Ella Seidel im Interview: „Wir hatten schon gescherzt: Am besten Sabalenka ...“

Ella Seidel aus dem Porsche Talent Team tritt dank einer Wildcard im Qualifikationsfeld beim Porsche Tennis Grand Prix an. Wir haben mit ihr gesprochen – über ihre Anfänge und das Australien-Erlebnis gegen Aryna Sabalenka.

von Florian Goosmann
zuletzt bearbeitet: 12.04.2024, 12:44 Uhr

Ella Seidel
© Jürgen Hasenkopf
Ella Seidel

Ella, du hast vor ein paar Tagen ein ITF-Turnier in Spanien gespielt. Wo erwischen wir dich gerade?

Ich bin zurück in Hamburg, also zu Hause. Das ist selten geworden: Im vergangenen Jahr habe ich knapp 30 Turniere gespielt, dazu trainiere ich oft an den DTB-Bundesstützpunkten, vor allem in Stuttgart. Ich bin kaum noch in Hamburg, aber immer wieder. Es ist sehr schön, zu Hause zu sein./

Am Wochenende bist du bei der Qualifikation beim Porsche Tennis Grand Prix am Start. Wie hast du von deiner Wildcard erfahren?

Anke Huber hat mir das mitgeteilt, ich habe mich natürlich sehr gefreut. Im letzten Jahr habe ich schon mal mitgespielt, das ist sehr kurzfristig zustande gekommen. Noma Noha Akugue hatte eigentlich die Wildcard erhalten, ist aber kurz vor Qualifikationsbeginn durch eine Absage einer anderen Spielerin über ihre Ranglistenposition ins Feld gerutscht. Ich war zufällig vor Ort – und habe ihre Wildcard übernommen.

Wieso warst du damals in Stuttgart?

Ich habe beim Billie Jean King Cup gegen Brasilien zugeschaut. Ich saß gerade am Platz, neben Noma – sie hatte sich als „Alternate“ bei der Qualifikation eingetragen. Da kam plötzlich Anke Huber vorbei und teilte uns mit, dass Noma ins Quali-Feld gerutscht sei und ich die Wildcard bekomme. Das war am Freitagabend, am Samstagvormittag ging es los. Ich war völlig überrumpelt und habe mich riesig gefreut! Die Atmosphäre war dann supertoll, auch wenn das Ergebnis nicht so ausgefallen ist, wie ich gehofft hatte (Anm.: Seidel verlor mit 6:7, 6:7 gegen Linda Fruhvirtova). Es war dennoch ein ganz großes Highlight im vergangenen Jahr.

Warst du vorher schon mal beim Porsche Tennis Grand Prix, als Besucherin zum Beispiel?

Wir hatten vor ein paar Jahren in Stuttgart-Stammheim einen Lehrgang, der parallel zum Turnier stattfand. Dazu kam der „Porsche Kids Cup“. An den letzten Turniertagen sind wir in die Porsche Arena gefahren. Der Porsche Tennis Grand Prix war das erste große Turnier, bei dem ich live zugeschaut habe – mit allen Topstars, die Jahr für Jahr mitspielen. Ich habe super Erinnerungen daran, auch wenn ich noch recht klein war. Dass ich mal selbst mitspielen würde, daran war damals nicht zu denken.

Was ist generell deine erste Tennis-Erinnerung – dein erstes Match oder Turnier, das du bewusst wahrgenommen hast?

Das waren vor allem die Grand-Slam-Turniere, bei denen Angelique Kerber weit gekommen ist. Speziell in Erinnerung ist mir das Wimbledonfinale 2018 gegen Serena Williams geblieben, das Kerber gewonnen hat.

Hast du Angelique Kerber mal kennengelernt oder eine andere Spielerin aus ihrer Generation?

Andrea Petkovic war zuletzt bei Lehrgängen und Turnieren dabei und hat ihre Expertise weitergegeben – das war cool! Davon profitiert man sehr. Angie Kerber habe ich in diesem Jahr in Australien gesehen, aber wir haben uns nur kurz Hallo gesagt. Ich habe eher Kontakt zu den jüngeren Spielerinnen aus dem Billie Jean King Cup Team. Wir sind oft zusammen auf Turnieren und tauschen uns aus.

Gibt es Spielerinnen oder Spieler, die dich geprägt haben?

(überlegt) Eigentlich nicht. Ich habe früher viele Matches von Serena Williams geschaut, aktuell sehe ich Jannik Sinner sehr gerne. Aber das eine große Vorbild habe ich nicht.

Wie ist es mit Tennis bei dir losgegangen?

Wir wohnen in Hamburg direkt neben einem Tennisverein. Mein Vater hatte wieder angefangen, Tennis zu spielen, er hat mich mitgenommen. Irgendwann war ich jeden Tag im Verein.

Hast du schnell gemerkt, dass das etwas Ernstes werden könnte – dass du talentiert bist und ehrgeizig?

Ehrgeizig schon – bei mir ist alles ein Wettbewerb! (lacht) Tennis habe ich mit fünf oder sechs Jahren begonnen, aber es war anfangs nur ein Hobby. Zumal ich nebenher Hockey gespielt habe. Die Gruppenzusammensetzungen haben sich jährlich geändert, ich war oft mit Älteren zusammen und man hat gemerkt, dass ich doch ein bisschen Talent habe. Irgendwann ging es in den Verband in Hamburg. So hat alles seinen Lauf genommen.

Ist dein Vater ein guter Spieler, konntet ihr längere Zeit miteinander trainieren?

Früher haben wir oft gespielt, vor allem an den Wochenenden. Zuletzt längere Zeit nicht mehr. Manchmal spielen wir noch zum Spaß, aber …

Er hat keine Chance mehr?

Das will ich jetzt so nicht sagen. (lacht)

Wie würdest du deine Spielweise beschreiben? Du magst angeblich den Aufschlag gerne – eher unüblich.

Eigentlich Aufschlag und Vorhand – mittlerweile eher die Vorhand. Ich versuche, direkt mit Aufschlag und Vorhand mein Spiel zu gestalten, den Punkt aggressiv und aktiv anzugehen. Aber es gibt viele Baustellen, die ich verbessern kann. Momentan verändere ich meinen Aufschlag etwas, und mein Ziel ist es, mehr ans Netz zu gehen und mit dem Volley abzuschließen.

Anfang 2023 warst du noch außerhalb der Top 500 platziert, jetzt bist du bereits die Nummer 150 der Welt. Hast du ein konkretes Karriereziel?

Ich würde gerne die Top Ten erreichen – und mein Traum ist es, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen. Mit dieser schnellen Entwicklung habe ich selbst nicht gerechnet. Jetzt geht es darum, mich und mein Spiel weiterzuentwickeln.

Hast du ein Lieblings-Grand-Slam-Turnier?

Mit der Erfahrung aus diesem Jahr: die Australian Open!

Kein Wunder: Du hast dich in Melbourne bei deinem ersten Major-Auftritt direkt durch die Qualifikation ins Hauptfeld gespielt und durftest dort gleich in der Rod Laver Arena ran – gegen Titelverteidigerin Aryna Sabalenka!

Man weiß als Qualifikantin ja, auf welche Spielerinnen man treffen könnte – weil das Hauptfeld-Tableau zu diesem Zeitpunkt schon ausgelost ist. Wir hatten bereits gescherzt: Am besten Sabalenka, schön auf dem Center Court! Als es dann so kam, war ich erst mal überwältigt. Es war gigantisch, in die Rod Laver Arena einzulaufen! Nicht so schön war es natürlich, mit 0:6, 1:6 paniert zu werden. Ich bin rückblickend dennoch stolz darauf, wie Australien gelaufen ist, und hoffe, dass ich dort öfters spielen kann. Aber ich habe auch gesehen, wie viel Arbeit noch vor mir liegt.

Hattet ihr im Vorfeld durchgesprochen, wie du reagieren muss, wenn Sabalenka alles trifft und das Spiel wegläuft?

Ja, das hatten wir. Zumal wir wussten, wie wohl sie sich in Melbourne fühlt – sie hat nun 2023 und 2024 dort gewonnen. Es war klar, dass ich noch nicht würde mithalten können. Ich sollte es genießen, so gut es ging. Das habe ich auch. Dennoch: Ich wollte sie ärgern, das ist mir nicht gelungen. Hoffentlich beim nächsten Mal.

Ist es schwierig, nach solch einem gigantischen Erlebnis wieder in den Alltag überzugehen – auf die kleineren ITF-Turniere?

Es waren viele Eindrücke, die ich aus Australien mitgenommen habe. Aber ich hatte im Anschluss direkt Lust, noch mehr zu trainieren. Diese Erfahrung war so schön, ich würde sie gerne wiederholen und verbessern. Ich habe das als Motivation mitgenommen.

Wenn’s nun nach Stuttgart geht: Auf was freust du dich beim Porsche Tennis Grand Prix am meisten?

Vor allem darauf, wieder vor den Zuschauern in Stuttgart zu spielen. Die Atmosphäre war im vergangenen Jahr fantastisch, die Unterstützung großartig! Ich hoffe, dass wieder so viele Leute kommen!

Ella, vielen Dank für das Gespräch und natürlich viel Erfolg!

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Mittwoch
10.04.2024, 16:15 Uhr
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