Belinda Bencic im Interview - „Ich brauche ein Erfolgserlebnis“
Titelverteidigerin Belinda Bencic ist beim WTA-Premier-Turnier in Dubai schon in der ersten Runde ausgeschieden. Jörg Allmeroth hat mit der Schweizerin gesprochen.
von Von Jörg Allmeroth aus Dubai
zuletzt bearbeitet:
19.02.2020, 10:54 Uhr
tennisnet: Frau Bencic, Sie gewannen in Ihrem Auftaktmatch in Dubai gegen Anastasia Pavlyuchenkova die ersten 19 Punkte, holten sich den ersten Satz mit 6:1. Und verloren dieses Match dann noch sehr deutlich. Wie konnte das passieren?
Belinda Bencic: Ich weiß es selbst nicht so genau. Es ist manchmal gefährlich, wenn man so hoch führt, so gut beginnt. Vielleicht habe ich gedacht: Das geht jetzt so weiter, das machst du schon. Und dann geht es abwärts, und man findet nicht mehr zurück ins Spiel.
tennisnet: Wie verdaut man diesen Rückschlag, immerhin gingen Sie als Titelverteidigerin ins Rennen?
Bencic: Die Enttäuschung ist schon groß im Moment. Ich muss jetzt das Selbstvertrauen zurückfinden, ich brauche ein Erfolgserlebnis.
tennisnet: Letztes Jahr begann der Aufstieg in der Weltrangliste in Dubai, mit dem Turniersieg. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Woche?
Bencic: Es war ein unglaubliches Erlebnis, all die Siege gegen große Spielerinnen. Plötzlich hatte ich wieder dieses Vertrauen in mich, den Glauben, dieses Selbstbewusstsein, das einen auch ein wenig schweben lässt. Es war schon ein Meilenstein in meiner Karriere.
tennisnet: Es war auch ein Moment, wo Sie diese ganze Verletzungsmisere, die vielen Rückschläge endgültig hinter sich gelassen hatten – oder?
Bencic: Klar, ich hatte einiges zu verdauen gehabt in den Monaten und Jahren davor. Immer neue Anläufe, immer mal wieder neue Probleme. Und noch ein Comeback. Das ist dann auch schon etwas zermürbend, das nagt an dir. Weil du dich eigentlich nur auf dein Tennis konzentrieren möchtest – und nicht dauernd in deinen Körper reinhorchen willst.
„Beim nächsten Turnier musst Du hellwach sein“
tennisnet: Alle Spielerinnen, alle Spieler betonen immer wieder das magische Wort Konstanz. Ein Jahr gleichmäßig durchzuspielen, so gut wie nur möglich.
Bencic: Das ist halt einfacher, wenn du einmal so ein Erfolgserlebnis wie voriges Jahr in Dubai im Rücken hast. Gegen Gegnerinnen gewinnst, die du vorher nicht schlagen konntest. Und dann auch noch hintereinander. Danach gehst du ein Stück weit anders durch die Tenniswelt. Aber du musst dir bewußt sein, dass du nichts geschenkt kriegst. Beim nächsten Turnier musst du hellwach sein.
tennisnet: Man hat sowieso den Eindruck, dass im Damentennis wenig unmöglich ist.
Bencic: Es ist tatsächlich so, dass es keine geschenkten Runden gibt. Jede kann jede potenziell in jeder Runde schlagen. Da ist es nicht leicht, oben dran zu bleiben. Seinen Platz zu verteidigen.
tennisnet: Was Ihnen aber gleichwohl insgesamt sehr gelungen ist. Sie erreichten sogar ein Allzeithoch in der Rangliste, mit Platz 4.
Bencic: Ganz ehrlich: Ich schaue nicht so sehr auf die Zahlen. Es ist eine schöne Momentaufnahme gewesen. Aber ich konzentriere mich auf die Turniere, auf die Matches, die ich vor mir habe. Das Motto ist: Aus jedem Tag das Beste rausholen. Es gelingt nicht immer, das habe ich nun zu spüren bekommen.
Bencic ist neugierig auf das Comeback von Clijsters
tennisnet: Spüren Sie, dass Gegnerinnen aus niedrigeren Ranglisten-Regionen jetzt noch mehr Ehrgeiz gegen Sie entwickeln?
Bencic: Schwer, das zu bemessen. Ich weiß nicht, ob der Ehrgeiz einer Profispielerin von dieser oder jener Zahl abhängt. Aber klar: Du willst dich gegen die Spitzenleute beweisen. So war und ist es bei mir ja auch.
tennisnet: Das Tennisjahr ist dicht gedrängt mit Terminen. 2020 kommen noch die Spiele von Tokio hinzu, das olympische Medaillenturnier.
Bencic: Das wird in jedem Fall ein absolutes Highlight für mich. Da freue ich mich jetzt schon drauf. Auch auf die Begegnungen mit den anderen Athleten.
tennisnet: Sie sind ja ein großer Leichtathletik-Fan…
Bencic: Ja, ich verfolge die Wettkämpfe, wann immer es geht. Besonders von Mujinga Kambundji und Alex Wilson. Das wird schon eine aufregende Zeit in Tokio dann, eine tolle Atmosphäre.
tennisnet: Werden Sie dort auch im Doppel und Mixed antreten – und mit wem?
Bencic: Schauen wir mal (lacht)…
tennisnet: Eine große Story im Tennis ist gerade das Comeback von Kim Clijsters. Wie blicken Sie auf Ihre Rückkehr auf die Centre Courts?
Bencic: Ich habe sie als Kind natürlich im Fernsehen verfolgt. Für mich war sie die Spielerin mit dem Spagat. Ich finde es spannend, dieses Comeback. Und ich bin total neugierig, wie es laufen wird für Kim über Dubai hinaus.