sondern rein um den Spieler. Wenn ich das Gefühl habe, dass da mehr kommen muss, dann schmeiße ich da ein bisschen Holz in den Ofen. Es ist einfach wichtig, da komplett auf den Spieler einzugehen und ihm in jeder Situation zu helfen.

tennisnet: Wie wichtig siehst du es, öfter mal verschiedene Coaches mit den Spielern mitzuschicken, um ein gewisses Mehraugen-Prinzip anzuwenden?

AW: Solange die Trainer alle daran arbeiten, den Spieler besser zu machen und nicht nur ihr eigenes Ziel zu verfolgen, kann das eine gute Sache sein. Es kann aber auch kontraproduktiv sein, wenn dann ein Gezerre und Wetteifern der Trainer untereinander stattfindet. Wir arbeiten alle im Team, somit gewinnen und verlieren wir zusammen.

tennisnet: Im Herbst 2022 wurde deine Kooperation mit der Boris-Becker-Akademie bekanntgegeben. Wie kam das zustande?

AW: Ich wurde dort als sportlicher Leiter engagiert und sollte ein Konzept entwerfen, wie man die Akademie als riesige Trainingsstätte mit Internat, Schule, Mensa, Hotel und Turnieren langfristig zu einer Tennis-Hochburg entwickeln kann. Die Pläne dort sind nach wie vor riesig, aber es ist bisher nicht so geworden, wie wir uns das alle vorgestellt haben und wie uns das versprochen wurde. Seit letztem Sommer wurde der Bau dort komplett stillgelegt.

tennisnet: Inzwischen bist du mit deiner „Tennis-University“ wieder komplett nach Offenbach umgesiedelt. Wie schwierig war die Entscheidung für dich?

AW: Neben mir hat ja auch mein ganzer Stab wahrgenommen, was da in Hochheim so vor sich ging.  Ich bin jemand, der nicht viel zurückschaut, sondern immer nach vorne blickt, deshalb musste diesbezüglich eine Entscheidung getroffen werden. Wir sind jetzt wieder komplett in Offenbach zugange, wo wir schon vor dem Wechsel an die Becker-Akademie waren. Dabei handelt es sich um die Tennisanlage am Waldschwimmbad, die neben dem Areal des Hessischen Tennisverbandes gelegen ist. Auch während der Zeit in der Becker-Akademie hatten wir dort Kapazitäten, da es auch Spielerinnen und Spieler gab, für die der tägliche Weg nach Hochheim zu weit gewesen wäre. Diesen Standort mit 10 Freiplätzen und auch Hallencourts haben wir jetzt wieder voll aktiviert.

tennisnet: Hattest du dir beim Ausscheiden aus der Becker-Akademie auch Sorgen gemacht, dass du ohne entsprechende Trainings-Kapazitäten dastehst?

AW: Das war schon eine richtige Challenge. Um mich persönlich habe ich mir da nicht so viel Sorgen gemacht, aber ich habe eine Verantwortung gegenüber meinem Personal und den Spielerinnen und Spielern, um ihnen die bestmöglichen Voraussetzungen zu bieten. Ich bin sehr glücklich und stolz, wie das gesamte Team das gehandelt hat. Das war schon mit sehr viel Arbeit verbunden, aber alle standen hinter der Entscheidung und haben komplett mitgezogen.

tennisnet: Planst du in dieser Konstellation weiter oder ist perspektivisch eine Änderung zur Erweiterung der Kapazitäten denkbar?

AW: Es ist immer schwierig zu sagen, was in der Zukunft mal sein kann. Aber momentan sind wir einfach nur happy, dass es mit der Rückkehr nach Offenbach so toll geklappt hat. Mir ist es auch wichtig, diesbezüglich erst mal etwas Ruhe reinzubringen. Wir genießen es, dass wir hier hervorragende Voraussetzungen haben.

tennisnet: Wie sieht die aktuelle Zusammenarbeit deiner Akademie mit dem Deutschen Tennis Bund aus?

AW: Ich bin im Moment schon regelmäßig im Austausch mit Michael Kohlmann, mit dem ich ja auch früher Doppel zusammengespielt habe. Dabei geht es aber hauptsächlich um die Belange von Nikolai Barsukov oder Valentina Steiner, die im DTB-Kader stehen und sowohl dort als auch bei uns trainieren. Von einer großen Kooperation mit dem Verband kann man da aber nicht sprechen. Ich denke, dass da noch sehr viel herauszuholen wäre. Gerade die Italiener machen es aktuell der ganzen Welt vor, wie man mit einer gelungenen Zusammenarbeit zwischen dem Verband und den Privatakademien Großes erreichen kann.

tennisnet: Wie siehst du die aktuelle Turnierlandschaft in Deutschland?

AW: Im Jugendbereich sind wir recht gut aufgestellt. Aber beim Übergang zum Erwachsenen-Bereich muss einfach viel mehr kommen, gerade bei den Hallenturnieren. Aus meiner Sicht müsste man jeden Landesverband dazu verpflichten, dass da jeder jährlich ein Future-Turnier, und die größten Verbände zusätzlich ein Challenger-Turnier ausrichten müssen. Wenn man sieht, dass da Italien diesbezüglich als Nicht-Grand-Slam-Nation auch vorangeht, sollte bei uns auch viel mehr möglich sein.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die weiteren Projekte.

von Dietmar Kaspar

Dienstag
11.06.2024, 17:35 Uhr
zuletzt bearbeitet: 24.07.2024, 11:11 Uhr