Daniel Altmaier: „Tennis ist bei uns in Deutschland mehr Breitensport als Spitzensport“
Der Kempener Daniel Altmaier wurde als topgesetzter Spieler beim Neckarcup seiner Favoritenrolle zum Auftakt mit einem Zweisatzsieg gegen seinen Landsmann Marko Topo gerecht und ist in Heilbronn der einzig verbliebene DTB-Spieler im Feld, der noch eine realistische Chance auf Olympia in Paris hat. An seinem spielfreien Tag nahm sich der 25-jährige Zeit zum tennisnet-Interview.
von Dietmar Kaspar
zuletzt bearbeitet:
24.07.2024, 11:12 Uhr
Von Dietmar Kaspar aus Heilbronn
Drei deutsche Davis-Cup-Spieler waren nach Heilbronn ausgezogen, um die letzte Chance für eine Teilnahme beim olympischen Tennis-Turnier in Paris zu wahren. Mit dem Karlsruher Yannick Hanfmann, der sich als Nummer 2 des Turniers zum Auftakt dem für Großbritannien startenden Jan Choinski beugen musste, verabschiedete sich der erste Kandidat endgültig aus dem Rennen. In Runde 2 erwischte es Maximilian Marterer gegen den Paris-Shooting-Star Henri Squire aus Duisburg, womit sich der Franke ziemlich sicher seiner letzten Möglichkeit beraubt haben dürfte. Somit bleibt nur noch Daniel Altmaier aus Kempen übrig, der mit einem Turniersieg seine letzte Chance auf Olympia nutzen möchte. Über diese Möglichkeit und vor allem über interessante Vergleiche aus Südamerika sprach er unter anderem im ausführlichen Interview mit tennisnet.
tennisnet: Vor zwei Jahren hast du dich mit dem Turniersieg hier erst mal Richtung ATP-Tour verabschiedet. Was hat dich dazu bewegt, wieder hier beim Neckarcup anzutreten?
Daniel Altmaier: Im Ranking bin ich etwas abgerutscht und in Paris habe ich in der zweiten Runde verloren. Deshalb hat es sich für mich angeboten, bei einem Turnier anzutreten, das ich schon mal gewonnen habe. Natürlich hätte ich diese Woche auch mal aussetzen können, aber mit der letztmöglichen Chance auf Olympia kam noch ein zusätzlicher Faktor dazu.
Olympia-Teilnahme als Belohnung
tennisnet: Wie bedeutend wäre eine Teilnahme beim olympischen Tennisturnier für dich?
DA: Natürlich wäre es superwichtig für mich, das zu schaffen. Ich bin aber immer ein großer Befürworter davon, mir deswegen keinen zusätzlichen Druck zu machen. Ich werde bei meinem nächsten Match auch alles geben, wie ich das immer versuche. Wenn es dann klappt, ist es eine super Sache. Wenn nicht, hat es diesmal ein anderer verdient und ich werde es dann in vier Jahren mit der gleichen Intensität wieder probieren.
tennisnet: Im Februar letzten Jahres konntest du beim Davis-Cup-Heimspiel wertvolle Erfahrung im vertreten des Heimatlandes sammeln. Was nimmst du daraus mit für einen eventuellen Start bei Olympia?
DA: Es ist schon ein unbeschreibliches und emotionales Gefühl, wenn man merkt, dass das Publikum einen dafür respektiert, dass man nicht nur für sich selbst sondern auch für sein Land spielt. So eine Unterstützung würde man sich als einheimischer Spieler auch gerne öfters bei Turnieren in Deutschland wünschen. Dies ist nicht als Kritik gemeint, zeigt aber, dass die Mentalität diesbezüglich hier anders ist als beispielsweise in Südamerika.
Mehr Spitzensport-Fokussierung in Südamerika
tennisnet: Stichwort Südamerika – du hast seit einigen Jahren deinen Trainingsschwerpunkt nach Argentinien verlegt. Wie kannst du den Mentalitätsunterschied beschreiben?
DA: In Südamerika wird man als Athlet wesentlich mehr wertgeschätzt, vor allem auch seitens der Medien. Hier in Deutschland kümmern sich die Hauptmedien erst um einen Spieler, wenn man eine Sensation bei einem Grand-Slam-Turnier geschafft oder mal einen großen Namen bei einem Turnier rausgenommen hat. Bei ESPN dagegen in den Social Media, das eine halbe Million Follower hat, bekommt jeder mit, wer ein Halbfinale bei einem Challenger gespielt hat. Diese Medienpräsenz fehlt uns als Sportart Tennis in Deutschland. Der Markt für Spieler im Bereich 50 bis 200 ist nicht so groß. Gestern habe ich hier als topgesetzter Spieler aus Deutschland vor 100 Zuschauern gespielt, in Buenos Aires als topgesetzter Argentinier würde dies bestimmt vor 1500 Zuschauern passieren. Dort ist eine viel größere Fokussierung auf den Spitzensport im Tennis, während hier diesbezüglich eher der Breitensport vorangetrieben wird.
tennisnet: Wie unterscheiden sich dabei die Zuschauer?
DA: In Argentinien ist es für den Zuschauer das oberste Prinzip, den heimischen Spieler bestmöglich zu unterstützen und am Ende auch als Sieger zu sehen. Ob dies auf souveräne oder auch, ich nenn es mal, dreckige oder unschöne Art und Weise zustande kommt, spielt dabei keine Rolle. Da wird es genauso wertgeschätzt, wenn der Spieler aufgrund leichter Fehler oder auch durch einem Doppelfehler seines Gegners das Match gewinnt und nicht nur, wenn man selbst eine Rückhand mit 200 auf die Linie setzt.
tennisnet: Welche Erfahrungen hast du dort selbst bei den Turnieren gemacht?
DA: Vor zwei Jahren habe ich am Ende der Saison mal drei Challenger in Südamerika gespielt, wovon ich zwei gewonnen und ein weiteres Halbfinale erreicht habe um mich wieder in die Top 80 zu spielen. Da habe ich von den Leuten eine sehr hohe Energie gespürt, weil die Leute respektiert hatten, dass da ein junger Spieler aus Deutschland spielt, der spanisch spricht und mit seiner Leistung auch Anerkennung verdient. Hier merkt man halt einen riesigen Unterschied. Ich bin in den letzten beiden Wochen dieselbe Person. Wenn ich aber auf dem Court Suzanne-Lenglen spiele, ist der mediale Hype ein ganz anderer, als wenn ich hier in Heilbronn spiele.
Eindeutige Identifikation mit der Heimat
tennisnet: Du lebst zeitweise bei deinen Eltern in Deutschland, trainierst in Argentinien und verbringst möglichst viel Zeit bei deiner Freundin in Mexico. Siehst du dich da eher schon als Weltbürger?
DA: Ich bin hier in Deutschland aufgewachsen, spiele schon immer für die deutsche Flagge und auch für das deutsche Davis-Cup-Team und möchte mich für mein Land bei Olympia qualifizieren. Daran wird sich auch nie was ändern, egal wieviel ich mich aktuell in der Heimat aufhalte.
tennisnet: In Deutschland verschwinden in diesem Jahr alleine drei Challenger-Turniere von der Landkarte. Wie besorgniserregend ist diese Entwicklung?
DA: Natürlich müsste der Fokus darauf liegen, möglichst viele solcher Turniere für die deutschen Spieler anbieten zu können. Es gibt aber in Deutschland keinen richtigen Markt für solche Challenger-Turniere. Im Gegensatz zu Ländern wie Italien hat es bei uns keine Priorität, welches Talent es als nächstes in die Top 10 schafft oder wieviele Spieler man im nächsten Jahr in die Top 100 bringen kann. Der Fokus bei uns im Tennis liegt eher auf den Medenspielen im Breitensport, aber nicht auf dem Spitzensport. Wenn wir so viele Challenger wie in Italien oder Frankreich hätten, würde wahrscheinlich ein Marko Topo bereits in den Top 150 stehen und es würden Spieler wie Mats Rosenkranz und Nicola Kuhn einfacher hochkommen. Und ein Timo Stodder, der es aus eigener Kraft bis auf Platz 260 geschafft hat und nur noch wenig von den Qualifikationsturnieren bei den Grand-Slams entfernt war, hat nun aufgehört, weil er es ohne Unterstützung nicht mehr geschafft hat. So etwas macht mich traurig und würde es in Italien nicht geben.
Kurze Rasensaison geplant
tennisnet: Wie sieht die weitere Turnierplanung nach dem Neckarcup aus?
DA: Ich werde nach dem Turnier in Heilbronn mit Perugia und Sassuolo noch weitere Sandplatzturniere auf der ATP-Challenger-Tour spielen und die Rasen-Saison eher kurzhalten. In Stuttgart und Halle müsste ich in der Qualifikation antreten und zu den beiden Turnieren hatte ich keinen Kontakt bezüglich einer Hauptfeld-Teilnahme. Deshalb macht es sportlich für mich Sinn, auf Sand zu bleiben und meinem Körper keinen großen Stress mit einer schnellen Belag-Umstellung zuzumuten.
tennisnet: Wie geht es dann weiter Richtung Wimbledon?
DA: Nach meinem Start in Sassuolo werde ich nach London reisen, wo ich ein Haus gemietet habe, und mich anders als in den letzten Jahren eine Woche lang intensiv darauf vorbereiten werde. In dieser Woche gibt es in London auch einige tolle Einladungsturniere. Vielleicht ergibt sich ja dort die Option, das ein oder andere Match in entspannter Atmosphäre zu spielen.
tennisnet: Welche Ziele strebst du als nächsten Schritt in deiner Entwicklung an?
DA: Die nächste Stufe meiner Entwicklung muss eindeutig der Aufstieg zu den 32 besten Spielern der Welt sein. Mit diesem Ranking ist man bei den Grand-Slam-Turnieren gesetzt und das macht einem das Leben dort wesentlich einfacher. Das kann auch mein Davis-Cup-Kollege Jan-Lennard Struff bestätigen, der da mal eine Weile rausgefallen ist und den Unterschied auch deutlich gemerkt hat.
Vielen Dank für das Interview und weiterhin alles Gute zum Erreichen der sportlichen Ziele.